Vom Sinn und Unsinn der Kulturhauptstädte
Die europäische Kulturhauptstadt ist ein Mega-Spektakel, bei dem ganze Stadtviertel in neuem Glanz erstrahlen. Kritiker dieser Veranstaltung bemängeln allerdings die fehlende Nachhaltigkeit. Ist das Kulturjahr vorbei, lösen sich die Organisationsstrukturen in der Regel sofort auf. Als 1985 mit Athen die erste europäische Kulturhauptstadt gekürt wurde, ging es dagegen geradezu gemächlich zu.
"In the end, with a clear voice we recommend that Essen and the Ruhr be the European Capital of Culture in 2010."
11. April 2006: Jeremy Isaacs, der Jury-Vorsitzende der EU-Kommission, kürt Essen - stellvertretend für die Ruhrregion - zur Kulturhauptstadt 2010. Auch die 26. Auflage der Kulturhauptstadtinitiative wird ein professionell organisiertes Großevent sein. Der Titel "Kulturhauptstadt Europas" ist prestigeträchtig, selbst Länder außerhalb der Europäischen Union blicken auf die gekürten Städte. Relativ unbekannt ist heute allerdings, dass die Kulturhauptstadtinitiative sehr klein und sehr beschaulich begann:
"Das war im Jahre 1985, als Athen zum ersten Mal Kulturhauptstadt geworden ist. Ein kleines Sommerevent, wenige Wochen und bei weitem nicht in dem Maße - sowohl zeitlich wie auch finanziell -, in dem heute Kulturhauptstädte organisiert werden."
Nach Jürgen Mittag, Politikwissenschaftler und Historiker vom Bochumer Institut für soziale Bewegungen, wurde der Geist der Kulturhauptstadtinitiative gerade bei den stürmischen Vorbereitungen und umtriebigen Planungen für die "Ruhr2010" vergessen. Das von ihm herausgegebene Buch "Die Idee der Kulturhauptstadt Europas" nimmt die ursprünglichen Motive der Kulturhauptstadtinitiative wieder in den Blick, aber auch die Intentionen, die hinter ihr stecken.
Dazu müssen wir zurück ins Jahr 1983: Es war die griechische Kulturministerin Melina Mercouri, die den Vorschlag zur europäischen Kulturhauptstadt lancierte, um die Kultur in Europa stark zu machen. Aus der "Initiative für ein Europa der Bürger" entwickelte sich dann aber rasch die Idee, den zugkräftigen Titel "Kulturhauptstadt" als Imagefaktor zu nutzen.
So Glasgow 1990: Die mitten im Strukturwandel steckende Industriestadt baute ganze Stadtviertel um. Ergebnis: mehr Attraktivität, mehr Zuspruch, finanzieller Gewinn. Damit setzte aber auch eine gefährliche Entwicklung ein: die gekürten Städte konzentrierten sich häufig nur auf das jeweilige Kulturjahr, zahlreiche Aktivitäten blieben einmalige Events, ohne dauerhaft zu wirken. Die Nachhaltigkeit blieb begrenzt:
"Es rekrutiert sich ein Team von Verantwortlichen, dass die Kulturhauptstadt vorbereitet, sie wird durchgeführt, und in dem Augenblick, in dem das Kulturhauptstadtjahr abgeschlossen ist, lösen sich die Strukturen in der Regel auf, das heißt, das Büro, dass das Ganze organisiert hat, existiert nicht weiter, die Materialien kommen im besten Falle in irgendein Archiv, in vielen Fällen sind sie aber einfach entsorgt worden, und relativ wenig bleibt bestehen."
Doch setzen die Städte mittlerweile stärker auf kulturelle Nachhaltigkeit. Sie versuchen, den Kulturhauptstadttitel zu erlangen, um damit Kultur erfolgreicher betreiben und dafür zusätzliche Gelder gewinnen zu können, nicht zuletzt aus privater Hand. Eine wesentliche Entwicklung, auf die die Bochumer Publikation auch aufmerksam macht:
"Der Anteil von privaten Sponsoren steigt beständig. Waren es in den ersten Jahren eigentlich nur staatliche Förderer gewesen oder staatliche Gelder, die eingesetzt wurden, so kann man in den letzten Jahren sehr genau feststellen, dass gerade private Förderer aus der Region - weniger die ganz großen Global-Player, sondern wirklich mittlere oder größere Unternehmen der Region zu Förderern geworden sind."
Diese Gelder reichen normalerweise über das eine Jahr hinaus und helfen, die Kultur in der jeweiligen Stadt dauerhafter zu etablieren. Die Kulturhauptstadtinitiative scheint also wieder allmählich zu ihren Wurzeln zurückzukehren. Dazu trägt auch bei, dass bis zum Jahre 2019 jeweils eine west- und eine osteuropäische Stadt Träger des Kulturhauptstadttitels sein werden. Für Jürgen Mittag bietet dieses Partnerstadt-Modell eine hoffnungsvolle Perspektive:
"Das ist meines Erachtens eine sehr große Chance, gerade die Frage Europa etwas stärker ins Blickfeld zu rücken und die Kooperation, wenn sie denn erfolgreich läuft, zwischen zwei Städten auch zum eigentlichen Gegenstand europäischer Integration zu machen."
Mit diesem Ansinnen sind wir dann wieder näher bei Melina Mercouri und dem Jahre 1985 als wir es in den vergangenen Jahren gewesen sind.
11. April 2006: Jeremy Isaacs, der Jury-Vorsitzende der EU-Kommission, kürt Essen - stellvertretend für die Ruhrregion - zur Kulturhauptstadt 2010. Auch die 26. Auflage der Kulturhauptstadtinitiative wird ein professionell organisiertes Großevent sein. Der Titel "Kulturhauptstadt Europas" ist prestigeträchtig, selbst Länder außerhalb der Europäischen Union blicken auf die gekürten Städte. Relativ unbekannt ist heute allerdings, dass die Kulturhauptstadtinitiative sehr klein und sehr beschaulich begann:
"Das war im Jahre 1985, als Athen zum ersten Mal Kulturhauptstadt geworden ist. Ein kleines Sommerevent, wenige Wochen und bei weitem nicht in dem Maße - sowohl zeitlich wie auch finanziell -, in dem heute Kulturhauptstädte organisiert werden."
Nach Jürgen Mittag, Politikwissenschaftler und Historiker vom Bochumer Institut für soziale Bewegungen, wurde der Geist der Kulturhauptstadtinitiative gerade bei den stürmischen Vorbereitungen und umtriebigen Planungen für die "Ruhr2010" vergessen. Das von ihm herausgegebene Buch "Die Idee der Kulturhauptstadt Europas" nimmt die ursprünglichen Motive der Kulturhauptstadtinitiative wieder in den Blick, aber auch die Intentionen, die hinter ihr stecken.
Dazu müssen wir zurück ins Jahr 1983: Es war die griechische Kulturministerin Melina Mercouri, die den Vorschlag zur europäischen Kulturhauptstadt lancierte, um die Kultur in Europa stark zu machen. Aus der "Initiative für ein Europa der Bürger" entwickelte sich dann aber rasch die Idee, den zugkräftigen Titel "Kulturhauptstadt" als Imagefaktor zu nutzen.
So Glasgow 1990: Die mitten im Strukturwandel steckende Industriestadt baute ganze Stadtviertel um. Ergebnis: mehr Attraktivität, mehr Zuspruch, finanzieller Gewinn. Damit setzte aber auch eine gefährliche Entwicklung ein: die gekürten Städte konzentrierten sich häufig nur auf das jeweilige Kulturjahr, zahlreiche Aktivitäten blieben einmalige Events, ohne dauerhaft zu wirken. Die Nachhaltigkeit blieb begrenzt:
"Es rekrutiert sich ein Team von Verantwortlichen, dass die Kulturhauptstadt vorbereitet, sie wird durchgeführt, und in dem Augenblick, in dem das Kulturhauptstadtjahr abgeschlossen ist, lösen sich die Strukturen in der Regel auf, das heißt, das Büro, dass das Ganze organisiert hat, existiert nicht weiter, die Materialien kommen im besten Falle in irgendein Archiv, in vielen Fällen sind sie aber einfach entsorgt worden, und relativ wenig bleibt bestehen."
Doch setzen die Städte mittlerweile stärker auf kulturelle Nachhaltigkeit. Sie versuchen, den Kulturhauptstadttitel zu erlangen, um damit Kultur erfolgreicher betreiben und dafür zusätzliche Gelder gewinnen zu können, nicht zuletzt aus privater Hand. Eine wesentliche Entwicklung, auf die die Bochumer Publikation auch aufmerksam macht:
"Der Anteil von privaten Sponsoren steigt beständig. Waren es in den ersten Jahren eigentlich nur staatliche Förderer gewesen oder staatliche Gelder, die eingesetzt wurden, so kann man in den letzten Jahren sehr genau feststellen, dass gerade private Förderer aus der Region - weniger die ganz großen Global-Player, sondern wirklich mittlere oder größere Unternehmen der Region zu Förderern geworden sind."
Diese Gelder reichen normalerweise über das eine Jahr hinaus und helfen, die Kultur in der jeweiligen Stadt dauerhafter zu etablieren. Die Kulturhauptstadtinitiative scheint also wieder allmählich zu ihren Wurzeln zurückzukehren. Dazu trägt auch bei, dass bis zum Jahre 2019 jeweils eine west- und eine osteuropäische Stadt Träger des Kulturhauptstadttitels sein werden. Für Jürgen Mittag bietet dieses Partnerstadt-Modell eine hoffnungsvolle Perspektive:
"Das ist meines Erachtens eine sehr große Chance, gerade die Frage Europa etwas stärker ins Blickfeld zu rücken und die Kooperation, wenn sie denn erfolgreich läuft, zwischen zwei Städten auch zum eigentlichen Gegenstand europäischer Integration zu machen."
Mit diesem Ansinnen sind wir dann wieder näher bei Melina Mercouri und dem Jahre 1985 als wir es in den vergangenen Jahren gewesen sind.