Vom Virus genesen

Wieder gesund - doch Angst und Unsicherheit bleiben

05:48 Minuten
(Symbolfoto)
Von Corona Genesene trauen sich manchmal nicht zurück in den Alltag. Einige Mitmenschen misstrauen ihnen auch: Sind sie wirklich gesund? © imago
Von Claudia van Laack · 27.04.2020
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Von allen bisher als infiziert gemeldeten Coronapatienten in Deutschland ringen derzeit rund 30 Prozent mit der Erkrankung. Fast Zweidrittel aller statistisch Erfassten sind bereits genesen. Der Weg zurück in die Normalität ist für sie sehr schwierig.
Acht Tage auf der Intensivstation, danach weitere vier Tage auf der normalen Station. Astrid Kling-Hornig gehörte zu den schweren Covid-19-Erkrankten. Die Diagnose: beidseitige Lungenentzündung, Beatmung mit extra Sauerstoff. Jetzt sitzt die gelernte Krankenschwester auf dem Balkon ihrer Wohnung in Berlin-Rummelsburg – schwach, aber auf dem Weg der Besserung.
"Jetzt geht´s mir wieder gut, konditionsmäßig noch etwas eingeschränkt, ansonsten von der Atmung her habe ich zumindest das Gefühl, das alles gut ist."

"Die Lockerungen sehe ich zwiespältig"

Covid 19 – die Krankheit war einschneidend für die 56-jährige. Als der Krankenwagen mich abholte, war ich mir nicht sicher, ob ich noch einmal nach Hause komme, sagt sie. Das Haus verlässt sie bislang nur zu kleinen Spaziergängen, einen Laden hat sie noch nicht betreten.
"Ins normale Leben zurückkehren, ich tue mich schon schwer damit, da ist mir immer noch ein bisschen mulmig."
Astrid Kling-Horn war schwer krank. Vermutlich hat sie sich bei einer Nachbarin angesteckt. Verständlich, dass sie deshalb die Kontaktsperren, die Einschränkungen des öffentlichen Lebens begrüßt. Die derzeitigen Lockerungen sehe ich sehr zwiespältig, sagt die Krankenschwester.
"Viele gehen davon aus, dass sie es nicht haben und auch nicht kriegen. Das ist ein großer Trugschluss. Wenn man sich die Zahlen anguckt im Vergleich zu den Zahlen der Menschen, die in unserem Land leben, da sind wir ja nicht mal ansatzweise auf der sicheren Seite."

Bei der Chorprobe infiziert

Astrid Kling-Horn ist noch nicht ganz genesen, Daniel Lübbert war gar nicht richtig krank. Leichtes Fieber, erzählt der Physiker, er selber habe trotz zweiwöchiger Quarantäne niemanden in der Familie angesteckt. Nun sei er genesen und immun, ist der 49-jährige überzeugt.
"Im Moment sehe ich es als Vorteil, nutze unerschrocken die S-Bahn und trage auch keine Atem-Maske, weil ich denke: Wofür denn?"
Daniel Lübbert gehört zu den ersten Erkrankten in Berlin. Es geschah Anfang März auf einer Chorprobe: Zweieinhalb Stunden gemeinsames Singen in einem geschlossenen Raum – dicht an dicht. Eine Woche später war klar: von 78 Chorsängerinnen und Sängern hatten sich 60 infiziert.
"Wir spucken nicht mit Absicht beim Singen. Wir atmen ein und aus, und das über längere Zeit, und natürlich kommen da ein paar Tröpfchen heraus, normalerweise nicht in das Gesicht des Vordermanns oder der Vorderfrau, nur auf den Hinterkopf. Es scheint so zu sein, dass die Tröpfchen, wenn sie aerosolartig sind, länger in der Luft bleiben. Das sind Erkenntnisse, die man bislang so nicht hatte, da kann man einiges ableiten: Öfter lüften bei der Chorprobe."

Misstrauen gegenüber Genesenen

Vermutlich ein einziger Infizierter steckte 60 Personen an – diese extreme Ansteckungsgefahr bei einer Chorprobe könnte dazu führen, dass das Singen im Chor auf lange Zeit verboten bleibt. Daniel Lübbert könnte diese Einschränkung nachvollziehen. Bei allem anderen ist er skeptisch. Wir müssen die Nebenwirkungen stärker beachten, meint der Physiker und Covid-19-Genesene.
"Die wichtige Frage ist, ob diese scharfen Maßnahmen, die wir haben, die Risikogruppen wirklich effektiv schützen. Oder ob die es trotzdem kriegen, oder ob wir am Ende nur Nebenwirkungen haben - das finde ich schon schwierig."
Daniel Lübbert geht seit einiger Zeit wieder arbeiten. Er könne ja jetzt helfen und die Stellung halten, wenn andere Kollegen erkrankten. Mit dieser Einstellung ging er wieder ins Büro. Doch mit offenen Armen wurde er nicht empfangen.
"Ich habe bei der Rückkehr zur Arbeit gemerkt, da gibt es Leute, die schauen einen sehr misstrauisch an, mir wurde sogar die Frage gestellt: Einer von deinem Chor liegt noch im Krankenhaus, wie kannst du dann schon behaupten, gesund zu sein? Ich habe gedacht, okay, was hat das miteinander zu tun? Aber da gibt es weitgehende Befürchtungen, die rational nicht zu entkräften sind."

Immunität nicht erwiesen

Eine Erfahrung, die auch andere Genesene machen. Anstatt positiv aufgenommen zu werden, schlägt ihnen Misstrauen entgegen. Niels Schaaf infizierte sich bei derselben Chorprobe wie Daniel Lübbert, erkrankte ebenfalls nur leicht. Wie ein Aussätziger werde er manchmal behandelt, erzählt der Chemiker.
"Es wird auch nicht realisiert, dass eigentlich der, der die Infektion durchlaufen hat, der sicherste Kontakt ist, den man haben kann. Weil ich ja weder anstecken kann noch angesteckt werden kann."
Einhundertprozentig sicher kann man sich aber nicht sein. Die WHO sieht die Immunität nicht als erwiesen an.
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