Von Adelheid Wedel

Die Griechenlandkrise beschäftigt auch die Feuilletons: Ein Psycholge beschreibt in der "Welt" die Frustration der griechischen Jugend und die "FAZ" erinnert an das Erbe der griechischen Antike.
Griechenlands Verschuldung beschäftigt die Feuilletons vom Wochenende. Die BERLINER ZEITUNG druckt ein Interview mit dem griechischen Schriftsteller Petros Markaris und fragt ihn nach der Stimmung in seinem Land: "Sie ist schlecht. Das ganze Land steht unter Hochspannung. Ein Teil der Menschen sieht zwar ein, dass wir keine Alternative zu dem beschlossenen Sparpaket haben. Doch viele fragen sich auch, warum wir eigentlich immer nach der Pfeife der Europäer tanzen sollen."

Als besonders schmerzlich beschreibt Markaris die Sparmaßnahmen im Bereich der Kultur. Zitat: "Ich sage immer, die Kultur ist ein Hauptgericht, das von den Politikern wie eine Nachspeise behandelt wird. Und jetzt wird man an der Nachspeise sparen, nicht an der Bohnensuppe." Das sieht so aus: "Der Buchmarkt hat etwa 45 Prozent eingebüßt. Es gibt kein Geld für neue Filme, die Theatersubventionen werden schon seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahres nicht mehr gezahlt."

Wassilios Fthenakis, Professor für Entwicklungspsychologie, gibt in der Tageszeitung DIE WELT seine Beobachtungen zu Protokoll: "Gegenwärtig dominieren Wut, Enttäuschung und die Angst vor der Zukunft des Landes. Griechen sind Individualisten, wenn sie aber vor Herausforderungen stehen, vereinen sie ihre Kräfte." Das werde momentan erschwert, weil Werte wie soziale Gerechtigkeit und Gleichbehandlung nicht mehr gegeben sind.

"Korrupte Politiker, Staatsdiener und Großverdiener haben ihr Vermögen in Sicherheit gebracht, niemand wird zur Rechenschaft gezogen. Das will das Volk nicht länger hinnehmen. Wir sind an einem kritischen Punkt angelangt", sagt der Psychologe, "an dem die Jugend keine Perspektive mehr für sich erkennt". Fthenakis leitet daraus seine Forderung an Europa ab: "Nicht nur die fiskalische Seite des Problems sehen, sondern auch dessen menschliches Antlitz. Vor allem, was die Bedürfnisse dieser Jugend angeht, die zu einem großen Teil gut ausgebildet und sehr motiviert ist."

Dann klingt es sehr enttäuscht und wenig erwartungsvoll, auch trotzig, wenn er sagt: "Wenn man im europäischen Verbund das Geburtsland der Demokratie nicht mehr dabei haben möchte, dann möchte ich selbst nicht in einem solchen Europa leben. Die Reduktion unserer Identität allein auf ökonomische Kategorien, das ist ein Schreckensszenario für jeden echten Europäer."

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG geht Dieter Bartetzko auf eben dieses Erbe Griechenlands, auf die Bedeutung der Antike für Europa ein. Er greift den Slogan auf, Europa habe die Pflicht, Griechenland zu helfen, weil dieses dem Kontinent die Grundlagen der Kultur geschenkt habe. Der Autor fragt: "Was wissen wir, die Zeugen und Mitbetroffenen der "Schulden-Tragödie", wirklich von dieser Antike, die momentan jeder im Munde führt?"

Er vermutet: "Alles in allem reichen unsere Kenntnisse kaum tiefer als der Evergreen von Udo Jürgens: Griechischer Wein ist so wie das Blut der Erde." Dennoch: Mit der "Manifestation eines allgemeinen Willens, das Erbe der Antike weiterzutragen, stünde es gut um Europa und Griechenland." Aber, so klagt er, "wir sind Welten von der Antike entfernt und immun gegen ihre Inspiration geworden".

Schon in der Antike galt die Akropolis als Weltwunder. "Heute, besonders seit der Militärjunta, die grobschlächtige Hochhaussolitäre gestattete, ist Athen ein Moloch mit der schlimmsten Luftverschmutzung in Europa." Manchmal, beispielsweise im Theater, steigt die "Antike wieder zum Richter unserer abgestumpften Selbstwahrnehmung auf," hören die Griechen als Publikum das "grausige "blutige Schuld, schuldiges Blut" der Erinnyen, sehen sie Athene und Apollon als Stifter eines lichteren Zeitalters die Rachefurien entmachten, werden wir von ihnen vor der jederzeit möglichen Rückkehr der Barbarei gewarnt". Als unverzichtbares Erbe gehören diese Einsichten heute ganz Europa.