Von Adelheid Wedel
Die Kulturpresseschau befasst sich unter anderem mit der französischen Präsidentschaftswahl, mit der Situation in Ungarn und mit dem Protest gegen die Aufnahme des Schriftstellers Pierre Drieu la Rochelle in die prestigereichste französische Buchreihe.
Der Jubel in Frankreich über den Sieg von Francois Hollande ist groß. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG berichtet Olivier Guez als Augenzeuge vom Sonntagabend. "Dass die Linke in den Elysee einzieht, ist ein Traum, der Wirklichkeit wird," hört er eine junge Lehrerin rufen. Drei Belgier, auf der Place de la Bastille sagen: "Wir hoffen, Hollandes Wahl wird auch anderswo Schule machen." Der Autor selbst ist von dem Moment überwältigt: "Es ist 19.58 Uhr. Die Menge stimmt die Marseillaise an. Der Countdown läuft; die Menschen springen in die Höhe, tanzen, schreien, pfeifen, umarmen und küssen einander. Geschafft, hört man von allen Seiten. Jugendliche singen die Internationale. Der Wandel beginnt jetzt, rufen sie. Und plötzlich ist der Wandel da. Der neue französische Präsident, tosender Beifall." Er wird der Präsident der Jugend Frankreichs, der Gerechtigkeit in Frankreich sein, verspricht er. "Sarkozy, c’est fini rufen sie, oui, c’est fini – Es ist vorbei."
Die Tageszeitung DIE WELT blickt ebenfalls nach Frankreich. Wolf Lepenies berichtet über den Protest gegen die Aufnahme des Schriftstellers Pierre Drieu la Rochelle in die Bibliothèque de la Pléiade, der prestigereichsten französischen Buchreihe. Drieu, der im März 1945 Selbstmord beging, "war ein rabiater Antisemit und überzeugter Faschist." Der Streit entbrannte jetzt in Frankreich um die Frage: "Dürfen die Romane eines Faschisten Teil des Erbes sein?" Für Drieu endete mit dem Ersten Weltkrieg das Zeitalter der Nationalstaaten – nur eine Föderation konnte seiner Überzeugung nach Europas Zukunft sichern. "Drieu wurde zum Faschisten, weil er bezweifelte, dass die parlamentarischen Demokratien fähig waren, ein Vereintes Europa zu schaffen.
Er begrüßte die Kapitulation Frankreichs 1940" und sah in dieser Niederlage die Voraussetzung für den Sieg eines germanischen Europas. Lepenies listet auf: "Rechte Kommentatoren feiern heute Drieu als Autor, dessen OEuvre unzweifelhaft zum Kanon der französischen Literatur zähle. … Von vielen Linken wird sein literarischer Rang bestritten. Die Aufnahme seiner Romane in die Pléiade sei der Versuch einer Entnazifizierung, die Rechtfertigung einer schändlichen Politik durch eine miserable Literatur." Und die Meinung von Wolf Lepenies? Er schreibt: "Drieu hat hellsichtige politische Essays geschrieben – und Pamphlete, die man nur widerlich nennen kann." Er zitiert Charles de Gaulle, der gesagt haben soll: "Ein Talent? Das verpflichtet zur besonderen Verantwortung."
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU dokumentiert ein Gespräch mit der ungarischen Philosophin Agnes Heller über "die Aktualität von Marx, das nationalistische Ungarn und die Zukunft Europas." Michael Hesse nennt seine Gesprächspartnerin, die am kommenden Samstag 83 Jahre alt wird, "eine vitale und enorm widerspruchsfreudige Zeitgenossin." Zu Marx sagt sie: "Die Marxsche Philosophie hat vier Grundpfeiler gehabt. Alle vier sind zusammengebrochen. Tatsächlich stimmt bei Marx überhaupt nichts. Dennoch ist er heute relevant. Wie alle Philosophen gibt er uns etwas zur Reflexion, eine Art spirituelle Nahrung, über die wir nachdenken können."
Über ihr Heimatland, seine Bewohner und deren Haltung zu Europa macht sich Heller ihre Gedanken: "Wir lieben sehr viele Sachen der EU, dass es keine Grenzen mehr gibt, dass wir in anderen Ländern frei arbeiten können. Nur von der europäischen Demokratie haben die ungarischen Staatsbürger sehr wenig Ahnung." Und so wird ihnen von Ministerpräsident Viktor Orbán eingeredet: "Wir fechten einen Freiheitskampf gegen die EU und den Westen aus." Heller kritisiert das Wiedererstarken der Nationalstaaten. Das mache es so schwer, fremde Kulturen zu integrieren. "Die USA haben hier einen Vorteil," meint Heller. Dort spreche man alle Sprachen, Chinesisch, Spanisch, nicht nur Englisch. "Das können die Europäer nicht leisten," resümiert sie. Und warum nicht? "Weil sie Nationalstaaten sind."
Die Tageszeitung DIE WELT blickt ebenfalls nach Frankreich. Wolf Lepenies berichtet über den Protest gegen die Aufnahme des Schriftstellers Pierre Drieu la Rochelle in die Bibliothèque de la Pléiade, der prestigereichsten französischen Buchreihe. Drieu, der im März 1945 Selbstmord beging, "war ein rabiater Antisemit und überzeugter Faschist." Der Streit entbrannte jetzt in Frankreich um die Frage: "Dürfen die Romane eines Faschisten Teil des Erbes sein?" Für Drieu endete mit dem Ersten Weltkrieg das Zeitalter der Nationalstaaten – nur eine Föderation konnte seiner Überzeugung nach Europas Zukunft sichern. "Drieu wurde zum Faschisten, weil er bezweifelte, dass die parlamentarischen Demokratien fähig waren, ein Vereintes Europa zu schaffen.
Er begrüßte die Kapitulation Frankreichs 1940" und sah in dieser Niederlage die Voraussetzung für den Sieg eines germanischen Europas. Lepenies listet auf: "Rechte Kommentatoren feiern heute Drieu als Autor, dessen OEuvre unzweifelhaft zum Kanon der französischen Literatur zähle. … Von vielen Linken wird sein literarischer Rang bestritten. Die Aufnahme seiner Romane in die Pléiade sei der Versuch einer Entnazifizierung, die Rechtfertigung einer schändlichen Politik durch eine miserable Literatur." Und die Meinung von Wolf Lepenies? Er schreibt: "Drieu hat hellsichtige politische Essays geschrieben – und Pamphlete, die man nur widerlich nennen kann." Er zitiert Charles de Gaulle, der gesagt haben soll: "Ein Talent? Das verpflichtet zur besonderen Verantwortung."
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU dokumentiert ein Gespräch mit der ungarischen Philosophin Agnes Heller über "die Aktualität von Marx, das nationalistische Ungarn und die Zukunft Europas." Michael Hesse nennt seine Gesprächspartnerin, die am kommenden Samstag 83 Jahre alt wird, "eine vitale und enorm widerspruchsfreudige Zeitgenossin." Zu Marx sagt sie: "Die Marxsche Philosophie hat vier Grundpfeiler gehabt. Alle vier sind zusammengebrochen. Tatsächlich stimmt bei Marx überhaupt nichts. Dennoch ist er heute relevant. Wie alle Philosophen gibt er uns etwas zur Reflexion, eine Art spirituelle Nahrung, über die wir nachdenken können."
Über ihr Heimatland, seine Bewohner und deren Haltung zu Europa macht sich Heller ihre Gedanken: "Wir lieben sehr viele Sachen der EU, dass es keine Grenzen mehr gibt, dass wir in anderen Ländern frei arbeiten können. Nur von der europäischen Demokratie haben die ungarischen Staatsbürger sehr wenig Ahnung." Und so wird ihnen von Ministerpräsident Viktor Orbán eingeredet: "Wir fechten einen Freiheitskampf gegen die EU und den Westen aus." Heller kritisiert das Wiedererstarken der Nationalstaaten. Das mache es so schwer, fremde Kulturen zu integrieren. "Die USA haben hier einen Vorteil," meint Heller. Dort spreche man alle Sprachen, Chinesisch, Spanisch, nicht nur Englisch. "Das können die Europäer nicht leisten," resümiert sie. Und warum nicht? "Weil sie Nationalstaaten sind."