Von Adelheid Wedel

Die Autobiografie "Granatsplitter" von Karl-Heinz Bohrer ist Thema in den Feuilletons: Im "Tagesspiegel" schreibt Erhard Schütz über den Intellektuellen und "Die Welt" druckt ein Interview mit dem Essayisten. Die "FAZ" befasst sich mit der Traumfabrik Bollywood und die "SZ" dokumentiert einen offenen Brief an die Regierungschefs der EU.
Karl-Heinz Bohrer hat in seinem soeben erschienenen Buch "Granatsplitter"

"eine Jugend beschrieben, die die seine war. Doch wie er das tut, ist so anschaulich, dass Krieg und Nachkrieg Teil unserer eigenen Erfahrung werden,"

so kürzlich Andreas Platthaus in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.

Jetzt zieht der TAGESSPIEGEL nach und schreibt:

"Bohrer, Jahrgang 1932, war unter den exzellenten deutschen Literaturwissenschaftlern die Exzellenz für das Überraschende, Überwältigende und Bedeutende in und an der Kunst;"

seine Autobiografie musste sich vom Üblichen unterscheiden. Das Buch beschreibt

"eine Jugend, die im elitären Internat in die Spannung zwischen Nazirohheit und Altgriechenstrenge, Körperkult und Geistesexerzitien, später auch Bildungsbürger- und Neureichentum gerät. Es bleibt spannend, "

resümiert Erhard Schütz im Tagesspiegel, weil Bohrer zeigt,

"wie sich im spannungsvollen Hin und Her eine gefestigte, suchende Intellektualität und die Resistenz gegen Herdentriebe ausbildet."

Die Tageszeitung DIE WELT druckt ein Interview mit "dem Essayisten, Universitätsmann und Zeitkritiker".

Maria Delius besuchte Bohrer in London und fragte, was er mit dem Begriff "Selbstdenker" meine. Die Antwort:

"Ich entleihe das Wort von Friedrich Schlegel, der damit Lessings geistige Unabhängigkeit charakterisiert."

Der Begriff ist zu verstehen

"als ein Ausbruch von Animosität gegen die Akademie! Das heißt: gegen die üblichen Denkformen der Literaturgeschichte und Historie."

Das Interview über zwei Zeitungsseiten steht unter der Überschrift "Von der Erotik des Denkens", und wir erfahren von dem Intellektuellen:

"Was mich seit jeher getrieben hat, war die Frustration über den Mangel an Schönheit und den Mangel an Erotik in den Geisteswissenschaften."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG überrascht mit einer Information:

"Sogar die Traumfabrik Bollywood ist dazu fähig, sich neu zu erfinden. Soeben wurde eine Fernsehserie mit dem Superstar Aamir Khan abgeschlossen, die, auf Bollywood-Ruhm aufbauen, dem Bollywood-Ethos radikal zuwiderläuft:"

Statt Fantasiewelten vorzugaukeln, beschreibt die dreizehnteilige Serie mit dem Namen "Nur die Wahrheit siegt" die harte Wirk-lichkeit Indiens. Aamir Khan spricht darin u.a. über sexuellen Missbrauch, die Abtreibung weiblicher Föten und die Vernachlässigung der Mädchen, über Alkoholsucht und Gewalt in der Familie sowie über die Kastendiskriminierung. In einer Mischung aus Dokumentarfilmen, Interviews und Predigt konnte Khan seine Themen dem Publikum nahebringen.

"Der beispiellose Erfolg der Serie beweist, dass das Gewissen der breiten indischen Mittelklasse erwacht ist,"

notiert Martin Kämpchen in der FAZ und fragt:

"Werden andere Stars den Bollywood-Fantasiehimmel verlassen, um ihren Ruhm für ein Indien mit mehr Lebensqualität für alle einzusetzen?
Rumäniens neue Regierung zwingt dem Land eine engstirnige Kulturpolitik auf."

Diese Behauptung wird in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG mit zahlreichen Beispielen belegt. Ministerpräsident Victor Ponta, ein Sozialdemokrat, hatte bei seiner Amtsübernahme vor drei Monaten

"die ehrlichste und kompetenteste Regierung angekündigt, die das Land je gehabt habe."

Dann legte er die Kabinettsliste vor, und die politischen Beobachter stutzten: Unfähigkeit beim Außenminister, alte Gerichtsurteile, die die Vereidigung eines Ministers unmöglich machten, Lügen in einem anderen Lebenslauf, Plagiate - kurzum:

"Im Ganzen also ein großartiger Start für die ehrlichste und kompetenteste Regierung."

Er fühle sich an die Machtergreifung der Nazis 1933 erinnert, kritisiert der Journalist Tudor. Die SZ dokumentiert einen offenen Brief an die Regierungschefs der EU, einen Hilfeschrei von Intellektuellen.

Dort heißt es:

"Wir wollen nicht in einem Land leben, in dem korrupte, demagogische und autoritäre Politiker mit Mitteln, die unverschämter Weise und wiederholt die Gesetze brechen, über unser Schicksal entscheiden."