Von Adelheid Wedel
Der Fall der Berliner Mauer vor 20 Jahren ist das große Thema in den Feuilletons. In der „FAZ“ beschreibt der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew, wie stolz er bis heute auf Gorbatschow ist. Und die Tageszeitung „Die Welt“ erinnert sich auf einer Sonderseite an die Euphorie der Wendezeit.
Ehrgeizig versuchen die Feuilletons einen jeweils eigenen Zugang zum Rückblick auf 20 Jahre Mauerfall zu finden. Das ist nicht leicht, denn das Grundgefühl von Befreiung, Erleichterung, ja Euphorie ist bis heute vorherrschend. Die „Ernüchterung der Euphoriker“ setzt erst später ein, aber auch davon ist die Rede in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, die über die Reaktionen russischer und chinesischer Intellektueller 1989 berichtet.
Die russische Historikerin Natalja Narotschnizkaja beispielsweise bekennt: „Wir waren euphorisch bis zur Trunkenheit.“ Die Zeitung fragt: Wie wird das heute gesehen? „Statt zu verschwinden“, bedauert die Historikerin, „sei die Berliner Mauer nur weitergewandert bis zur Grenze des Moskowitischen Reiches im 17. Jahrhundert“.
Der Schriftsteller Viktor Jerofejew ist bis heute stolz auf Gorbatschow: „Er hätte den Prozess der Grenzöffnung stoppen können, doch er tat es nicht“, sagt Jerofejew und findet einen interessanten Vergleich:
„Die revolutionäre Tat Peter des Großen war, ein Fenster nach Europa aufzustoßen. Jetzt war die ganze Wand weg. Russland und Europa umarmten einander. Doch diese Umarmung war grotesk. Zwei Leute küssten sich, die einander nicht kannten. Und sie versuchten dann auch nicht wirklich, einander kennenzulernen. Stattdessen maßen sie einander an den jeweils eigenen Maßstäben und waren natürlich enttäuscht.“
Der Schriftsteller Wladimir Sorokin „trauert heute manchmal dem alten West-Berlin nach, jener Insel der freien Welt mitten im sowjetischen Territorium“, lesen wir ebenfalls in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Aber auch er war glücklich, „als der steinerne Belagerungsring endlich riss“.
Die chinesischen Reaktionen damals und heute sind zurückhaltender: „Es ist eine objektive Realität“, fasst der ehemalige Botschafter Chinas in Deutschland, Mei Zhaorong, seine Gedanken zum Mauerfall in der FAZ zusammen und ergänzt: „Wir akzeptieren sie.“ Sofern in diesen Tagen in China vom Mauerfall überhaupt die Rede ist, wird er als rein deutsches Ereignis dargestellt, ohne Bezug zur chinesischen Gegenwart, zu Kontrolle und Zensur.
„Auch Chinesen“, kommentiert die FAZ, „die die Meinung teilen, dass ihr Land seinen eigenen, nicht unbedingt westlichen Weg gehen müsse, sehen oft keineswegs ein, dass deswegen die Meinungsfreiheit und andere selbstverständliche Rechte auf Dauer beschränkt werden.“
So wurde das Berliner Internetprojekt „berlintwitterwall“, das von hunderten Chinesen genutzt wurde, kurz nach Eröffnung in China gesperrt. „An diesen staatlichen Restriktionen merkt man, wie populär die ekstatischen Berliner Tage bei vielen Chinesen bis heute sind“, so die FAZ.
Etwas von der Euphorie jener Tage vor 20 Jahren vermittelt eine Seite in der Tageszeitung DIE WELT, auf der Michael Gwisdek, Christiane Paul, Nadja Uhl und Wolfgang Kohlhaase um ihre Erinnerungen an den 9. November 89 gebeten wurden. Es klingt poetisch und ist doch real so gewesen, wie es Michael Gwisdek formuliert: „Der Moment, als die Macht zu bröckeln begann, der gehörte nur uns.“
Gwisdek sieht sich und Corinna Harfouch, mit der er damals verheiratet war, in jener Nacht am Brandenburger Tor. „Das erlebt zu haben, gehört zu den spannendsten Dingen, die mir je passiert sind“, sagt der Schauspieler heute. Nadja Uhl war gerade mal 17, als die Mauer fiel, und sie war, wie sie selbst sagt, „also alt genug, um in der DDR erzogen worden zu sein, Aber auch jung genug, um zu schauen, was passiert denn jetzt. Schule vorbei. Welche Möglichkeiten gibt es? Und plötzlich macht es Bäng! Und man kann alles machen, wozu man Lust hat. Ich bin komplett reibungslos in die neue Gesellschaft geglitten.“
Lakonisch fallen Kohlhaases Auskünfte aus: Die Frage, wie man gelebt oder gar überlebt hat in der ehemaligen DDR, beschäftigt ihn nicht wirklich. „Ich habe da gelebt, in dieser DDR, Punkt. Ich bin ja in sie hineingewachsen. Und wenn mich Menschen fragen“, wie es war, „dann sage ich, dass ich jeden Morgen aufgestanden bin“.
Die russische Historikerin Natalja Narotschnizkaja beispielsweise bekennt: „Wir waren euphorisch bis zur Trunkenheit.“ Die Zeitung fragt: Wie wird das heute gesehen? „Statt zu verschwinden“, bedauert die Historikerin, „sei die Berliner Mauer nur weitergewandert bis zur Grenze des Moskowitischen Reiches im 17. Jahrhundert“.
Der Schriftsteller Viktor Jerofejew ist bis heute stolz auf Gorbatschow: „Er hätte den Prozess der Grenzöffnung stoppen können, doch er tat es nicht“, sagt Jerofejew und findet einen interessanten Vergleich:
„Die revolutionäre Tat Peter des Großen war, ein Fenster nach Europa aufzustoßen. Jetzt war die ganze Wand weg. Russland und Europa umarmten einander. Doch diese Umarmung war grotesk. Zwei Leute küssten sich, die einander nicht kannten. Und sie versuchten dann auch nicht wirklich, einander kennenzulernen. Stattdessen maßen sie einander an den jeweils eigenen Maßstäben und waren natürlich enttäuscht.“
Der Schriftsteller Wladimir Sorokin „trauert heute manchmal dem alten West-Berlin nach, jener Insel der freien Welt mitten im sowjetischen Territorium“, lesen wir ebenfalls in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Aber auch er war glücklich, „als der steinerne Belagerungsring endlich riss“.
Die chinesischen Reaktionen damals und heute sind zurückhaltender: „Es ist eine objektive Realität“, fasst der ehemalige Botschafter Chinas in Deutschland, Mei Zhaorong, seine Gedanken zum Mauerfall in der FAZ zusammen und ergänzt: „Wir akzeptieren sie.“ Sofern in diesen Tagen in China vom Mauerfall überhaupt die Rede ist, wird er als rein deutsches Ereignis dargestellt, ohne Bezug zur chinesischen Gegenwart, zu Kontrolle und Zensur.
„Auch Chinesen“, kommentiert die FAZ, „die die Meinung teilen, dass ihr Land seinen eigenen, nicht unbedingt westlichen Weg gehen müsse, sehen oft keineswegs ein, dass deswegen die Meinungsfreiheit und andere selbstverständliche Rechte auf Dauer beschränkt werden.“
So wurde das Berliner Internetprojekt „berlintwitterwall“, das von hunderten Chinesen genutzt wurde, kurz nach Eröffnung in China gesperrt. „An diesen staatlichen Restriktionen merkt man, wie populär die ekstatischen Berliner Tage bei vielen Chinesen bis heute sind“, so die FAZ.
Etwas von der Euphorie jener Tage vor 20 Jahren vermittelt eine Seite in der Tageszeitung DIE WELT, auf der Michael Gwisdek, Christiane Paul, Nadja Uhl und Wolfgang Kohlhaase um ihre Erinnerungen an den 9. November 89 gebeten wurden. Es klingt poetisch und ist doch real so gewesen, wie es Michael Gwisdek formuliert: „Der Moment, als die Macht zu bröckeln begann, der gehörte nur uns.“
Gwisdek sieht sich und Corinna Harfouch, mit der er damals verheiratet war, in jener Nacht am Brandenburger Tor. „Das erlebt zu haben, gehört zu den spannendsten Dingen, die mir je passiert sind“, sagt der Schauspieler heute. Nadja Uhl war gerade mal 17, als die Mauer fiel, und sie war, wie sie selbst sagt, „also alt genug, um in der DDR erzogen worden zu sein, Aber auch jung genug, um zu schauen, was passiert denn jetzt. Schule vorbei. Welche Möglichkeiten gibt es? Und plötzlich macht es Bäng! Und man kann alles machen, wozu man Lust hat. Ich bin komplett reibungslos in die neue Gesellschaft geglitten.“
Lakonisch fallen Kohlhaases Auskünfte aus: Die Frage, wie man gelebt oder gar überlebt hat in der ehemaligen DDR, beschäftigt ihn nicht wirklich. „Ich habe da gelebt, in dieser DDR, Punkt. Ich bin ja in sie hineingewachsen. Und wenn mich Menschen fragen“, wie es war, „dann sage ich, dass ich jeden Morgen aufgestanden bin“.