Von Adelheid Wedel

In der "FAZ" wendet sich Nils Minkmar mit einem offenen Brief an die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker. Die "SZ" stellt den französischen Philosophen und Europa-Visionär Michel Serres vor.
Mit "sehr geehrte Frau Becker" beginnt Nils Minkmar seinen offenen Brief an die ehemalige Terroristin Verena Becker in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Der gesamte Text bewahrt diesen höflichen Ton, eigentlich beinhaltet er eine einzige Bitte. Mit ihrer Ankündigung, vor Gericht auszusagen, hat Verena Becker Hoffnungen geweckt, dass das Attentat von 1977, bei dem der Generalbundesanwalt, sein Fahrer und der Leiter der Fahrbereitschaft getötet wurden, endlich aufgeklärt wird.

Der Autor war zwei Mal als Journalist bei Verhandlungen in Stuttgart dabei und hatte beobachtet, dass Verena Becker "stets besonders höflich zu den Justizbeamtinnen und Beamten war. Für die Öffentlichkeit", so berichtet Minkmar, "war dieser Prozess frustrierend. Die Veteranen der RAF schwiegen, als wäre dies ihre letzte verbliebene Macht." Unzählige Akten seien in diesen Verfahren verloren gegangen. "Alle schwiegen und tricksten." Es kam die Vermutung auf, dass Verena Becker "vielleicht schon recht früh mit dem Berliner Verfassungsschutz zu tun bekam. Beweisen kann es bis jetzt niemand",schreibt der Autor. Und weiter:

"Der Prozess um den Mord an dem womöglich von Ihnen (von Becker) angeworbenen Geschichtsstudenten Ulrich Schmücker führte mitten hinein in die Grauzone der Zusammenarbeit zwischen dem Berliner Verfassungsschutz und der 'Bewegung 2. Juni', bei der Sie ja debütierten. Im ganzen Land kann eigentlich nur eine Person dazu etwas sagen, und das sind Sie. Jedes Wort von Ihnen ist hilfreich."

Der offene Brief endet mit der nochmaligen Aufforderung:

"Mit Ihrer Ankündigung haben Sie eine Tür geöffnet. Treten Sie hinaus und tun sie etwas, was nur Sie können. Erzählen Sie uns am übernächsten Montag Ihre Geschichte, Ihre ganze Geschichte."

Frankreich und die Wahlen im Nachbarland ziehen an diesem Wochenende die Aufmerksamkeit auf sich. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG finden wir einen Beitrag von Joseph Hanimann, der uns den jüngsten Träger des Meister-Eckhart-Preises vorstellt, den französischen Philosophen Michel Serres. "Die zähflüssige Entwicklung Europas verfolgend", hat er einen verwegenen Traum, er spricht von der "Verschmelzung der Franzosen und Deutschen" und meint das so:

"Vaterländer, Nationen, Kulturen mögen bleiben, was sie sind. Die Personen aber, also Rheinländer, Elsässer, Bayern, Bretonen sollen dank der neuen Verbindungs- und Vernetzungsmöglichkeiten die politischen, institutionellen, administrativen Strukturen unterlaufen und sich direkt miteinander austauschen."

Es gelte, neue Formen der Demokratie, neue Gemeinschaftssphären, unbekannte Varianten des geteilten Eigensinns zu erfinden, sagte der 81-jährige in seiner Dankesrede auf den Eckardt-Preis. "In diesem Denker hat die Identity Foundation ihren bisher unberechenbarsten Preisträger gefunden", kommentiert Joseph Hanimann in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.

Mehrere Feuilletons vom Wochenende gratulieren dem Kabarettisten Gerhard Polt zu seinem 70. Geburtstag. Und wie lobend die Beiträge alle sein mögen, sie können nicht konkurrieren mit einem Geburtstagsgeschenk, von dem die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG berichtet:

"Sechzig Dichter reimten für Queen Elizabeth II. 60 Gedichte."

Entstanden ist das Lyrikbändchen "Jubilee Lines", in dem die Dichter in ihren Versen Persönliches mit Historischem verquickten. Neben etablierten britischen Namen finden sich Commonwealth-Größen, ein bunter Geburtstagsreigen eben. Alexander Menden meint:

"Die Queen ist, das müssen auch Anti-Royalisten anerkennen, eine Konstante – freundlich, unnahbar, verlässlich. Wenn die Sammlung etwas nachdrücklich zu Bewusstsein bringt, dann ist es die Langlebigkeit der Monarchin."

In der Tageszeitung TAZ schreibt Bettina Gaus leicht spöttisch:

"Darin genau liegt der Charme der britischen Monarchie. Sie erfüllt den Wunsch nach Dauer und Verlässlichkeit, und sie ist zugleich vollständig ohne jeden Einfluss, kann also keinen größeren Schaden anrichten."