Vom utopischen Moment der Avantgarde

Sehnsucht nach vorne

55:46 Minuten
Grafik einer angeschnittenen Sonne mit Strahlen
Aufbruch in andere Landschaften, durch Infragestellung all dessen, was musikalische Konvention heißt © Deutschlandradio / Carolin Naujocks
Von Michael Rebhahn · 27.07.2021
Um das Utopische zu denken, bedarf es einer demütigen Aufmerksamkeit. Statt das eigene Ausdrucksbedürfnis zum Maßstab künstlerischer Arbeit zu erheben, geht es darum, sich zur Gegenwart zu verhalten, um der Zukunft einen Sinn zu geben.
Musik, sagt Ernst Bloch, verhält sich seismografisch zum gesellschaftlichen Sein. Dass der Philosoph Musik als den Spiegel des Utopischen schlechthin verstand, hat nicht nur mit ihrem prozesshaften, auf etwas Kommendes verweisenden Aspekt zu tun, der eng mit dem antizipierenden Wesen des Menschen verbunden ist. Es geht auch um ein Überschreiten, gerichtet auf Verhältnisse, die noch werden – auf den Menschen, der noch wird.
Letztlich geht es in der musikalischen Praxis um die des Menschen, also um die gesellschaftliche Praxis.
Das utopische Moment einer Neuen Musik besteht darin, ihrer Funktion und Wirkung mit einem unausgesetzten methodischen Zweifel zu begegnen. Zugleich bedarf es einer im besten Sinne demütigen Aufmerksamkeit: Statt von einer "höheren Warte" aus zu kommunizieren, sich als Berufener zu fühlen und ein "Ausdrucksbedürfnis" zum Movens der künstlerischen Arbeit zu erheben, geht es darum, sich zur Gegenwart zu verhalten, um der Zukunft der Neuen Musik einen Sinn zu geben.

Sehnsucht nach vorne
Vom Utopischen Moment der Avantgarde
Von Michael Rebhahn
(Wdh. v. 27.12.2016)

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