Von Adelheid Wedel

Über den italienischen Schriftsteller Roberto Saviani, dessen Leben seit der Veröffentlichung seines Romans "Gomorrha" über die italienische Mafia bedroht ist, schreibt die "Neue Zürcher Zeitung". Eine ähnlich kritische Haltung zu seinem Land nimmt der isländische Schriftsteller Hallgrimur Helgason ein, der in der "TAZ" über die Finanzkrise in Island berichtet. In der "Süddeutschen Zeitung" diskutierten die Philosophen Jürgen Habermas und Axel Honneth.
"Wenn man Mißstände anzeigt und die Verantwortlichen beim Namen nennt, haben Wörter eine große Sprengkraft","

sagt im Interview mit der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG der italienische Schriftsteller Roberto Saviani. Er hat das selbst erlebt. Seit der Veröffentlichung seines Romans "Gomorrha" über die italienische Mafia ist sein Leben bedroht. Drei Leibwächter bewachen ihn 24 Stunden am Tag.

""Im Stillen gibt es viele, die mir in Italien feindlich gesinnt sind","

sagt er und spricht von

""vielen Intellektuellen, die sich seit Jahren mit der Mafia beschäftigen."

Sie neiden ihm seinen Erfolg und nennen ihn

"einen Nestbeschmutzer, eine Art Clown, jemand, der mit den Mißständen spekuliert."

Über eine Million Exemplare des Buches wurden bereits in Italien verkauft. In seiner Analyse betont Saviano, dass sich größte finanzielle Macht mit größter kultureller und sozialer Rückständigkeit verbinden:

"Die Mafiabosse meiner Heimat investieren in Polen, haben die Tourismusindustrie in Spanien wiederbelebt, legen Geld in osteuropäischen Ländern an, um in Deutschland besser einzudringen."

Als Nestbeschmutzer fühlt er sich zu Unrecht beschuldigt. Er fragt:

"Bin ich derjenige, der sein Nest beschmutzt, indem ich über die Mafia berichte, oder sind es die Mächtigen, die für die Missstände verantwortlich sind?"

Eine ähnlich kritische Haltung zu seinem Land und seiner Regierung, deren Rücktritt er sogar fordert, nimmt der isländische Schriftsteller Hallgrimur Helgason ein. In der Tageszeitung TAZ berichtet er von der Stimmung in Island, das von der Finanz- und Wirtschaftskrise schwer erschüttert ist.

"Die Leute sind wütend auf die Regierung. Und sie sind erbost über die Luxuselite, die sich selbst monatlich Gehälter in Höhe von 100.000 Euro ausgezahlt hat, die Privatjets und Luxusjachten besitzt und dazu Immobilien in drei Städten."

Auf die Frage nach der Ursache für die Kreppa, wie die Isländer die Rezession nennen, antwortet Helgason:

"Natürlich können wir dafür der globalen Krise die Schuld in die Schuhe schieben, aber wir können auch die rücksichtslosen isländischen Banker und Geschäftsmänner verantwortlich machen, die eine Finanzblase auf einem Darlehen nach dem anderen aufgebaut haben. Und die schlafenden Politiker, die den Gierhälsen erlaubten, frei herumzulaufen und Schulden aufzutürmen."

In seinem Buch "Rokland" beschreibt Helgason das, was gerade in Island passiert, die Veränderung des - wie er sagt - Paradieses des Easy Listenings und des hirntoten Fernsehens:

"Wir sind dabei, die erst neu gefundenen und extravaganten Pfade schneller wieder zu verlassen und uns zurück zu unseren Wurzeln zu begeben: Nie mehr Sushi und Champagner. Nun gibt es wieder 'abgehangenes Fleisch' und 'saure Milch'."

Über ein alternatives Gerechtigkeitskonzept diskutierten in München die Philosophen Jürgen Habermas und Axel Honneth. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hebt hervor, Honneth lenke den Blick von den Strukturen auf die Menschen:

"Moral gedeihe im zwischenmenschlichen Bereich. Nur wo man sich wechselseitig unbedingt anerkenne, jenseits aller Tauschrationalität, entstünden menschenwürdige, gerechte Verhältnisse."

Als Folge dieser Erkenntnis formuliert der Philosoph für die Ausgestaltung gerechter Sozialverhältnisse:

"Verteilen lassen sich nur Güter, während gerechte, also die Autonomie fördernde Verhältnisse, gerade nicht auf handelbaren Gütern beruhten, sondern auf lebendigen Beziehungen sich wechselseitig anerkennender Personen."

Bei Habermas heißt es, schreibt Alexander Kissler in der Süddeutschen Zeitung,

"Bürger in unterprivilegierten Lebensverhältnissen hätten das Recht auf staatliche Ausgleichsleistungen."

Honneth hingegen will die Staatsfixierung aufsprengen und sieht Verantwortung auch in zivilgesellschaftlichen Organisationen wie der Familie, den Gewerkschaften, den Kirchengemeinden. Sie sollten als "gerechtigkeitswirksame Agenturen" ernst genommen werden auf dem Weg

"hin zur fairen Gesellschaft, in der alle Bürger frei von jeder Angst und Scham in der Öffentlichkeit ihre Stimme erheben können."