Von Adelheid Wedel

Die "taz" feiert Elfriede Jelineks "Die Kontrakte des Kaufmanns" als "das Stück zur Wirtschaftskrise". Die "FAZ" warnt mit Paul Krugman vor der Zerbrechlichkeit des politisch geeinten Europas. Die "Süddeutsche" hingegen erfreut sich der Fotogenität von Bundeswirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg.
"Jelineks Skript ist das Stück zur Wirtschaftskrise", schreibt die Tageszeitung TAZ. Das Werk, das am Montag im Wiener Akademietheater uraufgeführt wurde, sei "eine Litanei, ein Gebet, ein Trommelfeuer, ein fünfstündiger Song, eine Empörung." "Die Kontrakte des Kaufmanns" muss man sich so vorstellen:

"Unsere Ersparnisse, die uns jetzt endlich erspart bleiben werden, besingt der 'Chor der Werktätigen'. Die Banker, der 'Chor der Greise', antwortet: Damit müssen Sie sich abfinden, so wie wir uns mit unseren Abfindungen abfinden müssen. Das Geld, das arbeitet jetzt nicht mehr, das ruht sich aus."

Die TAZ kommentiert:

"Nichts ist schwerer zu dramatisieren als das Börsengeschehen. Umso fulminanter geriet diese Show."

Die absurde Realität der Finanzmärkte fasst Elfriede Jelinek so zusammen:

"Wir haben in ein Unternehmen investiert, das es gar nicht gibt. Man investiert ins Nichts, das Nichts vermehrt sich, das Nichts wird über die ganze Welt verkauft."

Die bedrohliche Krise versuchen natürlich zuallererst die Ökonomen zu analysieren. Kürzlich hat der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman die europäischen Regierungen für deren ökonomisches Krisenmanagement kritisiert. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG berichtet darüber und nennt einige seiner Kernthesen. Seiner Meinung nach legt die Krise den großen Konstruktionsfehler der europäischen Integration offen:

"Wirtschafts- und Währungsunion haben die politische Einigung überholt. Und jetzt, wo schnelles Eingreifen an zentraler Stelle gefordert wäre, fehlen dafür die zuständigen Institutionen. Trotz aller wirtschaftlichen und finanziellen Verbundenheit befinden sich die politischen Schaltzentralen Europas nach wie vor auf der Ebene der Nationalstaaten und damit dort, wo nationale Egoismen blühen."

Man mag es als Schwarzmalerei abtun, wenn Krugman den Euro in Gefahr sieht und damit das Jahrhundertprojekt eines politisch geeinten Europas, aber die FAZ findet, seine Polemik markiert ein Datum:

"Das Europa, das wir kennen, ist zerbrechlicher, als wir denken."

Man muss es als Glosse lesen, aber das in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG abgebildete Foto von Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg verleitet zweifellos dazu und scheint zu sagen:

"Wenn jemand nach New York fährt, und sei es um zu zeigen, wie bedeutend er ist, dann lässt er sich am Times Square fotografieren."

Und, so meint die SZ, zurzeit gibt es keinen Minister, der sich so gut zum Posieren eignet. Dann wird es bissig:

"Er macht es dort, wie er es überall macht. Man weiß nicht genau, was er tut und wie erfolgreich er dabei ist. Aber er kann ungeheuer glaubwürdig mit dem Chef von Morgan Stanley aus dem Fenster schauen oder höchst bedeutend in Washington ins Auto steigen."

Dann spricht die Zeitung für die Allgemeinheit:

"Gewiss doch, man braucht in diesen Zeiten Politiker, denen man, wenn schon nicht vertrauen, so doch zumindest zutrauen kann, dass man ihnen vertrauen könnte."

Einer Jubilarin vertraut noch immer eine gewaltige Leserschar. Christa Wolf bekam zu ihrem 80. Geburtstag an diesem Mittwoch groß aufgemachte Gratulationen in ausnahmslos allen Feuilletons. Direkt am Geburtstag selbst erscheinen nun Elogen in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und in der FRANKFURTER RUNDSCHAU, die an ihrem Rang als Erzählerin keinen Zweifel lassen. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG! unterstreicht Lothar Müller ihre gesamtdeutsche Wirkung:

"Nicht die mühsame Treue zum Sozialismus, sondern die Ausweitung des 'Authentischen' und 'Subjektiven' ins Universelle war seit den späten 1970er Jahren die Basis für den gesamtdeutschen Erfolg der Christa Wolf."

In der
FRANKFURTER RUNDSCHAU spinnt Arno Widmann diesen Faden bis in die Gegenwart:

"Der Schmerz und die Verletzlichkeit der Christa T. kommen uns nicht mehr schwach und wehleidig vor, sondern wir begreifen, dass wir nur durch sie erkennen, wo die Maschinerie des Ganzen versagt. Wir sind wieder dabei, den Einzelnen ernst zu nehmen um der Verbesserung des Ganzen willen. Wir sind wieder bei Christa Wolf."