Vom Sandalenfilm bis zu den Rolling Stones
Wer noch händeringend nach Geschenken sucht, dem seien hier einige DVD-Erscheinungen ans Herz gelegt: Die Palette reicht vom hinreißenden Historienfilm "The Libertine" mit Johnny Depp und John Malkovich, über eine Neuveröffentlichung von Godards "Außer Atem" bis zum Konzertfilm "Shine a Light" von Martin Scorsese.
"The Libertine"
Filmausschnitt "The Libertine": "Erlauben Sie mir gleich zu Gewinn ein offenes Wort."
Gerne, sehr gern, Earl of Rochester.
Filmausschnitt "The Libertine": "Ich weiß, Sie werden mich hassen."
Das Jahr 1660 - Charles II. kehrt auf den englischen Thron zurück.
"Ladies, ich gebe bekannt: Ich kann und steh für Euch immer bereit."
Die Rückkehr von Charles II. bedeutet ein Aufblühen von Theater, bildenden Künsten, Wissenschaft und Sexualität. 13 Jahre später bittet der König - gespielt von John Malkovich - seinen Freund John Wilmont, den Earl of Rochester, aus dem Exil nach London zurückzukehren. John, ein verkommener Säufer, Frauenheld und brillant-zynischer Poet, hat eine Vorliebe für Exzesse und erotische Phantasien, welche er mit Genuss und dem Hang zur Selbstzerstörung am König und der aufstrebenden Schauspielerin Elizabeth Barry - Samantha Morton - auslebt.
Filmausschnitt "The Libertine": "Ladies und Gentlemen, verneigen Sie sich! Der König! - Also, meine Pisse soll gefrieren, wenn mich nicht der königliche Finger zu sich winkt. Nein, wie aufregend."
Dieser John Wilmot alias Earl of Rochester wird gespielt von Johnny Depp. Womit die erste Verblüffung genannt sei: Ein Film mit Johnny Depp, der nun das Gegenteil von Kassengift ist, "nur" als DVD-Premiere? Erstaunlich! Und schwer nachvollziehbar, was nichts daran ändert, dass Laurence Dunmore mit seinem Regiedebüt "The Libertine" einen brillanten historischen Film gedreht hat; die DVD - ausgestattet mit einem Making of und einem Audiokommentar des Regisseurs - zeigt nicht nur einen wunderbaren Johnny Depp als genialisch verkommenes Poeten-Monster.
Etwas anderes ist ebenso faszinierend bei "The Libertine". Wir durften ja in diesem Jahr mit dem BAADER-MEINHOF-KOMPLEX einmal mehr einen historischen Film erleben, der außer der rein additiven Nacherzählung von Geschichte nicht einen Gedanken, nicht eine Idee über die Zeit, die er beschreibt, enthält. Ein vergleichsweise unspektakulärer Film wie "The Libertine" dagegen zeigt nicht nur eine aufregende Ästhetik - viele Szenen sind wie bei Kubrik in BARRY LYNDON mit Kerzenlicht gedreht -, sondern er ist auch auf wunderbare Weise besessen davon, einen analytischen Blick auf das Verhältnis von Macht, Poesie und Exzess zu werfen.
"Außer Atem"
Der Trailer - ein wenig zeitlich verdichtet - von Jean-Luc Godards Debütfilm "Außer Atem" von 1959. Godards Verbeugung vor Bogart und Hollywoods B-Filmen war von dramaturgischen und inszenatorischen Regelverstößen geprägt - wie eben auch der Trailer, der ohne irgendeinen Ton von Musik nur die Bestandteile des Films aufzählt. Man sieht die Frau - Jean Seberg -, den kleinen Gangster - Jean-Paul Belmondo -, die Knarre, ein Bild von Bogey.
"Außer Atem" - schon seit einigen Jahren auf DVD erhältlich - ist jetzt neu herausgekommen: Auf der zusätzlichen Bonus-DVD ist u. a. ein schönes und sehr ausführliches Making of von "Außer Atem" zu finden, in dem Jean-Paul Belmondo beispielsweise erzählt, welchen Eindruck er als junger Schauspieler damals - 1959 - von Godard hatte.
"Jetzt kann ich das natürlich leicht sagen", erinnert sich Belmondo, "dass er dieses gewisse Etwas hatte. Man erkennt die Menschen, die etwas in sich haben, das sie zeigen möchten. Ich dachte, der Film wird nichts. Aber ich hielt das nicht für eine wirklich schlimme Sache."
Nun, der Film ist nicht nur etwas geworden, sondern ohne Zweifel zum Klassiker avanciert.
"Der Laden"
"In Graustein, von wo wir herkommen, war alles anders. Aber jetzt, im Juni 1919, ziehen wir nach Bostom, ein Dorf in der Lausitz, an der polnischen Grenze. Mich hat man nicht gefragt, ob ich mit will, ich muss einfach. Einen Kramladen mit Bäckerei wollen meine Eltern eröffnen."
Die DVD-Edition von Joe Baiers "Der Laden"-Verfilmung nach Erwin Strittmatters Romantrilogie bietet immerhin 271 Minuten, also mehr als vier Stunden lang wunderbare Niederlausitzer Panoramen und großartige Darsteller - Martin Benrath, Dagmar Manzel, Jörg Schüttauf, Natalia Wörner u. v. a. mehr. Aber ansonsten eben nur den Film auf DVD und nicht mehr.
Das deutet auf eine Tendenz des DVD-Marktes hin: Die künstlerisch, kreativen Schübe, die sich in eindrucksvollen Editionen einmal zeigten - die Kubrik-Box, die drei "Herr der Ringe"-Filme -, sie sind in diesem Herbst ausgeblieben. Die Ausnahme, selbstredend:
die Pedro-Almodóvar-Edition.
Szene aus "Fessle mich": "Ich wollte mit dir sprechen, aber du hast mich nicht beachtet. Also musste ich dich gefangen nehmen, damit du mich näher kennen lernst. Ich bin ganz sicher, dass du mich lieben wirst. So wie ich dich liebe."
Antonio Banderas, der Victoria Abril erklärt, warum er sie in Fesseln legen musste. ÁTAME - FESSLE MICH, ein bizarres Melodram und einer der 14 Filme in der Almodóvar-Edition, bietet übrigens im Bonusmaterial u. a. ein äußerst vergnügliches Interview zwischen dem Filmemacher und dem Spanier Hollywoods, in dem sich beide scheckig lachen über die Zeit seit 1990, als "Fessle mich" herauskam und für Almodóvar wie Antonio Banderas den Durchbruch zur Weltkarriere eröffnete. Alle 14 Filme in der Edition - von "Labyrinth der Leidenschaften" [1982] bis zu "Volver" von 2005 - sind liebevoll ausgestattet. Das macht schon was her im DVD-Regal, was man ja immerhin auch erwarten kann bei einem stolzen Preis von über hundert Euro.
Sandalenfilme
Da es jetzt gnadenlos aufs Fest zugeht, erzwingt das sozusagen naturnotwendig im Fernsehen die großen Sandalenepen aus römischer und frühchristlicher Zeit, alle Jahre wieder, gebetsmühlenartig, oder wie immer man will. Interessant ist es aber, sich noch einmal zu vergewissern, dass Sandalenfilme wie "Ben Hur" oder "Quo Vadis" in den fünfziger Jahren eine wichtige filmhistorische Bedeutung hatten, mit dem die großen Hollywood-Studios dem Pantoffelkino Einhalt zu gebieten suchten.
"Quo Vadis" - 1951 im Kino - ist jetzt in einer 2-DVD-Special-Edition herausgekommen, die neben einem filmhistorischen Audiokommentar die mehr als eine Stunde lange Dokumentation: "Am Anfang: Quo Vadis und die Genesis eines biblischen Epos" enthält. Wo man nicht nur erfährt, dass ursprünglich Gregory Peck die Rolle von Robert Taylor und Elisabeth Taylor die von Deborah Kerr spielte sollte, dass das römische Filmstudio Cinecitta von 1946 bis 48 allein für "Quo Vadis" wiederaufgebaut wurde, sondern auch, warum Peter Ustinov zu seiner Rolle des durchgeknallten Kaisers Nero kam.
Richard B. Jewell: "Zu der Zeit wollten die Studios so viele britische Schauspieler wie möglich, um mit deren Akzent einen exotischen Touch zu erzeugen."
Erklärt der Filmhistoriker Richard B. Jewell auf der Bonus-DVD von "Quo Vadis".
"Shine a Light"
Wem an diesem Hollywood-Bibel-Schmachtfetzen - ohne Frage grandios, sprich monumental inszeniert - allerdings die Frömmelei auf die Nerven geht und nicht das Alter, sollte zum Fest wahlweise zu einer anderen DVD greifen und einer erheblich in die Jahre gekommenen Uralt-WG bei dem zuschauen, was sie seit 40 Jahren am besten kann: Rock 'n' Roll machen nämlich. Martin Scorseses Rolling-Stones-Konzertfilm "Shine a Light" erzeugt nämlich genau diesen Eindruck: Die Herren sehen teilweise aus wie zerknitterte ägyptische Mumien, könnten also ohne Probleme Hauptfiguren in einem alten Monumentalfilm sein, aber die Dynamik und Energie auf der Bühne, die entfachen, sucht immer noch seinesgleichen. Also Kerzen an, Lebkuchen oder Nüsschen zur Hand, und die Anlage am DVD-Player nach gaaaanz rechts drehen.
Filmausschnitt "The Libertine": "Erlauben Sie mir gleich zu Gewinn ein offenes Wort."
Gerne, sehr gern, Earl of Rochester.
Filmausschnitt "The Libertine": "Ich weiß, Sie werden mich hassen."
Das Jahr 1660 - Charles II. kehrt auf den englischen Thron zurück.
"Ladies, ich gebe bekannt: Ich kann und steh für Euch immer bereit."
Die Rückkehr von Charles II. bedeutet ein Aufblühen von Theater, bildenden Künsten, Wissenschaft und Sexualität. 13 Jahre später bittet der König - gespielt von John Malkovich - seinen Freund John Wilmont, den Earl of Rochester, aus dem Exil nach London zurückzukehren. John, ein verkommener Säufer, Frauenheld und brillant-zynischer Poet, hat eine Vorliebe für Exzesse und erotische Phantasien, welche er mit Genuss und dem Hang zur Selbstzerstörung am König und der aufstrebenden Schauspielerin Elizabeth Barry - Samantha Morton - auslebt.
Filmausschnitt "The Libertine": "Ladies und Gentlemen, verneigen Sie sich! Der König! - Also, meine Pisse soll gefrieren, wenn mich nicht der königliche Finger zu sich winkt. Nein, wie aufregend."
Dieser John Wilmot alias Earl of Rochester wird gespielt von Johnny Depp. Womit die erste Verblüffung genannt sei: Ein Film mit Johnny Depp, der nun das Gegenteil von Kassengift ist, "nur" als DVD-Premiere? Erstaunlich! Und schwer nachvollziehbar, was nichts daran ändert, dass Laurence Dunmore mit seinem Regiedebüt "The Libertine" einen brillanten historischen Film gedreht hat; die DVD - ausgestattet mit einem Making of und einem Audiokommentar des Regisseurs - zeigt nicht nur einen wunderbaren Johnny Depp als genialisch verkommenes Poeten-Monster.
Etwas anderes ist ebenso faszinierend bei "The Libertine". Wir durften ja in diesem Jahr mit dem BAADER-MEINHOF-KOMPLEX einmal mehr einen historischen Film erleben, der außer der rein additiven Nacherzählung von Geschichte nicht einen Gedanken, nicht eine Idee über die Zeit, die er beschreibt, enthält. Ein vergleichsweise unspektakulärer Film wie "The Libertine" dagegen zeigt nicht nur eine aufregende Ästhetik - viele Szenen sind wie bei Kubrik in BARRY LYNDON mit Kerzenlicht gedreht -, sondern er ist auch auf wunderbare Weise besessen davon, einen analytischen Blick auf das Verhältnis von Macht, Poesie und Exzess zu werfen.
"Außer Atem"
Der Trailer - ein wenig zeitlich verdichtet - von Jean-Luc Godards Debütfilm "Außer Atem" von 1959. Godards Verbeugung vor Bogart und Hollywoods B-Filmen war von dramaturgischen und inszenatorischen Regelverstößen geprägt - wie eben auch der Trailer, der ohne irgendeinen Ton von Musik nur die Bestandteile des Films aufzählt. Man sieht die Frau - Jean Seberg -, den kleinen Gangster - Jean-Paul Belmondo -, die Knarre, ein Bild von Bogey.
"Außer Atem" - schon seit einigen Jahren auf DVD erhältlich - ist jetzt neu herausgekommen: Auf der zusätzlichen Bonus-DVD ist u. a. ein schönes und sehr ausführliches Making of von "Außer Atem" zu finden, in dem Jean-Paul Belmondo beispielsweise erzählt, welchen Eindruck er als junger Schauspieler damals - 1959 - von Godard hatte.
"Jetzt kann ich das natürlich leicht sagen", erinnert sich Belmondo, "dass er dieses gewisse Etwas hatte. Man erkennt die Menschen, die etwas in sich haben, das sie zeigen möchten. Ich dachte, der Film wird nichts. Aber ich hielt das nicht für eine wirklich schlimme Sache."
Nun, der Film ist nicht nur etwas geworden, sondern ohne Zweifel zum Klassiker avanciert.
"Der Laden"
"In Graustein, von wo wir herkommen, war alles anders. Aber jetzt, im Juni 1919, ziehen wir nach Bostom, ein Dorf in der Lausitz, an der polnischen Grenze. Mich hat man nicht gefragt, ob ich mit will, ich muss einfach. Einen Kramladen mit Bäckerei wollen meine Eltern eröffnen."
Die DVD-Edition von Joe Baiers "Der Laden"-Verfilmung nach Erwin Strittmatters Romantrilogie bietet immerhin 271 Minuten, also mehr als vier Stunden lang wunderbare Niederlausitzer Panoramen und großartige Darsteller - Martin Benrath, Dagmar Manzel, Jörg Schüttauf, Natalia Wörner u. v. a. mehr. Aber ansonsten eben nur den Film auf DVD und nicht mehr.
Das deutet auf eine Tendenz des DVD-Marktes hin: Die künstlerisch, kreativen Schübe, die sich in eindrucksvollen Editionen einmal zeigten - die Kubrik-Box, die drei "Herr der Ringe"-Filme -, sie sind in diesem Herbst ausgeblieben. Die Ausnahme, selbstredend:
die Pedro-Almodóvar-Edition.
Szene aus "Fessle mich": "Ich wollte mit dir sprechen, aber du hast mich nicht beachtet. Also musste ich dich gefangen nehmen, damit du mich näher kennen lernst. Ich bin ganz sicher, dass du mich lieben wirst. So wie ich dich liebe."
Antonio Banderas, der Victoria Abril erklärt, warum er sie in Fesseln legen musste. ÁTAME - FESSLE MICH, ein bizarres Melodram und einer der 14 Filme in der Almodóvar-Edition, bietet übrigens im Bonusmaterial u. a. ein äußerst vergnügliches Interview zwischen dem Filmemacher und dem Spanier Hollywoods, in dem sich beide scheckig lachen über die Zeit seit 1990, als "Fessle mich" herauskam und für Almodóvar wie Antonio Banderas den Durchbruch zur Weltkarriere eröffnete. Alle 14 Filme in der Edition - von "Labyrinth der Leidenschaften" [1982] bis zu "Volver" von 2005 - sind liebevoll ausgestattet. Das macht schon was her im DVD-Regal, was man ja immerhin auch erwarten kann bei einem stolzen Preis von über hundert Euro.
Sandalenfilme
Da es jetzt gnadenlos aufs Fest zugeht, erzwingt das sozusagen naturnotwendig im Fernsehen die großen Sandalenepen aus römischer und frühchristlicher Zeit, alle Jahre wieder, gebetsmühlenartig, oder wie immer man will. Interessant ist es aber, sich noch einmal zu vergewissern, dass Sandalenfilme wie "Ben Hur" oder "Quo Vadis" in den fünfziger Jahren eine wichtige filmhistorische Bedeutung hatten, mit dem die großen Hollywood-Studios dem Pantoffelkino Einhalt zu gebieten suchten.
"Quo Vadis" - 1951 im Kino - ist jetzt in einer 2-DVD-Special-Edition herausgekommen, die neben einem filmhistorischen Audiokommentar die mehr als eine Stunde lange Dokumentation: "Am Anfang: Quo Vadis und die Genesis eines biblischen Epos" enthält. Wo man nicht nur erfährt, dass ursprünglich Gregory Peck die Rolle von Robert Taylor und Elisabeth Taylor die von Deborah Kerr spielte sollte, dass das römische Filmstudio Cinecitta von 1946 bis 48 allein für "Quo Vadis" wiederaufgebaut wurde, sondern auch, warum Peter Ustinov zu seiner Rolle des durchgeknallten Kaisers Nero kam.
Richard B. Jewell: "Zu der Zeit wollten die Studios so viele britische Schauspieler wie möglich, um mit deren Akzent einen exotischen Touch zu erzeugen."
Erklärt der Filmhistoriker Richard B. Jewell auf der Bonus-DVD von "Quo Vadis".
"Shine a Light"
Wem an diesem Hollywood-Bibel-Schmachtfetzen - ohne Frage grandios, sprich monumental inszeniert - allerdings die Frömmelei auf die Nerven geht und nicht das Alter, sollte zum Fest wahlweise zu einer anderen DVD greifen und einer erheblich in die Jahre gekommenen Uralt-WG bei dem zuschauen, was sie seit 40 Jahren am besten kann: Rock 'n' Roll machen nämlich. Martin Scorseses Rolling-Stones-Konzertfilm "Shine a Light" erzeugt nämlich genau diesen Eindruck: Die Herren sehen teilweise aus wie zerknitterte ägyptische Mumien, könnten also ohne Probleme Hauptfiguren in einem alten Monumentalfilm sein, aber die Dynamik und Energie auf der Bühne, die entfachen, sucht immer noch seinesgleichen. Also Kerzen an, Lebkuchen oder Nüsschen zur Hand, und die Anlage am DVD-Player nach gaaaanz rechts drehen.