Von A bis Binomialkoeffizient
Passend zum Jahr der Mathematik hat die Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zum Leibniztag 2008 auf die Geschichte des Rechnens zurückgeblickt. Am Festtag bekam der Unternehmer und Wissenschaftsförderer Klaus Jacobs außerdem die Leibniz-Medaille verliehen.
Man stelle sich vor, Forschungsministerin Annette Schavan hätte kürzlich die Berlin-Brandenburgische Akademie zur Nationalakademie erklärt, so wie es sich Ex-Akademie-Präsident Dieter Simon samt vielen anderen erträumt hatte. Und nun wäre Bundespräsident Horst Köhler zwecks Gratulation auf dem Leibniztag erschienen. Was für ein prestigeträchtiger Moment!
Aber nichts da. Es ist die Leopoldina in Halle, die älteste Gelehrtengesellschaft der Welt, die ab Mitte des Monats den Titel 'Nationalakademie' tragen wird und sich auf Augenhöhe mit der britischen Royal Society und der französischen Akademie des Sciences fühlen darf. Statt Glückwünschen bekamen die Berlin-Brandenburger an ihrem Festtag präsidiale Ermahnungen zu hören - und sogar untergründigen Sarkasmus.
"Die Leopoldina und die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften haben bereits gute Erfahrungen miteinander gemacht - so verstehe ich das jedenfalls. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass diese beiden Akademien auch künftig gedeihlich zusammenarbeiten werden. Und ich vertraue darauf, dass auch die anderen Mitgliedakademien der Union die Leopoldina bei ihren neuen Aufgaben partnerschaftlich unterstützen werden."
Akademie-Präsident Günter Stock, auch Präsident der Union der deutschen Akademien, ließ sich in die Pflicht nehmen und rühmte, welch intelligente Leitlinien die Berlin-Brandenburger zur Politikberatung in diesem Jahr schon vorgelegt hätten. Ein gewundener Satz voll konjunktivischer Zwischentöne erweckte allerdings Zweifel, ob es Stock wirklich freut, künftig im Ruhmesschatten der Leopoldina zu operieren:
"Wenn wir es richtig verstehen, die vorhandenen Erfahrungen und Erkenntnisse der verschiedenen Akademien zu nutzen und in das Gesamtprojekt Nationale Akademie zu integrieren, dann wird diese, sehr verehrte Herr Bundespräsident, von uns allen gewünschte nationale Akademie ungeachtet eventuell möglicher Anfangsschwierigkeiten schon in relativ kurzer Zeit erfolgreich und nachhaltig agieren könnte."
Beim Empfang im Leibnizsaal hörte man dann, dass die Akademien bis zur offiziellen Beförderung der Leopoldina Mitte Juli rhetorischen Waffenstillstand verabredet haben - später darf man mit Ehrpusseligkeiten rechnen. Denn am Gendarmenmarkt zu residieren, wenige Fußminuten vom ach so beratungsbedürftigen Bundestag entfernt, aber von den Hallensern national ausgestochen zu werden - diese wissenschaftspolitische Pointe hat noch nicht jeder akzeptiert.
Indessen verlief der Leibniztag keineswegs so trocken, wie es Leute befürchten, die nie hingehen. Der Altgermanist und Sprachvirtuose Peter Wapnewski bekam die Helmholtz-Medaille - und hielt sich leider an die Vereinbarung, keine Dankesrede zu halten. Jenseits der Mikrofone witzelte der alte Philologe, sein Lebenswerk - das vor allem der mittelalterlichen Literatur und Richard Wagner gewidmet ist - sei mittelmäßig, aber verdiene trotzdem jeden Preis: Die Konkurrenten seien halt noch schlechter. Und überhaupt, mit der Philologie als solcher gehe es zu Ende. Über Komma-Setzung bei Walter von der Vogelweide werde sich in Zukunft keiner mehr den Kopf zerbrechen.
Gegen dieselbe Schweigevereinbarung, die Wapnewski beachtete, verstieß Kaffee-Magnat und Wissenschaftsförderer Klaus Jacobs, der die Leibniz-Medaille auch darum erhielt, weil die Jacobs Stiftung die private International University Bremen bis 2011 mit sage und schreibe 200 Millionen Euro fördert. Längst wurde die englischsprachige Hochschule in Jacobs University umbenannt. Klaus Jacobs, noch von Krankheit gezeichnet, gab den souveränen Unterhalter.
"Als altgedienter Kaufmann bin ich es gewohnt, Preise sorgfältig zu prüfen, nicht nur bei Kaffee und Schokolade, sondern auch hier. Meine Kinder würden sagen, er hat gegoogelt. Wertvoll war für mich besonders der Hinweis, dass die Medaille in Bronze ausgeführt ist und einen Durchmesser von fünf Zentimeter habe. Dieses ließe sich ja noch nachmessen, und das mache ich auch daheim."
Milos Vec, der Star unter den jüngeren Rechtwissenschaftlern, heimste noch den Akademiepreis samt 20.000 Euro ein, bevor Günter Ziegler mit Blick aufs Jahr der Mathematik den Festvortrag "Wer A sagen kann, ..." hielt - eine kurze Geschichte des Rechnens vom Ishango-Knochen als ältester Darstellung mathematischer Kultur über Fritz Langs Frau im Mond, in dem das Countdown-Zählen erfunden wurde, bis Stanley Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum".
"Der Slogan 'Du kannst mehr Mathe, als du denkst', der auf den Postern des Mathematikjahres steht, gilt auch für Erwachsene", "
behauptete Günter Ziegler. Wie aber geht der titelgebende Satz "Wer A sagen kann ..." weiter? Welcher Mathematiker hat ihn der Welt geschenkt?
" "Der Satz heißt vollständig: 'Wer A sagen kann, kann null komma Nichts auch Binomialkoeffizient sagen' und stammt aus dem wunderbaren Roman 'Die dreizehneinhalb Leben des Käpt'n Blaubär' von Walter Moers."
Es passte zum unrunden, aber nicht langweiligen Ablauf des Leibniztages, dass Akademie-Präsident Günter Stock das kaum verklungene Lob der Mathematik mit einer literarischen Herabsetzung konterte.
"Es war Goethe, der am 20. September 1826 zu Eckermann gesagt hat: 'Ich ehre die Mathematik als die erhabenste und nützlichste Wissenschaft. Allein, ich kann nicht loben, dass man sie bei Dingen missbrauchen will, die gar nicht in ihrem Bereich liegen und wo die edle Wissenschaft sogleich als Unsinn erscheint und als ob alles nur dann existierte, wenn es sich mathematisch beweisen lässt.'"
Alle Jahre wieder kommt der Leibniz-Tag. Wer erleben will, wie rührend und bisweilen nicht ohne Erfolg die Berlin-Brandenburgische Akademie gegen das Elfenbeinturm-Klischee kämpft, der sollte einfach mal hingehen. Popularität im Volk kann die BBAW sicher am leichtesten über den verpassten Titel der Nationalakademie hinwegtrösten.
Aber nichts da. Es ist die Leopoldina in Halle, die älteste Gelehrtengesellschaft der Welt, die ab Mitte des Monats den Titel 'Nationalakademie' tragen wird und sich auf Augenhöhe mit der britischen Royal Society und der französischen Akademie des Sciences fühlen darf. Statt Glückwünschen bekamen die Berlin-Brandenburger an ihrem Festtag präsidiale Ermahnungen zu hören - und sogar untergründigen Sarkasmus.
"Die Leopoldina und die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften haben bereits gute Erfahrungen miteinander gemacht - so verstehe ich das jedenfalls. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass diese beiden Akademien auch künftig gedeihlich zusammenarbeiten werden. Und ich vertraue darauf, dass auch die anderen Mitgliedakademien der Union die Leopoldina bei ihren neuen Aufgaben partnerschaftlich unterstützen werden."
Akademie-Präsident Günter Stock, auch Präsident der Union der deutschen Akademien, ließ sich in die Pflicht nehmen und rühmte, welch intelligente Leitlinien die Berlin-Brandenburger zur Politikberatung in diesem Jahr schon vorgelegt hätten. Ein gewundener Satz voll konjunktivischer Zwischentöne erweckte allerdings Zweifel, ob es Stock wirklich freut, künftig im Ruhmesschatten der Leopoldina zu operieren:
"Wenn wir es richtig verstehen, die vorhandenen Erfahrungen und Erkenntnisse der verschiedenen Akademien zu nutzen und in das Gesamtprojekt Nationale Akademie zu integrieren, dann wird diese, sehr verehrte Herr Bundespräsident, von uns allen gewünschte nationale Akademie ungeachtet eventuell möglicher Anfangsschwierigkeiten schon in relativ kurzer Zeit erfolgreich und nachhaltig agieren könnte."
Beim Empfang im Leibnizsaal hörte man dann, dass die Akademien bis zur offiziellen Beförderung der Leopoldina Mitte Juli rhetorischen Waffenstillstand verabredet haben - später darf man mit Ehrpusseligkeiten rechnen. Denn am Gendarmenmarkt zu residieren, wenige Fußminuten vom ach so beratungsbedürftigen Bundestag entfernt, aber von den Hallensern national ausgestochen zu werden - diese wissenschaftspolitische Pointe hat noch nicht jeder akzeptiert.
Indessen verlief der Leibniztag keineswegs so trocken, wie es Leute befürchten, die nie hingehen. Der Altgermanist und Sprachvirtuose Peter Wapnewski bekam die Helmholtz-Medaille - und hielt sich leider an die Vereinbarung, keine Dankesrede zu halten. Jenseits der Mikrofone witzelte der alte Philologe, sein Lebenswerk - das vor allem der mittelalterlichen Literatur und Richard Wagner gewidmet ist - sei mittelmäßig, aber verdiene trotzdem jeden Preis: Die Konkurrenten seien halt noch schlechter. Und überhaupt, mit der Philologie als solcher gehe es zu Ende. Über Komma-Setzung bei Walter von der Vogelweide werde sich in Zukunft keiner mehr den Kopf zerbrechen.
Gegen dieselbe Schweigevereinbarung, die Wapnewski beachtete, verstieß Kaffee-Magnat und Wissenschaftsförderer Klaus Jacobs, der die Leibniz-Medaille auch darum erhielt, weil die Jacobs Stiftung die private International University Bremen bis 2011 mit sage und schreibe 200 Millionen Euro fördert. Längst wurde die englischsprachige Hochschule in Jacobs University umbenannt. Klaus Jacobs, noch von Krankheit gezeichnet, gab den souveränen Unterhalter.
"Als altgedienter Kaufmann bin ich es gewohnt, Preise sorgfältig zu prüfen, nicht nur bei Kaffee und Schokolade, sondern auch hier. Meine Kinder würden sagen, er hat gegoogelt. Wertvoll war für mich besonders der Hinweis, dass die Medaille in Bronze ausgeführt ist und einen Durchmesser von fünf Zentimeter habe. Dieses ließe sich ja noch nachmessen, und das mache ich auch daheim."
Milos Vec, der Star unter den jüngeren Rechtwissenschaftlern, heimste noch den Akademiepreis samt 20.000 Euro ein, bevor Günter Ziegler mit Blick aufs Jahr der Mathematik den Festvortrag "Wer A sagen kann, ..." hielt - eine kurze Geschichte des Rechnens vom Ishango-Knochen als ältester Darstellung mathematischer Kultur über Fritz Langs Frau im Mond, in dem das Countdown-Zählen erfunden wurde, bis Stanley Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum".
"Der Slogan 'Du kannst mehr Mathe, als du denkst', der auf den Postern des Mathematikjahres steht, gilt auch für Erwachsene", "
behauptete Günter Ziegler. Wie aber geht der titelgebende Satz "Wer A sagen kann ..." weiter? Welcher Mathematiker hat ihn der Welt geschenkt?
" "Der Satz heißt vollständig: 'Wer A sagen kann, kann null komma Nichts auch Binomialkoeffizient sagen' und stammt aus dem wunderbaren Roman 'Die dreizehneinhalb Leben des Käpt'n Blaubär' von Walter Moers."
Es passte zum unrunden, aber nicht langweiligen Ablauf des Leibniztages, dass Akademie-Präsident Günter Stock das kaum verklungene Lob der Mathematik mit einer literarischen Herabsetzung konterte.
"Es war Goethe, der am 20. September 1826 zu Eckermann gesagt hat: 'Ich ehre die Mathematik als die erhabenste und nützlichste Wissenschaft. Allein, ich kann nicht loben, dass man sie bei Dingen missbrauchen will, die gar nicht in ihrem Bereich liegen und wo die edle Wissenschaft sogleich als Unsinn erscheint und als ob alles nur dann existierte, wenn es sich mathematisch beweisen lässt.'"
Alle Jahre wieder kommt der Leibniz-Tag. Wer erleben will, wie rührend und bisweilen nicht ohne Erfolg die Berlin-Brandenburgische Akademie gegen das Elfenbeinturm-Klischee kämpft, der sollte einfach mal hingehen. Popularität im Volk kann die BBAW sicher am leichtesten über den verpassten Titel der Nationalakademie hinwegtrösten.