Vom schwierigen Umgang mit der Meinungsfreiheit

Von Ahmad Rashid |
Der iranische Regimekritiker Akbar Ganji ist der prominenteste Oppositionelle des Iran. Als er 2000 nach der Rückkehr von einer kritischen Iran-Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin festgenommen und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, ging dies durch die Weltpresse. Auf seiner derzeitigen Europa-Reise machte er in Bonn Station.
"Heutzutage erleben wir im Iran enorme Menschrechtsverletzungen, wir haben politische und soziale Unterdrückung und Zensur und die zahlreichen willkürlichen Verhaftungen werden fortgesetzt."

Auch nach sechs Jahren Haft gibt sich der iranische Journalist und Schriftsteller Akbar Ganji ungebrochen. Immer noch, so klagt der Intellektuelle, gäbe es im Iran eklatante Menschenrechtsverletzungen. Sichtlich abgemagert und erschöpft von den Strapazen, denen er im Gefängnis ausgesetzt war, berichtet er von drei wichtigen Oppositionellen, die das Regime in Teheran in jüngster Zeit festgenommen habe und plädiert für deren Freilassung. Doch um die Machthaber auf einen anderen Kurs zu bekommen, bedürfe es der massiven Hilfe des Auslandes. Denn die Opposition im Iran sei nicht stark genug:

"Die Oppositionsbewegung im Iran hat keine Organisation. Zudem sind in dieser Demokratiebewegung sehr viele verschiedene politische Richtungen verschiedener Couleur beteiligt, und aus diesem Grund fehlt eine Führung. Wenn wir eine solche Führung zustande bringen könnten, könnten wir die Bewegung beschleunigt nach vorne führen."

Denn das iranische Volk würde sich nach den vielen Jahren endlich nach Freiheit und Demokratie sehnen, so Ganji. Doch es ist noch gar nicht so lange her, da war der heutige Regimekritiker selber ein ausführendes Teil des herrschenden Systems. 1959 im nordiranischen Qazvin geboren, schloss er sich in jungen Jahren der Islamischen Revolution im Iran an. Er diente dem Revolutionsführer Ayatollah Khomeini als Leibwächter und war Mitglied der Revolutionsgarde Pasdaran. Als die Sturm-und-Drang-Jahre der Revolution vorbei waren, trat auch bei Akbar Ganji eine Ernüchterung ein:

"Es gibt immer eine Kluft zwischen den Erwartungen der vorrevolutionären Zeit unter den Menschen und das, was nach der Revolution realisiert wird. Khomeini erklärte in Paris vor seiner Rückkehr nach Teheran, dass wir eine Republik nach französischem Vorbild aufbauen werden. Es sollte Freiheiten geben, sogar die Kommunisten sollten frei sein, Männer und Frauen würden gleichgestellt, Presse- und Meinungsfreiheit würden herrschen, aber das, was praktiziert und realisiert wurde, war alles anderes als das."

Gandji begann dann in Teheran ein Studium der Soziologie und freundete sich in dieser Zeit mit moderner europäischer Philosophie an. Im Lichte der westlichen Aufklärung, aber auch aufgrund der eigenen Erfahrungen erkannte er die Konzeption des schiitischen Gottesstaat als falsch an. Seitdem plädiert er für eine strikte Trennung von Religion und Staat:

"Ich glaube an keine religiöse Staatsordnung. Wir benötigen weder einen religiösen Staat, noch eine staatliche Religiosität. Im Herrschaftssystem der Islamischen Republik wird vorausgesetzt, dass die Menschen unmündig seien und wie verlorene Schafe einen Hirten bräuchten. Ich glaube nicht daran. Gott hat den Menschen die Vernunft gegeben, und ich denke, dass die politische Herrschaft eine Sache der Vernunft ist, derer sich die Menschen bedienen und damit ein menschenfreundliches System aufbauen."

Doch mit diesen Äußerungen stieß der Journalist auf starke Ablehnung bei den Machthabern. Als er dann auch noch Ende der neunziger Jahre in seinen Publikationen die Verwicklung des damaligen Präsidenten Rafsandschani in den Mord an einer Gruppe intellektueller Oppositioneller aufdeckte, war sein Schicksal: Nach seiner Rückkehr von einer regimekritischen Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin im Jahre 2000 wurde er verhaftet und zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt, die er unter zum größten Teil in Einzelhaft und unter härtesten Bedingungen ertragen musste. Doch auch diese Umstände konnten den Willen des kleinen, stets freundlich lächelnden Mann nicht brechen: Er weigerte sich in der Haft, ein Gnadengesuch zu unterschreiben, das ihm die Freilassung bei gleichzeitigem Verzicht jedweder politischen Tätigkeit garantiert hätte. Denn für den siebenundvierzigjährigen ist der Kampf für demokratische und freie Verhältnisse im Iran noch lange nicht beendet. Und er kritisiert scharf die aktuelle Entwicklung in seinem Heimatland bezüglich des Atomprogramms:

"Die unvernünftige Politik, die die iranische Regierung treibt, kann das Land in die Vernichtung führen. Doch wir wollen keinen Krieg, wir wollen Frieden. Kein Krieg ist heilig. Kriege sind grundsätzlich eine organisierte Kriminalität. Statt aus Teheran Parolen für die Fortsetzung des Atomprogramms zu hören, sollte eine Stimme gehört werden, die die Entwaffnung fordert."

Doch das diktatorische Regime lasse solche Form der Kritik nicht zu, so Akbar Ganji. Genau deswegen sehe er es als seine Pflicht an, seine Stimme zu erheben. Auch wenn ihm dies nach seiner Rückkehr in den Iran eine erneute Haftstrafe einbrächte:

"Ich werde mit Sicherheit in den Iran zurückkehren. Ich habe keine gesetzeswidrigen Schritte getan. Ich habe nur meine menschliche Freiheit benutzt und das getan, was jedem Bürger zusteht, und wenn das Regime mich verhaftet und zur Rechenschaft zieht, dann wird es sich mit der zivilen Gesellschaft weltweit konfrontiert sehen. Das sind für beide Seiten die Konsequenzen: Ich werde ins Gefängnis gehen, und die müssen sich verantworten gegenüber der Weltöffentlichkeit."
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