Vom Revoluzzer zum Verbannten

Von Peter B. Schumann · 18.08.2011
1961 wurde Guillermo Cabrera Infante von den Kommunisten aus Kuba "weggelobt", weil er zu kritisch war. Bis heute sind seine Werke in Kuba wenig bekannt. Nun erscheint ein 300-seitiges Werk über sein Leben, das der Verlag des Kubanischen-Schriftsteller-Verbandes herausgegeben hat.
Er gehörte jahrzehntelang zu den verfemten Intellektuellen, denn er hatte schon früh, 1965, mit der Revolution gebrochen und sich in einen der schärfsten Kritiker der Politik Fidel Castros verwandelt. Das Regime reagierte auf bewährte Weise und strich seinen Namen aus der Literaturgeschichte, sperrte seine Bücher in den Giftschrank, verbot deren Lektüre. Einer der wichtigsten kubanischen Autoren ist für viele Kubaner heute ein nahezu Unbekannter. Amir Valle, Schriftsteller und Dissident in Berlin:

"Cabrera Infante wird bis heute nur heimlich in Kuba gelesen von jenen, die an eines seiner Bücher gelangen können. Ich erinnere mich, dass die jungen Leute in meinen literarischen Werkstätten von ihm entweder keine Ahnung hatten oder nur wussten, dass er in den 60er-Jahren das Land verlassen hatte."

Guillermo Cabrera Infante unterstützte zunächst die Revolution im Kampf gegen die Diktatur Batista und leitete nach dem Sieg die Kulturzeitschrift "Lunes de Revolución". Er gehörte zu einer Gruppe von Intellektuellen, die glaubten, eine liberale Insel innerhalb des revolutionären Aufbruchs bilden zu können. Aber sehr rasch wurde die Kultur in den Dienst des politischen Projektes gestellt und verboten, was dem widersprach wie beispielsweise "Lunes de Revolución". Guillermo Cabrera Infante:

"Mitte 1961 wurde mir klar, was in Kuba passierte. Ich sah den Stalinismus heraufziehen, der auch später eintrat. Und ich wurde nach dem Verbot der Zeitschrift arbeitslos. Die Regierung stand vor einem Dilemma: sie hätte mich in die Provinz schicken können, aber sie wollte mich loswerden und schickte mich an die Botschaft nach Brüssel. Das war für sie wie die andere Seite des Mondes, wie Sibirien. Und auch ich wusste nicht einmal, was für eine Sprache in Belgien gesprochen wurde. "

Der Schriftsteller entschied sich endgültig für Europa, nachdem er auf der Insel keine Zukunft mehr sah. Bis zu seinem Tod 2005 lebte er in Großbritannien. Sein Bruch mit Kuba war so total, dass er immer wieder öffentlich bekannte: "Ich bin Engländer", nachdem er die englische Staatsbürgerschaft erhalten hatte. Die Kubanische Revolution war für ihn nichts anderes als eine Diktatur, und er verbot ihr jegliche Publikation seiner Werke. Aus Protest ging er sogar zeitweise dazu über, auf englisch zu schreiben. Dennoch schuf hier seine bedeutendsten Bücher über Kuba wie zum Beispiel "Tres Tristes Tigres/ Drei traurige Tiger". Seine wichtigste politische Abrechnung erfolgte 1992 in dem Band "Mea Kuba/ Ich scheiße auf Kuba".

Nun, nach 40 Jahren des Schweigens über Cabrera Infante, erscheint im Verlag des Kubanischen-Schriftsteller-Verbandes UNEAC ein 300 Seiten starkes Werk über den Verbannten mit dem etwas gewundenen Titel: "Über die Schritte des Chronisten: die intellektuelle Tätigkeit Guillermo Cabrera Infantes in Kuba bis 1965". Seine beiden Autoren Elizabeth Mirabal und Carlos Velazco, zwei junge Journalisten, haben dafür bereits den Essay-Preis der UNEAC erhalten.

"Das Buch enthält unter anderem. wenig bekannte Aspekte seines Lebens, beispielsweise seine Arbeit als Berater des Filminstituts und als Reporter auf den internationalen Reisen Fidel Castros nach dem Guerrilla-Sieg."

So Carlos Velazco. Die Autoren versuchen vor allem seine Rolle als Unterstützer der Revolution in den ersten Aufbaujahren zu verdeutlichen. Sie beschäftigen sich aber auch mit seinen Beiträgen als Filmkritiker und als Journalist. Ist dies der Versuch der Rettung eines Abtrünnigen? Leonardo Padura, heute Kubas bedeutendster, auf der Insel lebender Schriftsteller:

"Es ist eine wissenschaftliche Revision des frühen Werks und Lebens von Guillermo Cabrera Infante. Und ein Zeichen der Veränderung der offiziellen kubanischen Politik gegenüber Autoren, die aus Kuba weggingen und zum Teil erbitterte Feinde des Systems wurden. Ihre Bedeutung für die Kubanische Literatur wird neu bewertet, wie es längst hätte geschehen müssen."

Leonardo Padura hat selbst im letzten Jahr den Trotzki-Roman "Der Mann, der Hunde liebte" in Kuba veröffentlicht. Eine ungewöhnliche Abrechnung mit dem Stalinismus, auch mit dem kubanischen, und der große Roman der Enttäuschung über die Revolution. Er erschien zwar nur in einer relativ geringen Auflage von 4000 Exemplaren und wurde von den offiziellen Medien nahezu totgeschwiegen. Aber der Staatsverlag hat ihn publiziert. Das ist kubanische Taktik: vorwagen, doch nicht zu weit gehen. Auch auf das Buch über Guillermo Cabrera Infante trifft das zu. Dennoch darf dieser erste Schritt der vorsichtigen Rehabilitierung von einem der bedeutendsten Schriftsteller der Insel auch für das Ausland bestimmt sein. Der Berliner Kubaner Amir Valle:

"Es ist auch eine Botschaft an die internationale Linke, eine Bastion, deren Unterstützung nachgelassen hat. Sie stellt jedoch eine ungemein starke publizistische Macht dar, die man keinesfalls verlieren will."

Diese kulturelle Image-Pflege hindert die Castro-Brüder andererseits nicht daran, gegen die politische Opposition im Land hart vorzugehen. Am letzten Sonntag wurden die "Damen in Weiß", die Angehörigen politischer Häftlinge, gewaltsam an ihrem friedlichen Versuch gehindert, die Kathedrale in Santiago de Kuba zu besuchen. Und dem Schriftsteller Angel Santiesteban drohen 15 Jahre Gefängnis, weil er in seinem Blog beschrieben hat, wie der Staatssicherheitsdienst die Intellektuellen unterwandert.