Von Adelheid Wedel

Von den Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Alltag in den USA ist in der "Süddeutschen Zeitung" zu lesen. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" erlebte eine Tagung mit Hans Magnus Enzensberger als "unterhaltsame Demonstration der virtuosen Kunst des öffentlichen Verbergens". Und die "Neue Zürchere Zeitung" erinnert an den 100. Geburtstag des Kunsthistorikers Ernst Gombrich.
Unter der Überschrift "Gierige Bastarde" erklärt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Die fetten Jahre sind vorbei." Jörg Häntzschel schreibt über den Wertewandel in den USA:

"Für die Amerikaner bricht eine Welt zusammen. Es ist das Ende des zweiten Goldenen Zeitalters."

Schluss damit, dass privater Reichtum hemmungslos zur Schau gestellt wird, vorbei mit dem Glücksrittertum. Häntzschel registriert:

"Die Mittelklasse schrumpfte, die Zahl der Armen wuchs, der Lebensstandard der Bevölkerung stagnierte." Und: "Während die Reichen nun in der Krise einfach etwas weniger haben, reicht es bei den Armen inzwischen kaum noch zum Leben."

Diese Erfahrung greift um sich und gebiert neue Ideen, auch im Alltag:

"Gourmetmagazine heben Spargerichte auf die Titelseiten, selbst Armeleuterezepte aus der Depressionszeit werden hervorgeholt."

Die allgemeine Verwirrung scheint viele Facetten zu haben:

"Wo Reichtum alle anderen Kriterien überblendete, suchen die Reichen nun nach einer Ethik des Geldes, die sie zuverlässig von den gierigen Bastarden unterscheidet."

Die Magazine, die früher von den Reichen und Berühmten berichteten, schreiben jetzt von den Reichen und Schamlosen. Und es ist kein Ende der Krisensituation in Sicht.

"Noch steht Amerika unter Schock. Man lebt nicht mehr im Schlaraffenland, aber auch noch nicht auf dem Boden der Tatsachen,"

resümiert die Süddeutsche. Auf die Suche nach Tatsachen begab sich eine Tagung in Marbach, die - wie es der Name sagt: "Hans Magnus Enzensberger und die Ideengeschichte der Bundesrepublik" - sich vorrangig mit Leben und Wirken des Dichters beschäftigte. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG und SÜDDEUTSCHE ZEITUNG kommen zum gleichen Schluss:

"Vielseitiger und allen Neuerungen in spielerischer Weise immer schon ein Stück weit voraus, sie längst wieder einer kritischen Revision und notfalls Demontage unterziehend, wo andere sich gerade erst in ihnen einzurichten beginnen, ist in Deutschland keiner gewesen."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG nennt Enzensberger deshalb einen "Liebhaber des Zick-Zack". Unbeschwert entledige er sich seiner Projekte, sobald sie sich überlebt hätten oder gescheitert seien. Ob nun er wenigstens in der Inkonsequenz konsequent sei, wurde Enzensberger auf der Tagung in Marbach gefragt, denn er war anwesend, "omnipräsent", wie die FAZ schreibt, "und doch nie greifbar".

Das abendlichen Gespräch vor Publikum erlebte Richard Kämmerling für die FAZ als

"unterhaltsame Demonstration der virtuosen Kunst des öffentlichen Verbergens und des In-der-Schwebe-Haltens. Die zuhörenden Experten muss ihre Arbeit spätestens hier an den Versuch erinnert haben, einen Pudding an die Wand zu nageln."

Am 30. März wäre der Kunsthistoriker Ernst Gombrich 100 Jahre alt geworden. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG besuchte aus diesem Anlass das Londoner Archiv des bedeutenden Kunsthistorikers. Der Nachlass, bisher von seiner Enkelin Leonie Gombrich betreut, und das Archiv werden nun Teil des Warburg-Instituts an der Universität von London.

"Mein Großvater war mit Veröffentlichen effizient," sagt die Enkelin. " Da gibt es kein verstecktes Buch."

Außer einem Karikaturenbuch, das nur teilweise ediert wurde. Die Enkelin hält seine Briefe für eine Fundgrube für alle, die sich für das intellektuelle Leben im 20. Jahrhundert interessieren. Der 1909 in Wien geborene Gombrich floh 1936 mit seiner Frau nach London. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG macht mit seiner Kunsttheorie bekannt:

"Er hat nicht nur das 'Kunstwollen' als einen geistesgeschichtlichen Demiurgen entlarvt, sondern er hat auch die neoplatonisch unterfütterte Idee von den symbolischen Formen als eine kulturelle Fiktion demontiert und statt dessen auf der historisch-kritischen Lektüre der Bilder insistiert. Er hat Wege gebahnt bis hin zur aktuellen Bildwissenschaft, die er allerdings vermutlich als geistlos mit Verachtung gestraft hätte."