Von Adelheid Wedel

Mehrere Feuilletons setzen sich mit den Kandidaten für das Bundespräsidentenamt auseinander. Die „SZ“ berichtet über die Eröffnung des Festival Theaters der Welt in Essen und Mühlheim an der Ruhr.
Noch zwei Tage bis zur Wahl des neuen Bundespräsidenten. Das Interesse an ihrem Ausgang ist groß und die Feuilletons machen im Vorfeld ein wenig mit. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG zum Beispiel bietet Lesestoff, einmal pro Wulff, einmal pro Gauck. Beide Artikel ausgewogen, höflich. Patrick Bahners fragt zum Beispiel: „Wozu braucht die Bundesrepublik einen Bundespräsidenten?“ Er selbst beantwortet die Frage: „als Königsersatz“.

Und so passt es trefflich, dass sich Christian Wulff in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“, auf das die FAZ eingeht, selbst „als Nachfolger Friedrichs des Großen“ sieht. „Friedrich der II. von Preußen war wohl der begabteste Erbmonarch der Neuzeit“, schreibt Bahners, aber die Lektüre des Briefwechsels Friedrich II mit dem Philosophen Voltaire „hätte ihn davon abbringen können, die Potsdamer Junggesellenmenage als Vorbild für sein Projekt zu beschwören, aus dem Schloss Bellevue eine Denkfabrik für Deutschland zu machen.“ Bahner meint, das Einzige, was die beiden Aufklärer verband, war der Hass auf die Kirchen. „In diesem Geist will Wulff unser Land wohl nicht modernisieren“, das beweise schon allein die Ernennung einer Ministerin, die das Kruzifix- und Kopftuchverbot forderte, was bekanntlich eine Panne wurde. Wulffs Voltairianismus sei also in der Sache nicht ganz ernst zu nehmen, lenkt Bahners ein und kommt dennoch im Zusammenhang mit Wulff auf den Begriff des „Ersatzmonarchen“ zurück. „Joachim Gauck zieht die Sehnsüchte nach einem Bürgerkönig auf sich“, setzt er die Beurteilung der Kandidaten fort.

Den Gedanken nimmt Necla Kelek, ebenfalls in der FAZ, auf. Ihr deutlicher Favorit für das Präsidentenamt ist Joachim Gauck und sie zählt mehrere Gründe dafür auf. Einer davon heißt:

„Als Oppositioneller in der DDR und später Leiter der Stasi-Unterlagen Behörde hat er dazu beigetragen, dass nicht Rache, sondern Aufarbeitung und Vergebung Maßstab des Umgangs miteinander wurden.“

Dem widerspricht in der Tageszeitung TAZ vehement Anna Lehmann. Sie hat einstige Verbündete Gaucks befragt, die ihn heute kritisch sehen – so wie auch die Pfarrerin Ruth Misselwitz in Pankow. In ihrer Stasi-Akte fand sie viel Fantasiemärchen. „Gauck wäre weniger Verwalter denn Ankläger und Richter gewesen“, meint sie, und Zitat: „Er hat in dieser Position nicht versöhnend, sondern verschärfend gewirkt.“

Ebenfalls in der TAZ schreibt Ralph Bollmann: Entschieden wird zwischen „dem Pfarrer aus Rostock oder dem Jungen aus Osnabrück, dem historischen Schwergewicht oder dem präsidialen Konsensredner.“

Am Abend des 30. Juni sind wir alle klüger, dann wissen wir, wer der nächste Amtsinhaber und Schlossherr auf Bellevue ist.

Ebenfalls an diesem Mittwoch wird das Festival Theater der Welt in Essen und Mühlheim an der Ruhr eröffnet. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG bringt ein Interview mit der Kuratorin des Projekts Frie Leysen.

„Bis zum 17. Juli sind 32 Produktionen, darunter zehn Uraufführungen, zu sehen. Leysen gilt als politisch denkende Kosmopolitin, die es liebt, verschiedene Kulturen, auch kontrovers, miteinander zu konfrontieren,“

schreibt Eva Elisabeth Fischer über sie in der Süddeutschen Zeitung. Sie habe den Titel „Theater der Welt“ wörtlich genommen, sagt Leysen, „das heißt, wir präsentieren Künstler aus Asien, aus Afrika und Lateinamerika, die vielleicht die Großen von morgen sein könnten.“ Und weiter:

„Ich habe darauf geachtet, dass das Programm zur Kulturhauptstadt 2010 passt, wenn sich die Region selbst feiert. Um der Gefahr der Selbstbespiegelung zu entgehen, ist es wichtig, ein radikal internationales Programm zu bringen.“

Sie fände es interessant, wie junge Leute aus Bangkok, Pretoria oder Buenos Aires ihre Gesellschaft sehen und analysieren, wie sie eine Vision entwickeln und eine künstlerische Sprache dafür finden. Und so will sie das politische Theater wieder neu entdecken, „nicht mehr über Ideologien, sondern über die gesellschaftliche Analyse.“