Vom Spagghetti-Western zum Oscar-Preisträger

Von Laf Überland · 31.05.2005
Zuerst machte er es "Für eine Handvoll Dollar", dann tat er es "Für ein paar Dollar mehr", und schließlich wurde er - "Der Unerbittliche..." - Heute wird Schauspieler und Regisseur Clint Eastwood 75.
Es war wirklich umwerfend, wie dieser Mann im Bewusstsein der zornigen europäischen Jugend auftauchte. Schäbig gekleidet, voller Staub, kam er auf einer alten Mähre ganz von ferne aus einer trostlosen, vertrockneten Landschaft herausgeritten. Hager, gut aussehend, mit einem verwilderten Dreitage-Bart, ein Poncho umwehte ihn wie eine unverwundbare Aura. - So ritt er in die Stadt, der Fremde. Am Ast eines verdorrten Baumes baumelte in einer Galgenschlinge das Ortsschild - San Miguel.

Die Augen des Fremden sind scharf zusammengekniffen, in seinem Mund glimmt ein halb gerauchter Zigarillo. - Die Augen des Fremden registrieren das Böse, das sich hier ausbreitet wie Aasfliegen und Würmer in der Mergelgrube. Nach zwei Minuten erschießt er mit übermenschlicher Geschwindigkeit und unmenschlicher Coolness vier Männer. Ganz nebenbei. Ein Fremder. Ohne Namen.

Der Mann ohne Namen - ist Clint Eastwood: ein Held von echtem Schrot und Korn: aufgewachsen bei seiner Oma auf der Hühnerfarm, mit fünfzehn war er völlig introvertiert und voller Komplexe, weil er bereits 1 Meter 93 groß war. Er ging zum College - und sofort danach zum Bäumefällen in die Berge. Er wurde Bademeister, Schwimmlehrer, Bauarbeiter und Barmann in der Army. - Und schließlich stand er in der dritten Reihe in Hollywood - bei den Leuten, die auf Rollen mit mehr als zwei bis vier Sätzen warten und damit ihre Jugend verplempern. Clint Eastwood war der Realist: Also spielte er sieben Jahre lang den jugendlichen Helden der Cowboy-Serie Rawhide. Mit 34 kriegte er das Angebot aus der Spagghetti-Produktion... Und da fing Eastwoods Traum an, zu materialisieren ...

Breitbeinig stand der Monolith Clint Eastwood auf zwei Säulen: mit einem Bein auf den Spagghetti-Western, mit dem anderen auf der des Rache-Engels der Polizei von San Francisco, Inspektor Callahan gennant Dirty Harry. Und wieder tat es so unheimlich gut, dabei zu sein, wenn Eastwood (und sein Regisseur Don Siegel) völlig unmoralische Tritte in die Leistengegend austeilten: einen für die Liberalen, einen für die Anti-Liberalen. Und der zornige junge Zuschauer saß da mit den Füßen im Graben im Kreise der Auserwählten, die wussten, wie marode und verdorben die Welt tatsächlich ist. Harry Callahan und ich - auf einer Insel im Sumpf der unglaublichen Kompliziertheit - moderner Moral.

Seit Anfang der Achtziger arbeitet Clint Eastwood an etwas, das man zuerst "sein Alterswerk" nannte: Aber es stellte sich heraus, dass er nur einfach abgewartet hatte, bis er so weit war, sich das System Hollywood anzueignen: Eastwood-Style, das heißt: kompromisslos und geradlinig, und keiner redet ihm rein, außer - Eastwood erlaubt es ihm. Und er sucht sich genau die Themen, die IHN interessieren, denn er weiß: Wenn er ein Thema durchhat, dann interessiert das auch sein Publikum. Wie die Geschichte von Charlie Parker - oder das zärtliche Liebeswerben zweier Erwachsener unter den Brücken, über die obszöne Macht der Politik oder eben - Frauenboxen und Sterbehilfe, und zur Entspannung auch mal eine Altherren-Raumfahrt-Action-Klamotte. Und diese Filme schreibt er selbst, dreht sie, schneidet sie in unglaublichem Tempo - und neuerdings macht der Klavierspieler Eastwood auch die Musik selbst!
Clint Eastwood und Hilary Swank in "Million Dollar Baby"
Clint Eastwood und Hilary Swank in "Million Dollar Baby"© AP