Von Adelheid Wedel

Das Thema Ägypten beschäftigt auch die Feuilletons: Richard Herzinger untersucht in der "Welt" die Haltung der Intellektuellen zum arabischen Aufstand. Die "Taz" porträtiert eine junge Ägypterin in Berlin.
"Wie weiter in Ägypten?" Diese Frage ist momentan die alle bewegende Frage. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG wird sie dem Staatssekretär im Thüringer Justizministerium und Professor für Vergleichende Regierungslehre an der Universität Erfurt, Dietmar Hertz, gestellt. Er erklärt die Situation aus juristischer Sicht und sagt, "man habe den Eindruck, Mubarak agiere als Verfassungspatriot, indem er sich an die Regeln der 1971 geschriebenen Verfassung hält. In Artikel 82 steht: Wenn der Präsident seine Funktion nicht ausüben kann, soll er seine Aufgabe dem Vizepräsidenten übertragen"."

Nach dem Tod von Nasser übernahm dessen Vizepräsident Sadat die Amtsgeschäfte; als Sadat 1981 ermordet wurde, hat seine Vizepräsident Mubarak genauso reagiert. Indem er nun den vormaligen Geheimdienstchef Omar Suleiman als Vize-Präsident eingesetzt hat, ist Mubarak klar auf dem Boden der Verfassung geblieben, urteilt Dietmar Hertz.

""Wenn der Präsident aber zurücktritt, ist der Vize-Präsident nach den Buchstaben der Verfassung aus dem Spiel. Die Wahl des Nachfolgers ist nach den jüngsten Reformen eine, die mehrere Kandidaten zulässt."

Hertz glaubt nicht, dass die Verfassung grundsätzlich geändert werden muss. Seiner Meinung nach kann der Ausnahmezustand aufgehoben werden, und dann ist danach zu fragen, "ob man innerhalb des Gefüges dieser relativ prekären Verfassung arbeiten will und ob es unter Suleiman eine Übergangsregierung mithilfe des Militärs geben kann. Man wird auf eine Übergangsregelung setzen", meint der Jurist, und: "Die Oppositionsparteien müssen sich erst formieren, das Parlament müsste aufgelöst werden, dann könnte der für Herbst vorgesehene Wahltermin eingehalten werden."

"Brauchen die Ägypter unsere Anleitung?" Um diese Frage drehen sich in der Tageszeitung DIE WELT die Überlegungen von Richard Herzinger. Er unterteilt die Beobachter und Kommentatoren der ägyptischen Veränderungen in zwei Gruppen: "die Enthusiasten, die in der Revolte den Durchbruch zu einer neuen Ära der arabischen Welt sehen, und die Skeptiker, die vor Instabilität und der Gefahr des Hijackings der Freiheitsbewegung durch islamistische Kräfte warnen."

Dabei verlaufe die Grenzlinie nicht eindeutig zwischen links und rechts, schreibt die WELT. An der Spitze der Fraktion intellektueller Ägypten-Enthusiasten sieht Herzinger Tariq Ramadan, den Vordenker des Euro-Islam und eines neuen reformierten muslimischen Selbstbewusstseins. Angesichts des ägyptischen Aufstands wittert Ramadan nicht nur eine grundlegende Veränderung des weltpolitischen Kräfteverhältnisses zu Ungunsten des Westens – seine Botschaft lautet im Kern:

"Die demokratischen Bekenntnisse des Westens haben sich als zynische Lüge entpuppt, echte und wahrhaftige Demokratie aber kommt jetzt aus der islamischen Welt."

Herzinger registriert: "Weniger einig als die neue Phalanx der Revolutionsfans sind sich namhafte liberale Skeptiker über die Chancen und Gefahren der ägyptischen Krise." Verbreitet sei hier eine Position, die man als freiheitsliebend, aber auch fatalistisch betrachten kann.

"Dagegen setzt Ayaan Hirsi Ali, eine der schärfsten islamkritischen Stimmen in der internationalen Debatte, ihre Hoffnung auf westliche Unterstützung der säkularen, demokratischen Kräfte."

Etwas hämisch endet dieser Artikel mit der Vermutung: "Auf weitere Verwirrungen der intellektuellen Fronten können wir gespannt sein."

Miriam S. ist 26 Jahre alt, wohnt in Berlin, arbeitet als Übersetzerin und kommt aus Ägypten. Für die Tageszeitung TAZ hat sich Kirsten Küppers mit ihr getroffen. "Sie sitzt den ganzen Tag vor dem Computer, dort landen die Bilder aus Ägypten. 'Keiner hat damit gerechnet, was da passiert', sagt Miriam. In der vergangenen Nacht ist sie spät ins Bett gekommen. Denn das tun die meisten Ägypter gerade in Berlin: Sie bleiben zusammen. Sie sitzen und reden: über die Familien in Ägypten, über die neuen Bilder. Dann singen sie …"