Von Adelheid Wedel

Die "Welt" erinnert an Dimitri Schostakowitsch - den "rätselhaftesten Komponisten des 20. Jahrhunderts". In der "Süddeutschen Zeitung" berichtet Franziska Augstein vom 46. Deutschen Historikertag und räumt dabei mit zwei Missverständnissen auf. Und in der "TAZ" plädiert der Soziologe Wolf Lepenies für die Schaffung von europäischen Parteien, die sich nicht mehr national definieren.
Ein Rätsel und ein Geheimnis spüren die Feuilletons vom Montag auf. "An seinem 100. Geburtstag bleibt Dimitri Schostakowitsch der rätselhafteste Komponist des 20. Jahrhunderts", schreibt die Tageszeitung DIE WELT. Manuel Brug widmet dem Komponisten eine Eloge, jenem Mann der "seinem Jahrhundert in die Augen geblickt hat, der von ihm brutal geformt wurde, es aber auch geprägt hat wie keiner vor und nach ihm. Seine Musik ist verletzt und beißt. Sie verbirgt sich hinter Masken und Fratzen, sie ist todtraurig und doch siegessicher." Die besonderen Umstände seines Lebens machten ihn zu einem "willigen Opfer, das sich einspannen ließ, ein gefundenes Fressen, mit dem Stalin im wahrsten Sinne des Wortes für sein Leben gern Katz und Maus spielte". Schostakowitsch galt in der Sowjetunion lange als "formalistisch", er besänftigte aber seine Kritiker beispielsweise 1952 mit einer Parteikantate. Eine neben dem Geburtstagsartikel unauffällig stehende Nachricht schlägt Alarm. Dort heißt es: "Licht auf das wirkliche Verhältnis des sowjetischen Komponisten zur Staatsmacht könnten mehrere tausend Dokumente aus dem Nachlass des Komponisten geben." Aber die in Tallin in Privatbesitz gelagerten Dokumente gehen möglicherweise für immer verloren. Er könne die Miete seiner Wohnung bald nicht mehr bezahlen, klagt der Archiveigentümer. Welche Geheimnisse bergen die 700.000 Seiten umfassenden Handschriften und 1500 Tonaufzeichnungen? Aus Angst vor dem sowjetischen Geheimdienst sind einige Unterlagen in einer Art Geheimsprache geschrieben. Und das soll unentdeckt verschwinden? Undenkbar!

Am Wochenende ging in Konstanz der 46. Historikertag zu Ende. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG berichtet Franziska Augstein von der Tagung. Sie räumt mit zwei Missverständnissen auf:
"Jetzt erst würden die Historiker entdecken, dass auch Bilder zur Geschichte gehören. Und: Die Geschichtswissenschaft habe keine Bedeutung mehr für die Gesellschaft. Alles Kokolores", schreibt die Journalistin, konstatiert aber, dass die Geschichtswissenschaft Moden unterliegt:

"Sie benimmt sich wie ein internationaler Modedesigner, mal sind es Hosen mit Schlag, mal Strasssternchen. Die angebliche Entdeckung der Bedeutung von Bildern ist in Wahrheit ein alter Hut."

Franziska Augstein gibt die Inhalte von Diskussionsrunden wider, dabei fällt auch das Wort von "Geschichtspornographie" das im Zusammenhang mit Guido Knopps Zeitzeugendokumentationen fiel.

In der "FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG" wird die Wahl des diesjährigen Kongressthemas "GeschichtsBilder" damit begründet, dass "man eine kritische Analyse der Wirkkraft medialer Geschichtserzählungen vor Augen hatte." Die nächste Zusammenkunft der Geschichtswissenschaftler ist 2008 in Dresden geplant.

Mit dem diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wird der Soziologe Wolf Lepenies geehrt. Die TAZ druckt ein Interview mit dem Preisträger in spe, in dem er die Aufgabe der Intellektuellen und der Künstler im Umfeld von "Kultur und Politik" umreißt. Mit einem Blick zurück analysiert er:

"Ich habe nach 1989 aufgrund meiner Osteuropa-Erfahrungen die Vermutung geäußert, es werde demnächst in Europa zwei Gruppen von Intellektuellen geben, die zum Teil auch in politische Ämter hineinwachsen würden. Ich nannte sie im Westen die Experten, und im Osten die Moralisten. Ich glaubte, die Moralisten würden viel länger politisch aktiv und wirksam bleiben als es dann tatsächlich der Fall war. … Man musste pragmatisch werden. Aus den "Helden" wurden "Händler". Damit war die Zeit der Moralisten vorbei."

Lepenies plädiert für die Schaffung von europäischen Parteien, die sich nicht mehr national definieren. Da sei die Kultur schon weiter und habe möglicherweise Vorbildfunktion für die Politik.

Nicht nur eine europäische, sondern eine globale Initiative der Nächstenliebe hat der ehemalige amerikanische Präsident Bill Clinton ins Leben gerufen – und die basiert auf einer sehr einfachen Gleichung. Es gibt Leute, die Gutes tun wollen und solche, die auf gute Taten angewiesen sind. Beide Pole brachte er in New York zusammen – die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG berichtet darüber und meint abschließend: "Die Welt scheint ihm offen zu stehen, und statt sich zum Expräsidenten degradieren zu lassen, bietet er sich als ihr Weltpräsident an." Ein neuer Job wurde da kreiert: "Initiator eines Globalisierungsschubs der Wohltätigkeit."