Von Adelheid Wedel

Mit Zukunft und Vergangenheit beschäftigen sich die Feuilletons: "Berliner Zeitung" und "FR" blicken aus gegebenem Anlass auf das Ende der Monarchie zurück, die "FR" beschäftigt sich zudem mit der Zukunft Europas und die "SZ" gedenkt Arno Gruens zum 90. Geburtstag.
Ausnahmsweise beginnen wir mit einem Blick zurück:

"Zur Hochzeit von Viktoria Luise von Preußen und Ernst Albrecht von Braunschweig-Lüneburg am 25. Mai vor 100 Jahren trafen sich in Berlin zum letzten Mal Kaiser, Könige und Fürsten. Dann kam der Krieg."

So nüchtern reiht Nikolaus Bernau in der BERLINER ZEITUNG und der FRANKFURTER RUNDSCHAU die knapp aufeinanderfolgenden Ereignisse zusammen.

"Als der Erste Weltkrieg 1918 zu Ende ging, war auch das Ende jener Staatsform erreicht, die mehr als 1000 Jahre Mittel- und Osteuropa dominiert hatte: die Monarchie."

Kaum fünf Jahre früher dachten nicht einmal kühnste Republikaner an einen so radikalen Umsturz:

"Drei Kaiserreiche verschwanden, das der russischen Romanows, der österreichischen Habsburger, der deutschen Hohenzollern. Dazu mit ihnen eng verbundene Königskronen, viele Großherzöge, Herzöge, Fürsten und Grafen."

"Heiraten für die Moderne" heißt die Überschrift in der BERLINER ZEITUNG und in der Tat, die

"öffentlich vorgeführte familiäre Liebe sowie die Demonstration von Traditionen sollten Monarchie, Bürgertum und Arbeiterschaft zusammen binden. Es war die erste Medienhochzeit der Moderne","

ganz das Programm, das bis heute bei ähnlichen Anlässen abgespult wird. Es gilt als "Europas letztes Rendezvous," als Erinnerung an die "gute alte Zeit. Der Adel als übernationale Familie hätte," so lautet die Legende, "schon eine Lösung für die staatlichen Konflikte gefunden," die zum Ersten Weltkrieg führten.

Europa krankt noch immer an Zersplitterung und nationalistischem Gebaren. Und so finden wir es ganz passend, dass Hans Christoph Buch in seiner Antwort auf Daniel Cohn-Bendits "offenen Brief" in der FRANKFURTER RUNDSCHAU feststellt:

""Wir haben vergessen, woher wir kommen, wohin wir gehen und wer wir sind. Die europäische Krise ist eine geistige,"

meint der Schriftsteller, von dem zuletzt der Roman "Baron Samstag oder das Leben nach dem Tod" in der Frankfurter Verlagsanstalt erschien. "Was ist passiert?"fragt Buch.

"Hat Europa sich überdehnt und zerfällt, wie einst das römische oder mongolische Reich, weil das Zentrum die Fliehkräfte an der Peripherie nicht mehr bändigen kann? Oder sind die USA, deren Rating-Agenturen die Finanzkrise verschärfen, mitschuldig an der Implosion der EU, die aus amerikanischer Sicht ein gefährlicher Rivale ist?"

Fragen über Fragen und am Schluss die schwache Hoffnung: "Oder gibt es doch noch ein Happy End?" Buch erinnert daran: "Europa ist mehr als ein geografischer Raum zwischen Atlantik und Ural, es ist eine Idee," in zwei Worten zusammengefasst: "Rechtsstaat und Demokratie. Genau genommen geht es um ein Ideal, das angestrebt, aber nie voll verwirklicht wird." Was folgt daraus? "Der anti-europäische Populismus ist nicht so kurzlebig und harmlos, wie er auf den ersten Blick wirkt. Wir müssen," so schreibt Hans Christoph Buch an Daniel Cohn-Bendit,

"wir müssen die EU aus dem Dornröschenschlaf wecken, weil die Offensive des Populismus alles bedroht, was Europas Kultur verteidigenswert macht."

Der deutsch-schweizerische Schriftsteller, Psychologe und Psychoanalytiker Arno Gruen feiert an diesem Sonnabend seinen 90. Geburtstag. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG rezensiert Christian Gampert Gruens jüngstes Buch "Dem Leben entfremdet", in dem er "für mehr Empathie wirbt." Im Untertitel heißt es: Warum wir wieder lernen müssen zu empfinden.

"Befunde aus Ethnologie, Hirnforschung, Politik und Religionsgeschichte werden herbeigeschafft, um die These vom Verlust der Empathie durch die böse Zivilisation zu untermauern und das Heil in einer irgendwie weiblichen Zukunft zu beschwören,"

schreibt Gampert.

"Viele fortschrittliche Senioren hatten wie er ihre Gemeinde: Stéphane Hessel war ein Idol aller Empörten, auch der späte Ernst Bloch wurde von der Jugend hofiert."

Gleiches wohl wünscht der Gratulant dem Jubilar.