Von Adelheid Wedel

Thema in den Feuilletons ist die Herbsttagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Die "SZ" hat die britische Schauspielerin Tilda Swinton interviewt, die gerade in Berlin für die Fortsetzung eines Dokumentarfilms über die Stadt unterwegs war. Die "Welt" zeigt sich enttäuscht von der Rede des Büchnerpreisträgers Walter Kappacher.
"Es ist nicht übertrieben, davon zu sprechen, Cranach habe die Renaissance nach Berlin geholt", "

schreibt Kia Vahland in ihrem Artikel zur Cranachausstellung in Berlin. Dennoch fragt sie:

" "Und warum heute nach all den Jahren wieder Cranach, der so präzise Schnellmaler, das Marktgenie, der Diener aller Herren?"

Vahland beantwortet ihre Frage selbst:

"Als früher Multitasker tröstet er all jene, denen in einer Epoche immer schneller laufender Fließbänder zum schönen und erkentnisstiftenden Grübeln, Irren und Wirren einfach keine Zeit mehr bleibt."

Festzuhalten wäre, dass

"kein deutscher Altmeister in den vergangenen Jahren"

mit so viel Aufmerksamkeit bedacht wurde wie Lucas Cranach der Ältere:

"Forschungsprojekte werden ihm gewidmet, Symposien und Ausstellungen in Frankfurt am Main, Hamburg, Chemnitz und jetzt in Berlin, wo die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ihre Cranach-Bestände wieder entdeckt."

Bis zum 24. Januar sind die Meisterwerke im Berliner Schloss Charlottenburg sowie in der Marienkirche zu sehen.

Mehr als die alte, wenngleich schwergewichtige Kunst drängt sich derzeit Neues, Dokumentarisches in den Vordergrund. Zum Beispiel Tilda Swinton mit zwei dokumentarischen Filmen über die deutsche Hauptstadt. Die Schauspielerin war gerade in Berlin mit dem Fahrrad für die Fortsetzung eines kleinen Films unterwegs, den sie 1988 gedreht hatte.

"Als ich jetzt an einzelnen Häuserecken die alte Stadt wiedererkannte, war das fast wie ein Schock", "

sagt die 48-Jährige der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Und weiter:

" "Ich bin völlig verwirrt, weil ich die Stadt überhaupt nicht wiedererkenne. Wenn ich jetzt Berlin erkunde, fühle ich mich wie jemand, der nach zwanzigjährigem Zauberschlaf in einer völlig neuen Welt erwacht. Der Potsdamer Platz erscheint mir wie ein neuer Ort, ein neues Universum."

Im Interview in der SZ spricht die Schauspielerin auch über ihre Kindheit, die Jugend und das Verbot von Pop-Kultur, dem sie in einem strengen Mädcheninternat ausgesetzt war. Sie sagt:

"Da werde ich noch heute zornig, wenn ich daran denke. Als Teenager von der Popmusik fern gehalten zu werden, das heißt von deiner Generation ferngehalten zu werden, auch in gewisser Weise vom Sex."

Von ihren Eltern berichtet sie liebevoll:

"Sie haben mich immer auf eine freundliche, wohlwollende Weise vernachlässigt. Das war großartig."

Die jüngste Herbsttagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ist Thema in den Montagsfeuilletons. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hält lobend fest:

"Ohne Verrenkungen hat sich die Akademie verjüngt, und der gelassene, offene und konzentrierte Umgang ihrer Mitglieder quer über Auffassungen, Wissensgebiete und Generationen hinweg deutet darauf hin, dass die Zeit der Fraktionen und Fiktionen vorüber ist."

Die Schwierigkeit künftiger Tätigkeit bestehe nun darin, so die Zeitung weiter, die Arbeit der Akademie nicht nur nach außen zu spiegeln, sondern ihr öffentliche Relevanz zu verleihen. Dazu passt der Vorschlag von Akademiepräsidenten Klaus Reichert, die Spracherziehung künftig ins Zentrum der Bemühungen zu rücken, zum Beispiel mit einem regelmäßigen "Bericht zur Sprache der Nation". Außerdem will man darauf dringen, dass an den Schulen wieder Texte gelesen werden, die sich nicht bloß pädagogisch, sondern durch ihre literarische Qualität empfehlen.

"Literatur als Fundament der Identitätsbildung", "

das soll weiter gestärkt werden.

" "In Zeiten, da Literatur, Dichtung und Wissenschaft sich in der Defensive wähnen, kam die Veranstaltung einer Offensive gleich", "

kommentiert Felicitas von Lovenberg in der FAZ.

Die Tageszeitung DIE WELT geht etwas auf Distanz zum neu gekürten Büchnerpreisträger:

" "Wie immer man zu Kappachers Romanen stehen mag, in die Reihe der großen, intellektuell funkelnden Büchnerpreisreden wird die seine wohl nicht eingehen. Zu bildungsbeflissen, zu zaghaft autobiografisch, sprachlich glanzlos, zu absehbar in Bedenken und Begeisterung."

Als Beleg dafür druckt die WELT ein Zitat von Kappacher:

"Nicht alle, dachte ich mir später, welche in Palästen leben, sind Unmenschen, und nicht alle, welche in Hütten leben, gute."