Vom Wetter an der Costa Brava

18.12.2007
Josep Pla gilt als einer der Begründer des literarischen Katalanisch und als Meister der kleinen Form. "Das graue Heft" ist ein stilisiertes Tagebuch, dessen bezwingend schöne Eintragungen in der Zeit 1918/19 spielen. Das Buch "Der Untergang der Cala Galiota" porträtiert in drei Geschichten die Menschen an der Costa Brava.
Josep Pla ist ein leiser Schriftsteller. Umso einprägsamer ist der Ton des Katalanen: zurückgenommen, vollkommen unsentimental und oft von einer sanften Ironie durchdrungen. Seine Sprache ist sparsam instrumentiert, mitunter knapp und fast barsch, trocken, gleichwohl präzise. Seine Prosa mache, so drückt er es aus, "den Verzicht auf Emphase, den Verzicht überhaupt zu ihrem Leitfaden".

In seinen Büchern umkreist Pla immer wieder sein Heimatstädtchen Palafrugell und die Eigenarten des bäuerlichen Menschenschlages, das Provinzleben, die Gerüche, Geschmäcker und Farben der Region, die Landschaften und die eigenen seelischen Schwankungen. Auf knappem Raum erzeugt Pla Stimmungen, und es gibt kaum jemanden, der das sich unaufhörlich wandelnde Wetter der Costa Brava mit ihren gnadenlosen Winden so eindringlich beschreibt wie Josep Pla.

Bei seiner Neigung zu einer schonungslosen Selbstanalyse und zu genauen Beobachtungen verwundert es nicht, dass Plas Hauptwerk ein – freilich stark stilisiertes – Tagebuch ist. "Das graue Heft" lautet der Titel der bezwingend schönen Tagebucheintragungen, die aus der Zeit zwischen 1918 und 1919 stammen und die Jahrzehnte später von dem schriftstellerisch gereiften Verfasser noch einmal stark überarbeitet wurden, bevor sie 1962 als Buch erschienen. Zum Anlass des Katalonien-Schwerpunktes auf der diesjährigen Buchmesse hat der Suhrkamp Verlag eine gekürzte Fassung der Originalausgabe herausgebracht.

Josep Pla (1897-1981) gilt heute als der große Klassiker der katalanischen Literatur und als einer der Begründer des literarischen Katalanisch. Sein Werk umfasst 45 Bände, neben Büchern über seine Heimatregion hat er Erzählungen und Reiseberichte verfasst. "Das graue Heft" setzt ein mit einem Aufenthalt in seinem Elternhaus auf dem Land, beschreibt die Rückkehr nach Barcelona und die Wiederaufnahme des (ungeliebten) Jurastudiums, seinen Eintritt in die Kaffeehaus-Zirkel der Stadt und den Beginn seiner Arbeit als Journalist.

Pla nimmt die Position eines unbestechlichen Chronisten ein und tritt auch sich selbst eher harsch gegenüber, bezichtigt sich bestimmter Marotten und Schwächen, hadert mit seiner Unreife. "Mich herumtreiben, das ist mein Verhängnis", heißt es zum Beispiel an einer Stelle. In großartigen Porträts entwickelt er eine Genealogie seiner Familie. Bäuerliche Gebräuche und Sitten fließen mit ein, die besondere Küche des Landstrichs, aus dem Pla stammt, dann wiederum wechselt er zu Schilderungen von Barcelona, wo sich der junge Student voller Lust den Verführungen des Großstadtlebens hingibt. Untergründig wird immer auch die Frage verhandelt, was einen Schriftsteller ausmacht und welches die ästhetischen Ziele sein müssen. Für Pla geht es darum, eine möglichst klare Sprache zu entwickeln, jenseits von Manierismen und Künstlichkeit.

Plas Familie zählte zum wohlhabenden Bürgertum von Palafrugell. Als junger Mann schwankte der Schriftsteller lange zwischen seiner Verbundenheit mit dem ländlichen Leben und einer urbanen Großstadtexistenz, wie er sie als Auslandskorrespondent über Jahre hinweg pflegen sollte. Die letzten Jahrzehnte seines Lebens verbrachte er auf dem familieneigenen Gehöft in der Nähe seines Geburtsortes.

Politisch ist Pla bis heute umstritten. Er trat für die Rechte Kataloniens ein und war ein konservativer Regionalist, hatte zeitweise etwas für ultrakonservative oder sogar faschistische Tendenzen übrig, hegte große Sympathien für Mussolini und Hitler und stand auch Franco zunächst freundschaftlich gegenüber. Als Franco nach dem Bürgerkrieg Veröffentlichungen auf Katalanisch verbot, passte sich Pla an und publizierte auf Spanisch, was ihm bis heute als Verrat angekreidet wird. Unbequemlichkeiten oder finanzielle Einbußen oder gar das Exil hätte Pla wegen seiner Gesinnung nie riskiert. Linientreu war er allerdings auch nicht. Schon bald ging er auf Distanz zu Franco, weshalb er seines Amtes als Chefredakteur der Zeitung "Vanguardia" wieder enthoben wurde und als Journalist nach Italien, Deutschland und in die Sowjetunion reiste.

"Der Untergang der Cala Galiota", ebenfalls pünktlich zur Buchmesse im Berliner Berenberg Verlag erschienen, ist ein Band mit drei Geschichten, die allesamt das Meer zum Gegenstand haben. Auch die Costa Brava hat einen ganz bestimmten Menschenschlag hervorgebracht. Die Bewohner der Küste sind in allem auf das Meer bezogen: seinen Rhythmus, seine Gefahren, Hoffnungen und Versprechen. Bei der Titelerzählung handelt es sich um Gespräche mit dem Vater des Malers Dalí, einem Notar. Pla war seit seiner Jugend mit Dalí befreundet. "Einer aus Begur" ist die Geschichte eines Fischers, der im Ersten Weltkrieg von den Deutschen als Lotse eines Unterseebootes angeheuert wird. Und in der dritten Erzählung berichtet der Autor von einem Segelausflug mit einem Fischer, der mitten im Krieg Frankreich per Boot erreichen wollte, um damit seine Freunde in den Dörfern der Costa Brava zu beeindrucken. Auch in diesem Band liegt die Faszination in der sinnlichen Prägnanz der Beschreibungen. Pla war ein Meister der kleinen Form. Seine Bücher belegen, welche literarische Größe kleine Beobachtungen besitzen können.

Rezensiert von Maike Albath

Josep Pla, Das graue Heft.
Aus dem Katalanischen von Eberhard Geisler.
Suhrkamp Verlag 2007. 250 Seiten, 14, 80 Euro

Josep Pla, Der Untergang der Galiota. Geschichten vom Meer.
Aus dem Katalanischen von Teres Moser, Petra Zickmann und Angelika Maas.
Berenberg Verlag 2007, 151 Seiten, 19,00 Euro