Von Adelheid Wedel
"Ich habe keinen Bock auf Himmel" mit dieser Schlagzeile erinnerte die FAZ am Sonntag an den verstorbenen Regisseur Christof Schlingensief. Außerdem würdigten die Feuilletons Günter Grass' neuen Roman "Grimms Wörter" und die Neuerscheinung "Rabenliebe" von Peter Wawerzinek.
"Ich hab keinen Bock auf Himmel", steht über dem Nachruf auf Christoph Schlingensief in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGS-ZEITUNG, ganz im typischen Jargon des Regisseurs.
Volker Weidermann nennt den Theatermann "einen Künstler der Intensität, der immer unter Strom stand – und bis zuletzt gegen den verdammten Krebs gekämpft hat. So war sein Leben, dieses Leben unter Strom, mit der berühmten Frisur, die immer so aussah, als würde ihr Besitzer permanent in eine Steckdose fassen."
"Er war einzig", ergänzt Weidermann, "einzig auch sein Schlingensief-Impuls, jede Harmonie zu zerstören". Harmonie war für ihn gleichbedeutend mit Stillstand, Erwartbarkeit, Langeweile, Bewegungslosigkeit, Tod.
"Alles hat er gewollt, nur nicht den Tod."
Schlingensief sprach darüber: "Weil ich da nicht mehr denken und arbeiten kann. Dann hänge ich vielleicht irgendwo zwischen den Sternen rum und kann nichts tun. ... Ich habe leider ganz große Angst vor diesem Himmel."
Die Flut an Rezensionen zu Christa Wolfs "Stadt der Engel oder the overcoat of Dr. Freud" wurde in dieser Woche durch die Reaktionen auf Günter Grass' neuen Roman "Grimms Wörter" abgelöst. Beide Bücher wurden als Alterswerke annonciert, manchmal war gar als letztes Werk. Bei solcher Wortwahl wäre größere Vorsicht geboten. In den Rezensionen zu "Grimms Wörter" von Grass lässt sich eine Grundtendenz ausmachen:
"Mit "Grimms Wörter" feiert Günter Grass die deutsche Sprache – und sich selbst."
Tilman Krause schrieb das in der Tageszeitung DIE WELT am Donnerstag, und weiter: Grass unternimmt mit dem Buch "einen so munteren Ritt auf dem Pegasus, dass ein baldiges Verlöschen seiner Energie schwer vorstellbar ist."
Dennoch sollte es so sein, dann findet Tilman Krause: "Vergnüglicher kann man sich aus der Literatur wohl kaum verabschieden.""
Am Freitag konterte, ebenfalls in der WELT, Andreas Rosenfelder.
""Grass hat mit "Grimms Wörter" eine Liebeserklärung an die deutsche Sprache verfasst. Doch die möchte man vor ihm schützen. Das Buch steckt voller kleinerer und größerer Übergriffe, und alle spielen sich auf dem Feld der Sprache ab. Die eingestreuten Gedichte gehören noch zu den harmlosen Delikten." Rosenfelder beschreibt in seinen Augen noch andere "Vergehen" in der WELT.
Iris Radisch nahm in der ZEIT ebenfalls einen leicht spöttischen Ton an:
"Grass verabschiedet sich mit einem Porträt der Brüder Grimm und letzten, strengen Ermahnungen".
Die Autorin sieht das jüngste Buch als Teil einer autobiografischen Trilogie, zu der die Jugendautobiografie "Beim Häuten der Zwiebel", die nachgetragene Familiengeschichte "Die Box" und nun auch das Doppelporträt der Gebrüder Grimm gehören.
Darin erzählt Grass "einfühlsam von der Herkunft der beiden Märchensammler und Philologen Jacob und Wilhelm Grimm, von ihrem Professorenmut vor Königsthronen seinerzeit in Göttingen, ihrer Ausweisung und erzwungenen Übersiedlung ins Hessische nach Kassel, ihrer herkulischen Arbeit am Grimmschen Wörterbuch".
In erster Linie haben wir es mit einer erzählerischen Biografie zu tun, "in zweiter Linie aber," so bemerkt Iris Radisch, "ist das Wörterbuch auch eine politische Autobiografie des Autors."
Grass begleitet die Brüder Grimm nicht nur bei ihrer Suche nach den A- bis F-Wörtern, sondern er bringt seinerseits Wörter bei, die das eigene Jahrhundert und das eigene Werk ihm zuspielen.
"So ergänzt er die Grimmschen Bestände schon beim A nicht nur um das neumodische Arbeitsamt, die Arbeiterbewegung und den Arbeiteraufstand, sondern auch um das "Achachach!" der Knipsmarie in seinem Roman Die Box."
Schließlich ist Iris Radisch aufgefallen: "Der Weg von Grimm zu Grass und von Grass zu Grimm ist dabei stets der denkbar kürzeste" – das jedenfalls liest sich als Lob.
"Im Geist der Brüder Grimm" lautet eine Überschrift in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, und dabei geht es nicht um Grass, sondern um den ersten Band eines neuen Großen Japanisch-Deutschen Wörterbuchs, das als "Meilenstein" bezeichnet wird.
Dieser Band zeige, so Viktoria Eschbach-Szabó, "Wörterbücher können ganze Sprachkulturen aufarbeiten – und die dazugehörige Schriftkultur obendrein", wie eben dieses vorbildliche neue Japanisch-Deutsche Wörterbuch, das jetzt in München ediert wurde.
Mit großer Aufmerksamkeit würdigen die Feuilletons der vergangenen Woche eine weitere Neuerscheinung: "Rabenliebe" von Peter Wawerzinek. Jürgen Verdofsky schreibt dazu in der FRANKFURTER RUNDSCHAU:
"Eine Kindheit ohne Mutter führt in ein Leben ohne Hintergrund. Das Gefühl der Verlorenheit wirkt in der Tiefe, auch wenn es sich still verhält. Peter Wawerzinek hat sich in ein solches Leben vertieft. Es ist sein eigenes."" Mit dem Roman "Rabenliebe" befreit er sich von einer ""Odyssee in mutterloser Welt. Es handelt sich um eine Entladung, wie sie nur ein Lebensstoff auslösen kann."
Ulrich Greiner stellt seine Rezension in der ZEIT unter die Überschrift "Der Schrei nach der Mutter" und nennt den Roman "eine Provokation und ein literarisches Ereignis."
Volker Weidermann nennt den Theatermann "einen Künstler der Intensität, der immer unter Strom stand – und bis zuletzt gegen den verdammten Krebs gekämpft hat. So war sein Leben, dieses Leben unter Strom, mit der berühmten Frisur, die immer so aussah, als würde ihr Besitzer permanent in eine Steckdose fassen."
"Er war einzig", ergänzt Weidermann, "einzig auch sein Schlingensief-Impuls, jede Harmonie zu zerstören". Harmonie war für ihn gleichbedeutend mit Stillstand, Erwartbarkeit, Langeweile, Bewegungslosigkeit, Tod.
"Alles hat er gewollt, nur nicht den Tod."
Schlingensief sprach darüber: "Weil ich da nicht mehr denken und arbeiten kann. Dann hänge ich vielleicht irgendwo zwischen den Sternen rum und kann nichts tun. ... Ich habe leider ganz große Angst vor diesem Himmel."
Die Flut an Rezensionen zu Christa Wolfs "Stadt der Engel oder the overcoat of Dr. Freud" wurde in dieser Woche durch die Reaktionen auf Günter Grass' neuen Roman "Grimms Wörter" abgelöst. Beide Bücher wurden als Alterswerke annonciert, manchmal war gar als letztes Werk. Bei solcher Wortwahl wäre größere Vorsicht geboten. In den Rezensionen zu "Grimms Wörter" von Grass lässt sich eine Grundtendenz ausmachen:
"Mit "Grimms Wörter" feiert Günter Grass die deutsche Sprache – und sich selbst."
Tilman Krause schrieb das in der Tageszeitung DIE WELT am Donnerstag, und weiter: Grass unternimmt mit dem Buch "einen so munteren Ritt auf dem Pegasus, dass ein baldiges Verlöschen seiner Energie schwer vorstellbar ist."
Dennoch sollte es so sein, dann findet Tilman Krause: "Vergnüglicher kann man sich aus der Literatur wohl kaum verabschieden.""
Am Freitag konterte, ebenfalls in der WELT, Andreas Rosenfelder.
""Grass hat mit "Grimms Wörter" eine Liebeserklärung an die deutsche Sprache verfasst. Doch die möchte man vor ihm schützen. Das Buch steckt voller kleinerer und größerer Übergriffe, und alle spielen sich auf dem Feld der Sprache ab. Die eingestreuten Gedichte gehören noch zu den harmlosen Delikten." Rosenfelder beschreibt in seinen Augen noch andere "Vergehen" in der WELT.
Iris Radisch nahm in der ZEIT ebenfalls einen leicht spöttischen Ton an:
"Grass verabschiedet sich mit einem Porträt der Brüder Grimm und letzten, strengen Ermahnungen".
Die Autorin sieht das jüngste Buch als Teil einer autobiografischen Trilogie, zu der die Jugendautobiografie "Beim Häuten der Zwiebel", die nachgetragene Familiengeschichte "Die Box" und nun auch das Doppelporträt der Gebrüder Grimm gehören.
Darin erzählt Grass "einfühlsam von der Herkunft der beiden Märchensammler und Philologen Jacob und Wilhelm Grimm, von ihrem Professorenmut vor Königsthronen seinerzeit in Göttingen, ihrer Ausweisung und erzwungenen Übersiedlung ins Hessische nach Kassel, ihrer herkulischen Arbeit am Grimmschen Wörterbuch".
In erster Linie haben wir es mit einer erzählerischen Biografie zu tun, "in zweiter Linie aber," so bemerkt Iris Radisch, "ist das Wörterbuch auch eine politische Autobiografie des Autors."
Grass begleitet die Brüder Grimm nicht nur bei ihrer Suche nach den A- bis F-Wörtern, sondern er bringt seinerseits Wörter bei, die das eigene Jahrhundert und das eigene Werk ihm zuspielen.
"So ergänzt er die Grimmschen Bestände schon beim A nicht nur um das neumodische Arbeitsamt, die Arbeiterbewegung und den Arbeiteraufstand, sondern auch um das "Achachach!" der Knipsmarie in seinem Roman Die Box."
Schließlich ist Iris Radisch aufgefallen: "Der Weg von Grimm zu Grass und von Grass zu Grimm ist dabei stets der denkbar kürzeste" – das jedenfalls liest sich als Lob.
"Im Geist der Brüder Grimm" lautet eine Überschrift in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, und dabei geht es nicht um Grass, sondern um den ersten Band eines neuen Großen Japanisch-Deutschen Wörterbuchs, das als "Meilenstein" bezeichnet wird.
Dieser Band zeige, so Viktoria Eschbach-Szabó, "Wörterbücher können ganze Sprachkulturen aufarbeiten – und die dazugehörige Schriftkultur obendrein", wie eben dieses vorbildliche neue Japanisch-Deutsche Wörterbuch, das jetzt in München ediert wurde.
Mit großer Aufmerksamkeit würdigen die Feuilletons der vergangenen Woche eine weitere Neuerscheinung: "Rabenliebe" von Peter Wawerzinek. Jürgen Verdofsky schreibt dazu in der FRANKFURTER RUNDSCHAU:
"Eine Kindheit ohne Mutter führt in ein Leben ohne Hintergrund. Das Gefühl der Verlorenheit wirkt in der Tiefe, auch wenn es sich still verhält. Peter Wawerzinek hat sich in ein solches Leben vertieft. Es ist sein eigenes."" Mit dem Roman "Rabenliebe" befreit er sich von einer ""Odyssee in mutterloser Welt. Es handelt sich um eine Entladung, wie sie nur ein Lebensstoff auslösen kann."
Ulrich Greiner stellt seine Rezension in der ZEIT unter die Überschrift "Der Schrei nach der Mutter" und nennt den Roman "eine Provokation und ein literarisches Ereignis."