Von Adelheid Wedel
Auf den Tod des russischen Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers Alexander Solschenizyn reagieren die Feuilletons in großer Aufmachung. "Eine Jahrhundertfigur" nennt ihn die "Neue Zürcher Zeitung". In der Tageszeitung "Die Welt" wertet der Schriftsteller Viktor Jerofejew den Verstorbenen als "ganz großen Mann".
In großer Aufmachung, teilweise ganzseitig, reagieren die Feuilletons auf den Tod des russischen Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers Alexander Solschenizyn. "Eine Jahrhundertfigur" nennt ihn die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, und einen herausragenden Zeugen des 20. Jahrhunderts. "Sein furchtloser publizistischer Kampf" gegen das Regime in seinem Land "leitete das Ende der Sowjetunion ein," resümiert die Zeitung.
In der Tageszeitung DIE WELT wertet der Schriftsteller Viktor Jerofejew den Verstorbenen als "ganz großen Mann". Er schreibt: "Ich habe ihm gegenüber sehr lebendige Gefühle - sehr große und widersprüchliche Empfindungen. Für mich war er vor allem der Autor des Buches 'Archipel Gulag', des Andenkens an alle Opfer des Stalinismus. Als Schriftsteller zwang er ein durch Hohn und Spott erschüttertes Russland zu erwachen. Das ist eine schriftstellerische Heldentat. Das ist ein politischer Umsturz von europäischem Ausmaß. Der Archipel Gulag trieb die letzten 'linken' Illusionen über eine 'leuchtende Zukunft' auseinander."
Jerofejew berichtet, dass er Solschenizyn zwar nie getroffen habe, er bei ihm aber immer gegenwärtig war, und zwar als kleine Statue auf dem Fensterbrett seines Arbeitszimmers. Seine Mutter habe ihn gebeten, den Gästen zu erklären, dass das Beethoven sei. Befremdlich findet Jerofejew die merkwürdige Freundschaft zwischen Solschenizyn und Putin, zwischen einem Opfer der Tscheka, der sowjetischen Geheimpolizei, und einem ehemaligen Tschekisten.
"Die beiden beim Teetrinken - ein einer Karikatur gleichendes Pärchen," so Jerofejew. Für Solschenizyns Schweigen in seinen letzten Jahren bringt Jerofejew Verständnis auf, "obwohl die Ereignisse in Russland von ihm als Gewissen der Nation Antworten forderten zu Tschetschenien, zu den Terroranschlägen und anderen schmerzhaften Dingen. Aber ich bin bereit, Solschenizyn das alles zu verzeihen für seinen 'Archipel Gulag' - das unsterbliche Meisterwerk des ehemaligen sowjetischen Artillerieoffiziers, der mit seinen literarischen Geschossen half, die Sowjetunion zu zerstören."
Ebenfalls in der WELT charakterisiert Jens Hartmann in seinem Nachruf Solschenizyns utopische Vorstellungen: "Der Dichter träumte von einem Land, das es so wohl nie gab, ein Utopia, in dem der russisch-orthodoxe Glaube die oberste Maxime darstellt, Demokratie von unten gelebt und das Dorf und die Bauernschaft als Kraftfelder empfunden werden. Ein idealisiertes Altrussland, in dem Entsagung, Enthaltsamkeit, Moral und Sittenstrenge alle materiellen Werte ersetzen."
Verwirrung löste Solschenizyns Alterswerk "200 Jahre zusammen" aus. Boris Chasanow, der unter Stalin selbst viele Jahre im Gulag verbrachte, schreibt über diese russisch-jüdische Geschichte in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG: "In dem Buch bezeichnet Solschenizyn die Juden unter anderem als 'Frontabteilung - geschaffen vom Weltkapital' - die der Zerstörung der bürgerlichen Ordnung voranginge."
Chasanow realisiert, dass diese politisch-publizistische Arbeit viele abstoßen werde, aber Solschenizyn habe glücklicherweise weit mehr geleistet: "Es wäre zu wenig, ihn eine herausragende Persönlichkeit seiner Epoche zu nennen. Er war selbst eine ganze Epoche."
Den Grundtenor aller Nachrufe gibt Ralph Duti, der Herausgeber einer Ossip-Mandelstam-Gesamtausgabe, wieder: "Lebe nicht mit der Lüge! Das war die Devise eines Schriftstellers, der die Wahrheit über die Schrecken des Jahrhunderts gesagt hat."
In der Tageszeitung DIE WELT wertet der Schriftsteller Viktor Jerofejew den Verstorbenen als "ganz großen Mann". Er schreibt: "Ich habe ihm gegenüber sehr lebendige Gefühle - sehr große und widersprüchliche Empfindungen. Für mich war er vor allem der Autor des Buches 'Archipel Gulag', des Andenkens an alle Opfer des Stalinismus. Als Schriftsteller zwang er ein durch Hohn und Spott erschüttertes Russland zu erwachen. Das ist eine schriftstellerische Heldentat. Das ist ein politischer Umsturz von europäischem Ausmaß. Der Archipel Gulag trieb die letzten 'linken' Illusionen über eine 'leuchtende Zukunft' auseinander."
Jerofejew berichtet, dass er Solschenizyn zwar nie getroffen habe, er bei ihm aber immer gegenwärtig war, und zwar als kleine Statue auf dem Fensterbrett seines Arbeitszimmers. Seine Mutter habe ihn gebeten, den Gästen zu erklären, dass das Beethoven sei. Befremdlich findet Jerofejew die merkwürdige Freundschaft zwischen Solschenizyn und Putin, zwischen einem Opfer der Tscheka, der sowjetischen Geheimpolizei, und einem ehemaligen Tschekisten.
"Die beiden beim Teetrinken - ein einer Karikatur gleichendes Pärchen," so Jerofejew. Für Solschenizyns Schweigen in seinen letzten Jahren bringt Jerofejew Verständnis auf, "obwohl die Ereignisse in Russland von ihm als Gewissen der Nation Antworten forderten zu Tschetschenien, zu den Terroranschlägen und anderen schmerzhaften Dingen. Aber ich bin bereit, Solschenizyn das alles zu verzeihen für seinen 'Archipel Gulag' - das unsterbliche Meisterwerk des ehemaligen sowjetischen Artillerieoffiziers, der mit seinen literarischen Geschossen half, die Sowjetunion zu zerstören."
Ebenfalls in der WELT charakterisiert Jens Hartmann in seinem Nachruf Solschenizyns utopische Vorstellungen: "Der Dichter träumte von einem Land, das es so wohl nie gab, ein Utopia, in dem der russisch-orthodoxe Glaube die oberste Maxime darstellt, Demokratie von unten gelebt und das Dorf und die Bauernschaft als Kraftfelder empfunden werden. Ein idealisiertes Altrussland, in dem Entsagung, Enthaltsamkeit, Moral und Sittenstrenge alle materiellen Werte ersetzen."
Verwirrung löste Solschenizyns Alterswerk "200 Jahre zusammen" aus. Boris Chasanow, der unter Stalin selbst viele Jahre im Gulag verbrachte, schreibt über diese russisch-jüdische Geschichte in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG: "In dem Buch bezeichnet Solschenizyn die Juden unter anderem als 'Frontabteilung - geschaffen vom Weltkapital' - die der Zerstörung der bürgerlichen Ordnung voranginge."
Chasanow realisiert, dass diese politisch-publizistische Arbeit viele abstoßen werde, aber Solschenizyn habe glücklicherweise weit mehr geleistet: "Es wäre zu wenig, ihn eine herausragende Persönlichkeit seiner Epoche zu nennen. Er war selbst eine ganze Epoche."
Den Grundtenor aller Nachrufe gibt Ralph Duti, der Herausgeber einer Ossip-Mandelstam-Gesamtausgabe, wieder: "Lebe nicht mit der Lüge! Das war die Devise eines Schriftstellers, der die Wahrheit über die Schrecken des Jahrhunderts gesagt hat."