Vom Winde verweht

Von Tim Hannes Schauen, Franziska Rattei und Alexander Budde · 06.11.2013
Die nördlichen Bundesländer profitieren vom Offshore-Ausbau der Windkraft, große Windparks entstehen hier. Gleichzeitig stehen sie vor großen Problemen, der Netzausbau stockt und auch politisch gibt es Gegenwind - das verschreckt die Investoren.
Vom Winde verweht? Das Beispiel Emden
Von Tim Hannes Schauen

Ende August hatten die Firma BARD und Bundeswirtschaftsminister Rösler den bislang größten deutschen Windpark "Bard Offshore 1" auf dem Wasser eingeweiht. 100 Kilometer vor Borkum stehen nun 80 Anlagen mit jeweils fünf Megawatt Leistung. Doch das von BARD-Chef Michael Baur ausgerufene "wichtige Signal für Energiewende und Zukunft der Offshore-Windindustrie” – es blieb ungehört. Der Wind hat sich gedreht.

Emden hatte sich vor fünf Jahren als Basis für die ehrgeizigen Offshore-Pläne etabliert. Die Firma BARD produzierte hier riesige Rotorblätter, verschiffte vom gelben, dreibeinigen Sockel bis zur Getriebegondel komplette Windkraftanlagen über die Kante des Emder Südkais.

"BARD ist ja schon fast mit affenartiger Geschwindigkeit von Bremen nach Emden gekommen und dann hier gewachsen."

Jürgen Hinnendahl war lange Zeit Oberstadtdirektor, jetzt kümmert er sich um die Emder Hafenförderung. BARD hatte einst einen riesigen Hunger an Arbeitskräften. Doch die ab 2008 schnell auf über 1.200 Mitarbeiter angewachsene Truppe ist inzwischen fast vollständig wieder eingeschrumpft: Entlassen.

"BARD ist jetzt fertig mit seinem ersten Offshore-Feld in der Nordsee, 80 Anlagen sind dort installiert, sind auch am Netz, aber es fehlen Folgeaufträge für weitere Felder, und das hat etwas mit der politischen Unsicherheit zu tun: Diejenigen, die da investieren, wollen Investitionssicherheit, das heißt, die wollen die Preise auch die nächsten 20 Jahre wirklich kriegen, und solange das nicht zugesagt ist - der niedersächsische Ministerpräsident hat darauf hingewiesen - sind fünf Milliarden im Rohr, die eigentlich investiert werden sollten, die werden aber nicht investiert, weil Investoren keine Investitionssicherheit haben."

Politische Signale fehlen
Die Aktivitäten bei BARD beschränken sich in Emden inzwischen auf ein Rumpfteam, das für Service und Wartung des Windparks zuständig ist. Für ein Interview steht das Unternehmen derzeit nicht zur Verfügung. Aber was gibt es auch zu bejubeln? Im Moment nichts weniger als die Pionierleistung, einen Windpark in 40 Meter tiefes Meerwasser gestellt zu haben. Aber auch nicht mehr. Technische Probleme und auch die rauen Wetterbedingungen trieben den Bauzeitraum auf knapp drei Jahre, vor allem aber stiegen die Kosten in enorme Höhen.

"Während der Pionierphase haben die auch Erfahrungen gesammelt, die auch Geld gekostet haben. Der amerikanische Westen ist auch nicht so geplant erschlossen worden und die, die dahingegangen sind, haben auch so manche Überraschung erlebt, das ist mit der offshore-Produktion von Elektrizität nicht anders. Die erste Windfarm von BARD war, wenn ich mich richtig erinnere, mit einer runden Milliarde Euro kalkuliert, und soll, ich weiß es nicht so genau, über zwei gekostet haben. Das geht dann natürlich die Rentabilität."!"

Andere Experten sehen die Kosten des Projekts gar bei um die drei Milliarden Euro. Trotz bestehender Genehmigungen für weitere Windparks fehlen BARD die Investoren. Und den Investoren fehlen die politischen Signale, was die garantierten Einspeisevergütungen für maritimen Ökostrom betrifft.

""Mein Name ist Sascha Uckena, ich bin Teamleiter im Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit Emden-Leer."

Der Arbeitgeber-Service in Emden erhält zum Beispiel Informationen darüber, wie sich die Arbeitsplätze innerhalb eines Unternehmens entwickeln und wie es mit der Auftragslage aussieht, sagt Teamleiter Uckena. Auch er sieht Veränderungen beim Emder offshore-Sektor.

"Hier hat es in den letzten vier, fünf Jahren schon Veränderung gegeben, mehr hin zum Unternehmen im Rahmen des Zulieferers für die Windkraftbranche, sowohl für den Offshore- wie auch für den Onshore-Bereich. Diese Umstrukturierung ist im Moment an Unternehmen am Emder Hafen erkennbar."

Doch nicht die gesamte Emder Konjunktur ist durch den Wind. Die Firma ENERCON war schon vor dem Seegang in der Windenergiebranche äußerst aktiv. Sie produziert in Aurich und verschifft über den Emder Hafen ihre Komponenten für Windkraftanlagen in alle Welt. Ihre Mühlen stehen indes ausschließlich an Land. ENERCON prosperiert derart, dass das Unternehmen eine jahrelang brachliegende Bahnstrecke zwischen Aurich und Emden reaktiviert hat. So sollen die vielen Schwertransporte künftig nicht mehr über die Emder Straßen, sondern über die Schiene zum Hafen rollen.

Während die Offshore-Euphorie verebbt ist, laufen die Geschäfte einiger Unternehmen gut.

"Mein Name ist Frank Zabell, Geschäftsführer der Northern Helicopter GmbH und Berufspilot. Hauptaufgabenfeld besteht aus zwei Bausteinen: Einmal ist das die Luftrettung offshore für die Windkraftanlagen, für die Parkbetreiber, und wir machen Ambulanztransporte zu den ostfriesischen Inseln beziehungsweise von den ostfriesischen Inseln."

Auf dem Deich die obligatorischen Schafe
Für die beiden vor Borkum bestehenden Windparks und weitere im Bau befindliche haben sich einige Transport- und Logistikunternehmen in Stellung gebracht. Auch das von Frank Zabell.

"Also wir haben jetzt in den zwei Jahren etwa 43 scharfe Einsätze geflogen, nur 43 scharfe Einsätze muss man sagen, das zeugt zum einen davon, dass die Kameraden dort draußen auf den Anlagen sehr, sehr gut ausgebildet sind, zum anderen aber auch, dass wir ein komplexes System anbieten, das bedeutet, wir müssen nicht bei jeder Alarmierung gleich herausfliegen, sondern viele Notfälle stellen sich meistens dann über die Telemedizin als nicht wirkliche Notfälle heraus.

Fliegerisch ist offshore eines der anspruchsvollsten Gebiete, weil sie letztendlich auch bei besseren Wetterbedingungen nicht nach Sichtflug fliegen können. Wenn Sie im Auto sitzen, und auf der Autobahn fahren bei schönem Wetter - und wenn sie das bei Nebel machen, ist das eine ganz andere Belastung für den Körper, wesentlich anstrengender zu fahren, und ähnlich verhält sich das der Fliegerei eben auch: Offshore über See zu fliegen bedeutet: Es ist unter ihnen grau, es ist vor ihnen grau, und es ist über Ihnen grau. Denn das ist die Nordsee. Den Fall mit blauem Himmel und klarer Sicht haben wir da leider sehr selten."

Während Frank Zabell mit dem Smartphone in der Hand Luftrettungs-Bereitschaft am Flugplatz schiebt, fährt Hafenförderer Jürgen Hinnendahl weit aus der Stadt heraus nach Nordwesten, durch die Stadtteile Constantina und Larrelt. Im Ortsteil Wybelsum grasen Kühe unter nicht enden wollenden Reihen von Windkraftanlagen. Der Windpark Wybelsumer Polder gehört mit seinen 54 Mühlen zu den größten in Europa. 2001 wurden hier die ersten Anlagen an die Nordseekante gesetzt, 2002 war die feierliche Eröffnung mit dem damaligen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel.

Auf dem Deich stehen die obligatorischen Schafe und halten ihr Hinterteil dem Wind entgegen. Auf einem kleinen Parkplatz neben dem Restaurant "Strandlust" am Wasser parkt Jürgen Hinnendahl seinen Wagen.

"Wir sind jetzt an der Knock, das ist ein Gebiet, das 13 Kilometer emsabwärts liegt, immer noch auf Emder Stadtgebiet und an der Knock erstreckt sich der Rysumer Nacken, das ist ein 580 Hektar großes Spülfeld, aufgespülter Boden, der sich eignet für die Erweiterung des Emder Hafens und dafür auch vorgesehen ist. Das erste Gutachten hat ergeben, dass es vernünftig wäre, eine vier Kilometer lange Spundwand einzurammen, dahinter aufzuspülen, zusätzliche 200 Hektar zu gewinnen, und insgesamt hieraus einen Hafen zu entwickeln, der auch für offshore-Zwecke geeignet ist. Sie gewinnen Liegeplätze für ungefähr zwölf große Schiffe, das ist also ein Zukunftsprojekt, was in den nächsten 50 Jahren gemacht werden kann."

Die Konkurrenz ist groß
Doch dazu sind auch politische Weichenstellungen erforderlich - solange das Geschäft mit dem Offshore-Wind stagniert, wird wohl kaum jemand das nötige Geld in die Hand nehmen wollen. 27 Offshore-Felder sind derzeit in der Nordsee genehmigt, irgendjemand wird diese Pläne vielleicht realisieren. Und dazu braucht man Basishäfen an der Küste. Doch die Konkurrenz ist groß:

"Offshore tummeln sich Bremerhaven und Cuxhaven, auch Wilhelmshaven, also die deutsche Nordseeküste ist da schon ziemlich aktiv, aber die anderen schlafen auch nicht, in den Niederlanden gibt es Aktivitäten und insbesondere am weitesten sind die Briten. Da gibt es schon riesige Offshore-Felder und die wollen ja auch betreut sein. Und dazu braucht man immer Basishäfen. Denn die Windfarmen fallen nicht vom Himmel, sie müssen entwickelt gebaut, unterhalten und eines Tages auch mal wieder abgebaut werden, für das alles braucht man Häfen als Basis-Häfen."

Und da wähnt sich Emden - wieder einmal - bestens aufgestellt.

"So, es gibt eine Untersuchung, ist auch noch nicht so alt, Vierteljahr vielleicht, die gezeigt hat, das es an der deutschen Nordseeküste noch Mangel an Flächen, Hafenflächen für Offshore-Verwendungen gibt, und in diese Lücke wollen wir mit dem Rysumer Nacken hinein stoßen. Für Offshore-Zwecke, also für Investoren, die Basishafenfazilitäten brauchen, da zu sein und diese Fazilitäten bereitzustellen."

Auch wenn die Euphorie für Offshore-Windanlagen derzeit einem Stillstand gewichen zu sein scheint: Zukunftsfähig ist der über 1000-jährige Emder Hafen mit seinen üppigen 580 Hektar Fläche am Rysumer Nacken allemal. Der Rat der Stadt Emden hat gerade ein Gutachten bestellt, dass die Wirtschaftlichkeit des großen Projekts untersuchen soll.

"Ja, also Hafenbedarf für die nächsten 100 Jahre kann hier befriedigt werden!"

Doch bis Gutachten und das anschließende Planfeststellungsverfahren zu einem Ergebnis gekommen sind, werden vier oder fünf Jahre vergehen. Dann allerdings soll nach den Plänen der Bundesregierung die Energiewende bereits in der Türschwelle stehen: 2020 sollen 30 Prozent des deutschen Stromes aus erneuerbaren Energien stammen. Im Moment sieht es jedoch so aus, als ob dieser dann von Windkraftanlagen stammt, die auf dem Land stehen.

Vom Rysumer Nacken aus reicht der Blick über die Außenems ins niederländische Eemshaven. Dort ist in kurzer Zeit ein 22 Hektar großer Offshore-Terminal gebaut worden, gerade entsteht ein neues 1.600 Megawatt-Kohlekraftwerk der RWE. Noch sind die Menschen lange nicht von fossilen Energieträgern unabhängig. Da kann der Wind noch so stark wehen. Ob sie die Energiewende wirklich wollen, wird sich dann auch hier zeigen: An der Küste.

Vom Winde verweht? Optimismus in Bremerhaven
Von Franziska Rattei

In Bremerhaven-Mitte, direkt am Wasser, kann von Flaute keine Rede sein. Der Wind weht kräftig, in der Ferne erkennt man ein paar rotierende Windräder.

Von Nils Schnorrenbergers Büro aus kann man bei guter Sicht bis nach Wilhelmshaven blicken. Der Geschäftsführer der BIS, der Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung, schätzt Weitsicht und Wind. Auf dem Fensterbrett steht ein Dutzend Modell-Windräder, auf seinem Schreibtisch: ein Foto von ihm und seiner Familie. Alle mit zerzaustem Haar.

Schnorrenberger meint: Die Offshore-Windenenergie hat Zukunft. Vor gut drei Jahren hat er deshalb Unternehmen davon überzeugt, in zwei Stiftungsprofessuren für Windenergie-Technik an der Hochschule Bremerhaven zu investieren.

"Innerhalb von vier Wochen haben wir die Unternehmen und insgesamt eine Million Euro zusammengesammelt, und teilweise gingen die Gespräche auch sehr schnell. Fünf Minuten hat gedauert bis es hieß: Ja, wir machen das. Also das ging hervorragend, weil da vieles zusammenkam: eine wachsende Branche, eine neue Technologie und die Erkenntnis und die Notwendigkeit, dass der wichtigste Produktionsfaktor, den wir in Deutschland haben, halt das Wissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist."

Die Sonne scheint über den 110 Meter hohen Windrädern des 14 Kilometer vor der dänischen Küste bei Blavandshuk gelegenen Offshore-Windparks.
Das politische Hin und Her schadet der Windenergie, denn es verschreckt Investoren, mein Professor Lange.© AP
Offshore bietet große Versorgungssicherheit
Die Pressemitteilung von damals begann mit den Worten: "Die Branche boomt". So könne man es heute nicht mehr beschreiben, sagt Schnorrenberger, aber er glaubt noch immer an die Offshore-Industrie in Bremerhaven. Hier kommen alle Puzzleteile zusammen, sagt er: Anlagenhersteller, Logistik, Fortbildung - und die Zukunft der Windkraft auf hoher See sei ohnehin nicht mehr weg zu diskutieren. Keine andere erneuerbare Energie sei so zuverlässig wie Offshore. Die Windräder im Meer drehten sich 340 Tage im Jahr – mit dieser Versorgungssicherheit könne Onshore oder Photovoltaik nicht mithalten. Aber einen Nachteil hat die Offshore-Technologie doch: Sie ist noch jung.

"Eigentlich braucht sie noch ein bisschen Welpenschutz. Aber genau in der Phase des notwendigen Welpenschutzes ist das Thema der Energiepreisbremse gekommen: Wir müssen einen Deckel drauf packen, wir müssen sehen, dass die Energiepreise nicht durch die Decke gehen. Und da gibt’s verschiedene Forderungen, wie man das denn machen kann. Und diese Forderungen kommen für die Offshore-Windenergie zu früh."

Um Offshore effektiver zu machen, brauche die Branche einfach Zeit, sagt Schnorrenberger: Lehrjahre, die sich nur mit einer garantierten Einspeisevergütung finanzieren ließen. Ohne die fehle den Investoren die Planungssicherheit. Und es wäre nur logisch, wenn sie ihr Geld dann lieber in Großbritannien oder Dänemark anlegten statt in Deutschland.

Rieke Carlotta Dahms investiert ihre Zeit in die deutsche Offshore-Zukunft. Die 23-Jährige sitzt vor einem Modell-Windrad im Institut für Windenergie an der Hochschule Bremerhaven. Das gleichmäßige Rotieren findet sie beruhigend; nicht, dass das nötig wäre. Wenn sie ihren Master für Windenergietechnik in der Tasche hat, wird sie mit Sicherheit eine gute Stelle in Deutschland finden, meint sie.

"Also viele, die jetzt in der Branche arbeiten, sind ja Quereinsteiger. Und wir haben das ja von der Pieke auf gelernt. Also wir haben einen ganz großen Überblick über alles, was da vor sich geht."
Investoren müssen das Vertrauen zurückgewinnen
Holger Lange, ihr Professor, hat genauso wenig Zukunftsangst; und das, obwohl seine Stelle von einem Energie-Versorger finanziert wurde und in zwei Jahren ausläuft. Er, der den Markt seit 25 Jahren beobachtet, sagt:

"Es gab wesentlich schlimmere Szenarien in der Vergangenheit, die sich immer wieder nachher zum Guten gewendet haben."

Ohne Offshore-Windenergie sei eine Energiewende einfach unmöglich, meint er. Sobald die politischen Rahmenbedingungen geklärt sind und die Investoren ihr Vertrauen in die Branche zurückgewonnen haben, gehe es auch mit der Offshore-Industrie wieder voran.

"Da geh ich schwer von aus. Und ich lasse mich nicht mehr von lokalen, negativen Dingen beeinflussen. Dafür bin ich zu lange da tätig."

Vom Winde verweht - wie sieht es die niedersächsische Landespolitik?
Alexander Budde

Als mit "Riffgat" im August dieses Jahres der erste kommerzielle Windpark in der Nordsee eröffnet wurde, war von der anfänglichen Euphorie nur noch wenig zu spüren. Die 150 Meter hoch aus dem Meer ragenden Windschaufeln sollen Ökostrom für 120.000 Haushalte liefern. Tatsächlich aber haben sie noch keine einzige Kilowattstunde Strom produziert. Dem Windpark fehlt nämlich noch ein Teil der Stromleitung hinüber zum Festland. Der zuständige Netzbetreiber Tennet aus den Niederlanden erklärt die Verzögerung mit versenkten Munitionsresten aus den Weltkriegen, die man unerwartet entdeckt habe. Tennet geht davon aus, dass "Riffgat" frühestens im Februar 2014 an das Stromnetz angeschlossen werden kann. Auf Unverständnis stößt das beim Windpark-Betreiber, dem Oldenburger Energieunternehmen EWE:

"Denn Tennet wusste schon von Anfang an, dass dort auf der Kabeltrasse Munitionsfund bekannt sind. Wir haben unseren Zeitplan mit 14 Monaten eingehalten. Und stehen jetzt vor einem fertigen Windpark, der nicht einspeisen kann. Das ist schon sehr bedauerlich!"

20 Kilometer westlich von Jütland befindet sich Horns Rev, Dänemarks größter Offshore Windpark.
Offshore ist ein Eckpfeiler der Energiewende, meint Niedersachsens Wirtschaftsminister.© Hornsrev
Lehren aus dem Desaster ziehen
So die technische Betriebsleiterin Irina Lucke wenige Tage vor der Eröffnung in einem Interview mit dem NDR. Aus dem einstigen Vorzeigeprojekt ist ein Symbol für die Irrwege der deutschen Energiewende geworden. Darüber ärgert sich auch die niedersächsische Landesregierung: Ministerpräsident Stephan Weil, SPD, fordert als Lehre aus dem Desaster verbindliche Absprachen, um die vorhandenen und die im Bau befindlichen Windparks zügig und geordnet ans Netz zu bringen:
"Ich glaube, der Vorfall zeigt, dass eine Bundesnetzgesellschaft unter Beteiligung des Staates sehr sinnvoll wäre. Dass da eine ordnende Hand ist, die auch mit allem Nachdruck dafür sorgt, dass die Planungen rechtzeitig so umgesetzt werden, dass anschließend Alles ineinander greift."

Staatlicher Einfluss beim Netzausbau, so die Hoffnung der Befürworter, könnte in der Bevölkerung die Akzeptanz für die Kosten der Energiewende befördern - und die Dinge beschleunigen. Dabei waren es Politiker - allen voran Bundesumweltminister Altmaier -, die mit ihrer Forderung nach einer Strompreisbremse dafür sorgten, dass den Anlagenbauern der Wind nun hart entgegenschlägt. Die Energiewende werde nur gelingen, wenn es verlässliche politische Rahmenbedingungen für Investoren gibt, mahnt Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies von der SPD:

"Uns hat man an vielen Stellen gesagt, dass eigentlich Milliarden von Investoren da sind. Die würden morgen investieren, aber sie brauchen die Verlässlichkeit, dass nicht rückwirkend ins System eingegriffen wird. Und insofern brauchen wir jetzt klare Positionierung auch einer neuen Bundesregierung."

Auf einer überdimensionalen Postkarte haben die Wirtschaftsminister der fünf Küstenländer, die IG-Metall-Führung sowie acht Bürgermeister betroffener Offshore-Industriestandorte ihren Cuxhavener Offshore-Appell auf den Weg gebracht. Adressat ist die neue Bundesregierung, deren Leitlinien einer künftigen Energie- und Industriepolitik sich im schwarz-roten Verhandlungspoker gerade herausschälen. Planungssicherheit für die Offshore-Windkraft-Industrie fordern die Norddeutschen.

Die Flaute trifft vor allem Niedersachsen
Die Förderung für Windstrom im Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) müsse bis 2020 festgeschrieben werden. Vor allem Niedersachsen muss die Flaute fürchten: Allein in Cuxhaven sind 200 Millionen Euro Steuergelder in den Ausbau des dortigen Offshore-Basishafens geflossen. Auch die massiven Investitionen an anderen durch Werftensterben und Fischereikrise gebeutelten Standorten entlang der Küste sollen sich in Form Tausender Arbeitsplätze wieder auszahlen.

In der Euphorie des Aufbruchs seien die komplexen Probleme des deutschen Föderalismus schlicht unterschätzt worden, gibt Björn Thümler, Chef der CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag zu bedenken:

"Da haben auch die Länder ihren Anteil, dass es ins Stocken geraten ist. Es macht eben keinen Sinn, nur Windparks zu genehmigen, sondern man muss auch um die Ableitung sich kümmern. Da der Strom, wie wir alle wissen, in der Masse in Norddeutschland nicht gebraucht wird, müssen dann auch Länder wie Nordrhein Westfalen, Baden Württemberg, Bayern mitmachen, wenn es dann um Leitungsbau geht. Ob es am Ende immer die staatliche Keule sein muss, mit der man schwingt, wag ich zu bezweifeln."

Großes Potential vorhanden
Das große Ziel, 10 Gigawatt bis 2020 aus Windkraftanlagen im Meer zu gewinnen, ist vom Tisch. 6 Gigawatt hält SPD-Wirtschaftsminister Olaf Lies noch für erreichbar - wenn es zu einer schnellen Einigung über den Kurs der künftigen Energiepolitik kommt. Das Potential sei bei weitem nicht ausgeschöpft.

"Offshore ist einer der Eckpfeiler der Energiewende. Wenn man sieht, dass ein Windpark, den wir draußen bauen, eigentlich der Ersatz für ein großes Kraftwerk ist, dann zeigt sich natürlich mit den Perspektiven, die wir haben, dass wir den allergrößten Teil der Energieversorgung über Offshore, eine Grundversorgung, auch wirklich sicherstellen können. Deswegen brauchen wir die Kombination verschiedener erneuerbarer Energien, aber wir brauchen dringend dafür auch den Offshore-Ausbau."
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