Von Adelheid Wedel

Der Weltjugendtag in Rio de Janeiro und die Rolle von Papst Franziskus, das Gedenken an den 20. Juli 1944 und der Tod von Helen Thomas, der großen alten Dame des US-Journalismus, beschäftigen an diesem Montag die Feuilletons der überregionalen Tageszeitungen.
"Dieser Papst ist politischer als seine Vorgänger", sagt der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff im TAGESSPIEGEL-Interview. Er selbst bedauert, dass er aus gesundheitlichen Gründen beim Weltjugendtag der katholischen Kirche an diesem Montag in Rio de Janeiro nicht dabei sein kann. Aber der Papst habe Boff ausdrücklich um sein neues Buch gebeten: "Franziskus von Assisi und Franziskus von Rom: ein neuer Kirchenfrühling?".

Das könnte man als eine Art Wiedergutmachung übersetzen, denn Boff wurde von Ratzinger 1991 wegen seiner Kritik an kirchlichen Missständen mit einer Disziplinarstrafe belegt. Daraufhin trat er aus dem Franziskanerorden aus und ließ sich in den Laienstand versetzen. Nun nimmt Boff interessiert Anteil an den Amtshandlungen von Papst Franziskus und lobt:

"Er hat bereits jetzt entscheidende Impulse gesetzt. Er ist bescheiden, direkt, nah bei den Menschen und frei von den Symbolen der Macht. Seine größte Herausforderung ist es, die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche nach all den Skandalen wiederherzustellen. Ich glaube", sagt Boff, "dass Franziskus den Kräften in Lateinamerika Rückenwind verleihen wird, die für die soziale Gerechtigkeit kämpfen."

Und er spricht für seine Landsleute, wenn er meint:

"Lateinamerikas Gläubige erwarten, dass die katholische Kirche ihre prophetische Rolle wiederfindet, dass sie sich wieder öffnet und zurück zu der Großzügigkeit und Gerechtigkeit von Jesu findet."

Mit Blick auf Europa meint Boff, dort sei "der Glaube erstarrt". Besonders die Brasilianer seien ein tief religiöses Volk. "Sie spüren Gott in ihrem täglichen Leben", sagt er und: "Der Europäer ist da rationaler."

Die Tageszeitung DIE WELT druckt die Rede von Karl-Heinz Bohrer, die er an diesem Samstag in Berlin-Plötzensee bei der Gedenkveranstaltung zum 20. Juli 1944 hielt. Der Text setzt sich mit der Frage auseinander, "warum wir den 20. Juli 1944 und seine Helden immer noch nicht verstehen". Bohrers Ausgangspunkt:

"Die Erinnerung an das Datum ist, seitdem man es offiziell erinnert, ein Problem für das deutsche Geschichtsbewusstsein."

Bohrer betrachtet die unterschiedlichen Motive der "Verschwörer", ihren Zwang zur Geheimhaltung, damit zum Außenseitertum, er setzt ihre Sprache gegen die des Nationalsozialismus.

"Wenn der 20. Juli als ein Gedenktag nicht populär geworden ist, dann liegt das" - so der Autor - "in der prekären Geschichtserinnerung dieses Landes überhaupt. Das war einerseits ein unbewusster Prozess des Verschwindens, andererseits aber entsprang das einer bewussten Geschichts-Revision."

Um die Verschworenen des 20. Juli angemessen zu verstehen, "bedürfte es einer neuen Suche nach der verlorenen Zeit", resümiert der in London lebende Literaturwissenschaftler.

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG geht Jens Bisky unter der Überschrift "Uns beschämende Charakterstärke" auf Bohrers Rede ein. Er empfiehlt diese Rede den Lesern:

"Bohrer, der schärfste Kritiker deutscher Provinzialität, des Behagens in der Anspruchslosigkeit, verzichtete darauf, den Staatsstreich mit Floskeln und Sentimentalitäten schmackhaft, genießbar zu machen. Er stellte die Tat der Verschwörer ins helle Licht und"

machte deutlich, dass der Versuch, das NS-Regimes zu beseitigen, aus dem Kreis derer gekommen sei,

"deren Denken am wenigsten der Nachkriegsmentalität Westdeutschlands und Europas entsprach. Nicht über ihre Gesinnungen", zitiert Bisky Bohrer, "kaum durch ihre tragischen Konflikte können wir uns den Helden des 20. Juli nähern, sondern über ihren Mut."

Fast alle uns vorliegenden Zeitungen trauern um die us-amerikanische Journalistin Helen Thomas, die jetzt 92-jährig in Washington gestorben ist. Sie war die Doyenne im Pressekorps des Weißen Hauses. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt anerkennend:

"Für viele Präsidenten – von John F. Kennedy bis Barack Obama – hatte sie Fragen parat, auf die nicht jeder gern eine Antwort gab. Aber keiner wagte es, die Frau zu übersehen oder zu überhören, die oft mehr wissen wollte, als die Herren des Weißen Hauses zu verraten gedachten."