Von Adelheid Wedel

Warum ist Li Bifeng seit zwölf Jahren eingesperrt? Wieso demonstriert Jenifer Gabel jeden Montag? Weshalb verkauft die Frankfurter Rundschau erst jetzt so viele Solidaritäts-Abos? Die deutschen Feuilletons kennen die Antworten.
Drei namhafte Erstunterzeichner hat der Appell an die chinesische Regierung, der in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG abgedruckt ist. Der Künstler Ai Weiwei, der Schriftsteller und Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels Liao Yiwu sowie der Schriftsteller und Träger des Booker Prize von Boston Ha Jin setzen sich für Li Bifeng ein, "einen Mann, der für die Demokratie kämpft und von der Justiz Chinas zu 12 Jahren Haft verurteilt wurde". Es ist bereits die dritte Strafe, die er absitzt. Mehrmals versuchte Li Bifeng aus China zu flüchten, zum ersten Mal gleich nach dem Massaker vom Tiananmen. Da kam er bis Burma, wo ihn "die dortigen kommunistischen Behörden schnappten und brav an die Genossen in China auslieferten". Die Unterzeichner des Appells fragen: Warum wird dieser Mann eingesperrt? Seit Mai dieses Jahres haben bereits mehr als 300 Intellektuelle aus aller Welt einen Appell zur Freilassung Li Bifengs unterzeichnet. Wir – so schreiben die drei chinesischen Unterzeichner – "vertrauen darauf, dass es bis zum Jahresende zehntausend sein werden".

Vielleicht nicht so groß angelegt wie der chinesische Appell, stattdessen in geduldiger Kleinarbeit versucht eine Frau in Würzburg politische Veränderungen zu erreichen. Die Tageszeitung TAZ stellt die Montagsdemonstrantin Jenifer Gabel vor. Immer montags 18.00 Uhr und jetzt bereits zum 99. Mal geht sie "für eine nachhaltige Politik und Lebensweise auf die Straße". Während der vergangenen zwei Jahren hat sie "Hitze und Kälte erlebt, schimpfende Omas und pöbelnde Halbstarke. "Setze auch du ein Zeichen, geh mit"" ruft sie in die Menge. Das alles begann am 15. November 2010, damals stand sie fast allein am Kiliansbrunnen, fünf Monate später warteten 600 Menschen auf dem Platz. Inzwischen läuft sie mit 20 Montagsfreunden vom Bahnhof zum Rathaus. "Es gibt Menschen, die sagen: Jenifer Gabel habe kein Profil, sie demonstriere gegen alles", schreibt Hannes Vollmuth in der TAZ. "Einmal geht sie gegen die Banken spazieren, dann wieder für die Flüchtlinge, gegen Atommüll, für mehr Fahrradfahren in Würzburg. Man könnte aber auch sagen: Sie schafft ein Forum, eine Plattform, ein Netzwerk. Gruppen kommen jetzt auf sie zu, Initiativen fragen: Dürfen wir uns vorstellen? Vermögenssteuer jetzt, ruft Jenifer Gabel und: Die Märkte kontrollieren die Politik. Sie redet, als würde die Welt brennen, jeden Montag". Aber 20 Spaziergänger werden die Probleme nicht lösen, das weiß sie auch. Dennoch hat ihre Wut jetzt bewirkt, dass der Montagsspaziergang zur festen Größe in Würzburg geworden ist. "Sie will weitergehen, auch wenn die Gruppe sich langsam auflöst."
Von tätiger Solidarität berichtet die BERLINER ZEITUNG. "Seitdem die Frankfurter Rundschau Insolvenz beantragt hat, können sich die Mitarbeiter über eine Welle der Solidarität freuen, die ihresgleichen sucht. Mehr als 1400 Solidaritäts-Abonnements sind in diesen wenigen Tagen seit dem 13. November unterzeichnet worden", erfahren wir aus der BZ. "Solidaritäts-Anzeigen wurden geschaltet, unzählige Anrufe, Faxe, Mails erreichen die Redaktion. Immer wieder wird die gleiche Frage gestellt: Wie können wir der Rundschau helfen?" Claus-Jürgen Göpfert hat den Eindruck: "Eine ganze Stadt scheint für das Weiterbestehen der Zeitung zu kämpfen." Derweil verhandelt der Insolvenzverwalter mit mehreren interessierten Unternehmen, die das Verlagshaus weiterführen wollen. Mit einer Vielzahl von Stimmen erinnert die TAZ an die ruhmvolle Vergangenheit des Blattes:
"Die Frankfurter Rundschau war eine Institution der Bundesrepublik, errichtet um Adorno und Äppelwoi. Jetzt ist sie die erste Überregionale, die Insolvenz anmeldet. Was bedeutet das für den Menschen und seine Zeitung?" Mitarbeiter und Freunde der Rundschau versuchen zu ergründen, wie es zu diesem Abstieg kam. Grundton der meisten Aussagen: "Die Zeitung ist kaputt gespart worden."