Vom Rind lernen
Biogasanlagen und Rinder haben oberflächlich gesehen nichts miteinander zu tun. Das eine ein Riesen-Metallbottich, in dem Pflanzen und Lebensmittelreste vergoren werden – und das andere ein Tier, das auf der Wiese steht und den ganzen Tag frisst und wiederkäut.
Trotz dieser scheinbaren Gegensätzlichkeit kamen Leipziger Wissenschaftler auf die Idee, Rinder und Biogasanlagen miteinander zu vergleichen. Denn im Fermenter, also im Metallbottich, läuft derselbe Prozess ab wie im Kuhmagen: Es bilden sich große Gasmengen. Bei dem einen gewollt, bei dem anderen ungewollt. Und sowohl Kuh als auch Reaktor haben ein und dasselbe Problem: Unkontrollierte Schaumbildung. Kann der Biogasanlagen-Betreiber vom Milchbauern etwas lernen?
"Vor uns sehen sie hier hinter dem Betriebsgebäude die Spitzen der beiden Faultürme. Dort drin geschieht der eigentliche Biogasprozess. In den Türmen entsteht das Gas, von dort weicht das Gas über eine der beiden Leitungen unterirdisch geführt in unsere Haupthalle. Dort stehen die Gasmotoren, in denen wir das Gas dann in Strom und Wärme umwandeln."
Patrik Pfeffer betreibt eine Biogasanlage in der Nähe von Nürnberg. Eine der kompliziertesten, wie er sagt. Er vergärt Lebensmittelabfälle. Das ist die Königsdisziplin, heißt es in der Branche. Denn mit diesen Abfällen ist die Methanbildung nur sehr schwer kontrollierbar.
"Sie müssen sich das so vorstellen: Die Fahrzeuge fahren hier rein, schütten die Abfälle in diese Bunker, unter dem Bunker ist ein Band, das das Ganze erst mal wegbefördert und am Ende dieses Bunkers im Keller mit einer Walze zerkleinert."
Später landen die zerkleinerten Lebensmittel im Biogasreaktor, wo Bakterien den Gärprozess in Gang halten. Beim Rind läuft das ähnlich ab, erklärt der Mikrobiologe Jürgen Neuhaus:
"Im oberen Bereich des Pansens ist eine große Gasblase, wo die Gase, die sich bilden, gesammelt werden. Und damit die Gase abgeführt werden können, rülpst die Kuh alle ein bis zwei Minuten mal. Ein Teil des Gases geht auch über den Darm raus, aber das ist relativ wenig."
Jürgen Neuhaus steht 300 Kilometer nördlich von Nürnberg im weißen Kittel in einem Kuhstall. Der befindet sich auf dem Institutsgelände der Veterinärwissenschaftlichen Klinik von Leipzig. Vor ihm liegt ein Rind. Das Tier sieht mitgenommen aus und atmet schwer. Vermutlich hat es zuviel Schaum im Magen. Jürgen Neuhaus vergleicht mit der Wissenschaftlerin Lucie Möller Kuhmägen und Biogasanlagen. Sie wollen den Ursachen für den unerwünschten Schaum auf den Grund zu gehen:
"Man muss sich sehr damit beschäftigen, was an Substraten gefüttert wurde oder was da umgestellt worden ist. Die Ursachenforschung ist Bestandteil unserer Arbeit."
Kühe werden gefüttert. Biogasanlagen werden gefüttert. Nicht nur das Vokabular ähnelt sich. Auch die Prozesse im Magen und im Metallbottich, dem so genannten Fermenter. Es wird sehr viel Methan gebildet und mitunter auch sehr viel Schaum. Der kann ganze Anlage still legen. Das Rind könnte lebensbedrohlich erkranken.
Biogasanlagenbetreiber Patrick Pfeffer arbeitet mit den Leipziger Wissenschaftlern zusammen, um vom Rind zu lernen. Regelmäßig schickt er Proben aus seiner Anlage ans Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung zur Analyse nach Leipzig. Denn Schaumereignisse habe er schon einige gehabt und die würden mächtig ins Geld gehen:
"Also ein heftiges Schaumereignis führt bei der jetzigen Produktion zu einem Einbruch von 30, 40 Prozent."
80 Prozent der Müllvergärungsanlagen haben Probleme mit der Schaumbildung, fand die Ingenieurin Lucie Möller heraus. Anlagen, die nachwachsende Rohstoffe vergären, sind weniger betroffen:
"Also es ist oft sehr schwierig festzustellen, was die genaue Ursache ist, und meistens hängt das damit zusammen, dass man falsche Substrate in falschen Mengen füttert."
In falschen Mengen heißt: zu viel und zu schnell. Das Rind steuert das selbst und nimmt sich viel Zeit zum Fressen. Ein erstes Resultat der Forscher: Auch Biogasanlagen sollten viele kleine Mengen über den Tag verteilt bekommen.
"Heißt, eine Biogasanlage sollte mindestens acht bis 24 Mal am Tag gefüttert werden."
Außerdem muss der Anlagenbetreiber alles im Blick haben. Temperatur, Zugabe der Substrate, PH-Wert. Neue Anlagen sind mit entsprechender Messtechnik ausgestattet. Bei älteren hat der Betreiber alles im Blick. Und er sollte darauf achten, was gefüttert wird. Proteinreiche Substrate und Schleimstoffe können zuviel Schaum bilden, sagt Wissenschaftlerin Lucie Möller. Auch fein gemahlenes Getreide und Hefenprodukte. Ebenso Schimmel, der sich oft in der Silage verbirgt.
Mikrobiologe Jürgen Neuhaus sieht ein weiteres grundsätzliches Problem. Einige Biogasanlagenbetreiber würden in den Reaktor reinkippen, was gärt – mit dem Ziel, so viel Strom wie möglich zu produzieren. Ein Kollaps sei hier vorprogrammiert:
"Das ist nicht ganz unproblematisch, weil es hauptsächlich ums Geld geht und der Biogasanlagen-Betreiber natürlich das Substrat reinmacht, was er gerade kriegen kann. Und da muss man aufpassen. Wie bei einer Kuh, die es gewohnt ist, immer das gleiche Futter zu sich zu nehmen, ist es auch bei einer Biogasanlage wichtig, wenn jetzt Futterumstellungen gemacht werden müssen, dass die ganz behutsam gemacht werden. Weil die Mikrobiologie, also die Bakterien und Protozonen, die im Fermenter drin sind, die können sich nur ganz schwer umstellen."
Kommt es zu Schaumproblemen, helfen Kuh und Biogasreaktor ähnliche Mittel. Rapsöl zum Beispiel. Industriell hergestellte Schaumstopper wirken je nach Biogasanlage unterschiedlich, weiß Patrick Pfeffer:
"Wir haben jetzt schon Prozessverbesserungen eingeführt, so dass wir die Schaumereignisse zwar nach wie vor haben, aber wir können sie besser kontrollieren. Also die Heftigkeit geht zurück."
Kürzlich hat er ein kleines Labor im Bürotrakt eingerichtet. Durch ständige Kontrollen seien die Schaumprobleme in seiner Anlage stark zurückgegangen. Wirklich berechenbar wird seine Anlage aber nie sein, weiß er. Die ist nun mal wie ein eigener Organismus. Wie der Magen einer Kuh oder wie sein eigener. Auch der braucht die richtigen Bakterien, um gut zu funktionieren.
"Vor uns sehen sie hier hinter dem Betriebsgebäude die Spitzen der beiden Faultürme. Dort drin geschieht der eigentliche Biogasprozess. In den Türmen entsteht das Gas, von dort weicht das Gas über eine der beiden Leitungen unterirdisch geführt in unsere Haupthalle. Dort stehen die Gasmotoren, in denen wir das Gas dann in Strom und Wärme umwandeln."
Patrik Pfeffer betreibt eine Biogasanlage in der Nähe von Nürnberg. Eine der kompliziertesten, wie er sagt. Er vergärt Lebensmittelabfälle. Das ist die Königsdisziplin, heißt es in der Branche. Denn mit diesen Abfällen ist die Methanbildung nur sehr schwer kontrollierbar.
"Sie müssen sich das so vorstellen: Die Fahrzeuge fahren hier rein, schütten die Abfälle in diese Bunker, unter dem Bunker ist ein Band, das das Ganze erst mal wegbefördert und am Ende dieses Bunkers im Keller mit einer Walze zerkleinert."
Später landen die zerkleinerten Lebensmittel im Biogasreaktor, wo Bakterien den Gärprozess in Gang halten. Beim Rind läuft das ähnlich ab, erklärt der Mikrobiologe Jürgen Neuhaus:
"Im oberen Bereich des Pansens ist eine große Gasblase, wo die Gase, die sich bilden, gesammelt werden. Und damit die Gase abgeführt werden können, rülpst die Kuh alle ein bis zwei Minuten mal. Ein Teil des Gases geht auch über den Darm raus, aber das ist relativ wenig."
Jürgen Neuhaus steht 300 Kilometer nördlich von Nürnberg im weißen Kittel in einem Kuhstall. Der befindet sich auf dem Institutsgelände der Veterinärwissenschaftlichen Klinik von Leipzig. Vor ihm liegt ein Rind. Das Tier sieht mitgenommen aus und atmet schwer. Vermutlich hat es zuviel Schaum im Magen. Jürgen Neuhaus vergleicht mit der Wissenschaftlerin Lucie Möller Kuhmägen und Biogasanlagen. Sie wollen den Ursachen für den unerwünschten Schaum auf den Grund zu gehen:
"Man muss sich sehr damit beschäftigen, was an Substraten gefüttert wurde oder was da umgestellt worden ist. Die Ursachenforschung ist Bestandteil unserer Arbeit."
Kühe werden gefüttert. Biogasanlagen werden gefüttert. Nicht nur das Vokabular ähnelt sich. Auch die Prozesse im Magen und im Metallbottich, dem so genannten Fermenter. Es wird sehr viel Methan gebildet und mitunter auch sehr viel Schaum. Der kann ganze Anlage still legen. Das Rind könnte lebensbedrohlich erkranken.
Biogasanlagenbetreiber Patrick Pfeffer arbeitet mit den Leipziger Wissenschaftlern zusammen, um vom Rind zu lernen. Regelmäßig schickt er Proben aus seiner Anlage ans Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung zur Analyse nach Leipzig. Denn Schaumereignisse habe er schon einige gehabt und die würden mächtig ins Geld gehen:
"Also ein heftiges Schaumereignis führt bei der jetzigen Produktion zu einem Einbruch von 30, 40 Prozent."
80 Prozent der Müllvergärungsanlagen haben Probleme mit der Schaumbildung, fand die Ingenieurin Lucie Möller heraus. Anlagen, die nachwachsende Rohstoffe vergären, sind weniger betroffen:
"Also es ist oft sehr schwierig festzustellen, was die genaue Ursache ist, und meistens hängt das damit zusammen, dass man falsche Substrate in falschen Mengen füttert."
In falschen Mengen heißt: zu viel und zu schnell. Das Rind steuert das selbst und nimmt sich viel Zeit zum Fressen. Ein erstes Resultat der Forscher: Auch Biogasanlagen sollten viele kleine Mengen über den Tag verteilt bekommen.
"Heißt, eine Biogasanlage sollte mindestens acht bis 24 Mal am Tag gefüttert werden."
Außerdem muss der Anlagenbetreiber alles im Blick haben. Temperatur, Zugabe der Substrate, PH-Wert. Neue Anlagen sind mit entsprechender Messtechnik ausgestattet. Bei älteren hat der Betreiber alles im Blick. Und er sollte darauf achten, was gefüttert wird. Proteinreiche Substrate und Schleimstoffe können zuviel Schaum bilden, sagt Wissenschaftlerin Lucie Möller. Auch fein gemahlenes Getreide und Hefenprodukte. Ebenso Schimmel, der sich oft in der Silage verbirgt.
Mikrobiologe Jürgen Neuhaus sieht ein weiteres grundsätzliches Problem. Einige Biogasanlagenbetreiber würden in den Reaktor reinkippen, was gärt – mit dem Ziel, so viel Strom wie möglich zu produzieren. Ein Kollaps sei hier vorprogrammiert:
"Das ist nicht ganz unproblematisch, weil es hauptsächlich ums Geld geht und der Biogasanlagen-Betreiber natürlich das Substrat reinmacht, was er gerade kriegen kann. Und da muss man aufpassen. Wie bei einer Kuh, die es gewohnt ist, immer das gleiche Futter zu sich zu nehmen, ist es auch bei einer Biogasanlage wichtig, wenn jetzt Futterumstellungen gemacht werden müssen, dass die ganz behutsam gemacht werden. Weil die Mikrobiologie, also die Bakterien und Protozonen, die im Fermenter drin sind, die können sich nur ganz schwer umstellen."
Kommt es zu Schaumproblemen, helfen Kuh und Biogasreaktor ähnliche Mittel. Rapsöl zum Beispiel. Industriell hergestellte Schaumstopper wirken je nach Biogasanlage unterschiedlich, weiß Patrick Pfeffer:
"Wir haben jetzt schon Prozessverbesserungen eingeführt, so dass wir die Schaumereignisse zwar nach wie vor haben, aber wir können sie besser kontrollieren. Also die Heftigkeit geht zurück."
Kürzlich hat er ein kleines Labor im Bürotrakt eingerichtet. Durch ständige Kontrollen seien die Schaumprobleme in seiner Anlage stark zurückgegangen. Wirklich berechenbar wird seine Anlage aber nie sein, weiß er. Die ist nun mal wie ein eigener Organismus. Wie der Magen einer Kuh oder wie sein eigener. Auch der braucht die richtigen Bakterien, um gut zu funktionieren.