Vom Rapper zum Poeten

Von Marcus Weber · 02.08.2006
Früher ließ er seine Verse vor hüpfenden HipHop-Kids vom Stapel, jetzt liest er bei literarischen Kolloquien und an der Pariser Sorbonne: Bastian Böttcher. Für Harald Schmidt ist er "Deutschlands Rap-Poet Nr.1". Der gebürtige Bremer Böttcher freut sich jedoch am meisten über einen Eintrag in einer der wichtigsten deutschen Lyrik-Anthologien, dem "Neuen Conrady".
"Ja, also Name: Bas Böttcher. Und ich arbeite als Poet und MC. Reisender Dichter."

Mit großen Schritten steigt Bastian Böttcher auf die Bühne. Die Jacke noch übergeworfen, die Tasche über der Schulter. Er stellt das Mikrofon etwas höher, passend auf seine 1,95 Meter, streift sich durch die kurzen, braunen Haare. Dann geht es los.

"Dieses Gedicht ist eigentlich gar nicht fürs Buch geschrieben gewesen, sondern für eine echte Frau. Das Problem war nur, dass diese Dame leider kein Deutsch verstand, und ich musste ihr ein Gedicht auf Chinesisch schreiben. Und da dass ja nun mal die Weltsprache Nummer 1 ist, denke ich, es wird für euch kein Problem sein, wenn ich dieses 10 Minuten Epos jetzt an dieser Stelle noch kurz bringe." [Lachen im Publikum]

Ein Gedicht, sagt der 31-jährige Bas Böttcher, hat eine äußere Hülle und einen inneren Kern. Und zunächst, von außen, muss es glitzern und funkeln und Energie versprühen. Nur dann könne es einen Zuhörer verführen, auch sein Inneres zu entdecken.

"Ich wank an deiner Bungalow-Wand lang und sing nen Sting Song. Klingel 'dingdong' an deinem Eingang. Ich wag einen Alleingang und senke die Klinke. Es ist zu. - Zu dumm! - Ich denke: Bingo! Denn krumme Langfingerdinger drehen war eh noch nie mein Ding. Ich schwing wie King Kong aus’m Bungalowwindfang. Gefang’ von deinem Look guck ich unter’n Vorhang ..."

Bas Böttchers Bühnenkarriere begann vor zehn Jahren - und zwar mit Musik. Auf einer Schul-Exkursion nach Paris lernte er seinen späteren Freund und DJ Loris Negro kennen - beide stöberten lieber auf Flohmärkten nach alten Platten, statt den Louvre zu besichtigen. Und zurück in Bremen trafen sie sich - in Fahrstühlen oder Telefonzellen - zu ersten Jam-Sessions.

"Klar, einer schlägt dann gegen die Wand und das ist so das Gefühl, als würde man mitten in der Bassbox drinsitzen. Und dann fängt man an, dazu freezustylen, bringt seine Ideen so in Fluss und versucht das in Texte zu packen. Und irgendwann kriegt man bisschen mehr System rein. Dann werden aus den Texten richtig schöne Raptracks. Und irgendwann kann es eben passieren, dass aus den Raptracks auch reine Gedichte werden."

Die Band hieß Zentrifugal und schaffte es immerhin zum Major Label Jive-Records, bei dem Sänger wie R. Kelly unter Vertrag stehen. Doch im aufgeblasenen Musikgeschäft aus Management, Producing, Booking, Design und Videoclips hielt es Böttcher nicht lange aus. Er wollte die Fäden selbst in der Hand haben. Und: Seine Texte waren ihm auf Dauer zu schade, um sie vor mitbrüllenden Hip-Hop-Kiddies zu verheizen.

"Für mich ist es kein großer Sprung gewesen. Die Musik und die Lyrik hatten immer schon viel gemeinsam. Allein die Begriffe, wenn man sich anschaut - Lyrik und die Lyra, das ist ein Instrument. Das heißt also, es gibt schon immer Parallelen. Ich hab mich sowieso nie als Musiker verstanden, weil ich ja auch am Mikrofon stand in der Band und für die Texte zuständig war."

Ein Gedicht ist, so wie ein Musikstück, ein akustisches Ereignis. Es hat Anfang, Mittelteil und Schluss, einen Ablauf, eine Zeitgebundenheit. Und wenn es bloß aufgeschrieben ist, bleiben Rhythmik und Klang auf der Strecke. Der Bühnenpoet, sagt Bas Böttcher, verhilft dem Gedicht zu seiner Stimme.

"Man kann eben sich in Rage reden und so 'ne Dynamik entfachen. Zum Beispiel bei 'Meine Paradiese', wo es dann heißt: 'mit riesigen Schokoriegelregalen, gigantischen Pringels-Palettenbergen, großen Hochregallagern voll Dosenpils, Tabak, Tic Tac, Six-Packs, KitKat, Nic Nacs, Bifi, Becks, Faxe, Big Boxes, Wix, Mixery und Kaugummi, Kaugummi, Kaugummi, Kaugummi'."

Ob der ewige Karibikurlaub auf Guantanomo oder Blumenblüten am Rednerpult eines Diktators - Böttcher beschreibt Widersprüche. Seine Texte sind mal politisch, mal sind es Seitenhiebe auf den Literaturbetrieb; Liebesgedichte oder Einblicke in die Jugendkultur.

"Und es geht darum, dass man diesen Overkill an Eindrücken irgendwie filtert, verarbeitet und dann eben selber zu einer Art Overkill aus Worten verdichtet. Trotzdem aber das nicht zu verdammen, sondern eher zu sagen: "Hey, so leben wir", das muss man irgendwie auch künstlerisch in Worte fassen können."

180 Tage im Jahr ist Bas Böttcher mit seinen Texten unterwegs: USA, Kanada, Südamerika, Großbritannien, Irland, Frankreich, Österreich, Schweiz, Polen und Tschechien - aber auch mal die Landesgartenschau in Ostfildern. Bühnendichter können eben nicht ihre Bücher um die Welt schicken, sie müssen selbst fahren.

"Man lebt in einer ständigen Fernbeziehung. Man vermisst sein Zuhause, vermisst so ein bisschen die Wurzeln, so 'ne Basis, die man braucht. Aber für mich ist es ein riesengroßes Los, diesen Job zu machen."

Einzig von seinen Gedichten zu leben - damit hat sich für Böttcher ein Traum erfüllt. Freilich, mal geht er Sushi essen, während zu anderen Zeiten Milchreis angesagt ist. Doch Monat für Monat klappt es. Die Szene der Spoken-Poetry ist ihm zur Familie geworden. Und unterwegs sammelt der smarte Poet Ideen für neue Gedichte. Auf einer seiner vielen Reisen muss es auch gewesen sein, da sich Bastian Böttcher in eine Chinesin verliebte ...

"Ein Poet will dein sein. Sag nicht nein: Schenk dir ein Einschenken von reinem Wein, in den ich rein wein, denn, ich werd ihr eine kleine, eine kleine Einladung schenken. Ich hoff, sie kann dann an keinen anderen Mann mehr denken." [Lachen. Applaus.]