Vom Ladengeschäft bis zum kompletten Dorf

Von Christian Geuenich |
Wenn die Zuschauer nicht merken, dass Christian M. Goldbeck an einem Kinofilm mitgearbeitet hat, ist er zufrieden. Der 32-jährige Szenenbildner erschafft mit perfektionistischer Liebe zum Detail die Lebensräume von Filmfiguren. Beteiligt war Goldbeck an so unterschiedlichen Streifen wie "Alles auf Zucker" und "Requiem", derzeit arbeitet er am Szenenbild zu Otfried Preußlers Jugendbuchklassiker "Krabat".
"Der Zuschauer muss einen Raum glauben, auch in einem fantastischen Film wie ‚Krabat’. Wenn der Zuschauer den Raum nicht glaubt, dann verliert er die Geschichte."

Der Szenenbildner Christian Goldbeck erschafft die Lebensräume von Filmfiguren. Bei seinem bisher größten Projekt hat der 32-Jährige mit den dunkelblonden kurzen Haaren und den blauen Augen die Filmrealität des Zauberschülers Krabat kreiert, der während des Dreißigjährigen Krieges gegen die Schwarze Magie seines Meisters kämpft. Dazu hat Goldbeck mitten in den rumänischen Karpaten aus Massivholz die bedrohlich wirkende elf Meter hohe zweigeschossige Schwarze Mühle gebaut, in der die Müllergesellen in der Kunst der Zauberei unterrichtet werden.

"Wir hatten das Glück in Rumänien, dass die Handwerker oder Schreiner vor Ort die Bauweise ihrer Schäferhütten, Bauernhäuser in den letzten 300, 400 Jahren nicht verändert haben, und wir haben in sämtlichen Bauten nicht eine einzige Spack-Schraube verwendet, sondern wirklich nur Nägel, Hammer, Kettensäge und das war’s."

Auf dem Nebentisch liegen noch die Baupläne von Schwarzkollm. Ein komplettes Dorf mit 11 Gebäuden und einer Kirche, das inzwischen allerdings wie auch die Schwarze Mühle in Rumänien in Flammen aufgegangen ist – wie im Drehbuch vorgesehen.

"Ich weine dem nicht hinterher, ich fand das ein schönes Ende für die Bauten, beim Film ist sowieso alles vergänglich."

Durch seinen Beruf hat Goldbeck auch privat gelernt, sich von überflüssigen Sachen zu trennen. Er mag am liebsten schlichte, weiße Räume mit wenigen funktionalen, minimalistischen Möbeln im Design der 50er und 60er Jahre. Fundstücke vom Film seien dort definitiv nicht zu finden.

Goldbeck hat eine Wohnung und ein Büro in Berlin und eine Wohnung mit seiner Frau in Köln. Zu Hause sei er allerdings nur selten, erzählt der Szenenbildner in blauen Hosen, Wollpulli und gemütlichen Gummiclogs. Hinter seinem aufgeräumten Schreibtisch stehen bereits die Alu-Kisten, in denen er sein mobiles Büro zum nächsten Set transportiert.

"Wir sind moderne Nomaden. Ich verbringe im Schnitt neun bis zehn Monate im Jahr nicht zu Hause, das ist einfach so. Wir sind da, wo gedreht wird, wir bereiten dort vor, wo der Film spielt, und das kann man vielleicht auch sagen, dass das nicht unbedingt der familienfreundlichste Beruf ist."

Seine Frau, eine spanische Videokünstlerin, hat Verständnis für seine große Leidenschaft und besucht ihn oft am Set.

Geboren und zur Schule gegangen ist Goldbeck im Sauerland. Mit 19, direkt nach dem Abitur, zieht er relativ planlos nach Berlin, will erstmal raus aus dem Kleinstadt-Mief. Mit 21 arbeitet er aus Geldnot als Straßen-Absperrer beim Film. In einer Mittagspause trifft er zufällig die Szenenbildnerin des Films, ist sofort begeistert von diesem Beruf und hat von nun an nur noch ein Ziel. Nach einem Architekturstudium an der University of East London und dem Abschluss des Szenenbildnerstudiums an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam kann er dann endlich seine Liebe zu Räumen ausleben.

"Raumpsychologe, ja schönes Wort, vielleicht kann man das so sagen." 0’03


Mit 28 entwirft er nach einigen Jobs als Assistent das Szenenbild zu Hans-Christian Schmids Episodenfilm "Lichter". Darin geht es um mehrere Schicksale diesseits und jenseits der Oder. Also fährt Goldbeck von Frankfurt an der Oder über die Brücke nach Slubice, klingelt einfach an Haustüren, schaut sich Wohnungen an und spricht mit den Bewohnern. Schon hier zeigt sich seine perfektionistische Liebe zum Detail.

"Recherche ist alles. Wie ist so ne polnische Küche denn eingerichtet, sei es nur darum, dass in Polen die Zuckerdose immer auf dem Esstisch steht und auch kein feinkörniger Zucker gebraucht wird, sondern immer grobkörniger Zucker, das ist da einfach so, aber woher weiß ich das denn? Da muss ich ja mit den Menschen reden."

2004 richtet der Filmarchitekt in Dani Levys Komödie "Alles auf Zucker" die überladene Wohnung des Spielers und Wende-Verlierers Jacky Zucker ein und baut sie von heute auf morgen in eine saubere, koschere, jüdische um. Anschließend entwirft Goldbeck den klaustrophobischen 70er-Jahre-Mief der Wohnungen in Hans-Christian Schmids Psycho-Drama "Requiem", der Geschichte des Exorzismus-Opfers Michaela Klingler. Für beide Filme wird er für den Deutschen Filmpreis nominiert.

"Der Preis ist gar nicht so wichtig, ich mein, den stellt man sich dann ins Regal und das war’s dann auch, aber, ne, wenn andere Kollegen sagen, Mensch, das hat mir gefallen, was du gemacht hast, dann freut man sich natürlich. Aber alle guten Dinge sind drei."

2005 erschafft Goldbeck dann in Israel die Lebenswelt zu Maria Schraders Regiedebüt "Liebesleben", basierend auf dem Bestseller von Zeruya Shalev. Wie realistisch sein Szenenbild wirkt, zeigt sich am Beispiel einer 50er-Jahre-Boutique, die er in ein leerstehendes Ladengeschäft in der Jerusalemer Fußgängerzone gebaut hat.

"Da stand eine Frau irgendwie so Mitte sechzig, und der standen die Tränen in den Augen. Die stand vor diesem Geschäft und hat das nicht fassen können und sie sagte, das war für sie so als wenn sie in eine Zeitmaschine eingestiegen wäre. Das war für sie Jugenderinnerung, und na klar freut man sich da, das war toll."

"Liebesleben" soll im Sommer in Deutschland starten. Goldbeck wird ihn sich ansehen, er geht immer noch leidenschaftlich gerne ins Kino, allerdings um sich von einer Geschichte und nicht vom Szenenbild fesseln zu lassen.

"Als ‚Requiem’ auf der Berlinale Premiere hatte und ich im Kino saß, hab ich geheult wie ein Schlosshund, also ich glaube nicht, dass ich da auf mein Szenenbild geachtet habe."

Die größten Glücksgefühle hat der Künstler, Handwerker, Filmarchitekt und Raumpsychologe nicht im Kino, sondern während seiner akribischen Recherche, bei den Entwürfen und Bauten – auch wenn er für seine große Leidenschaft immer wieder an seine körperlichen Grenzen gehen muss.

"Natürlich arbeitet man wie ein Verrückter, aber das macht auch einen wahnsinnigen Spaß dann und diesen kleinen Kick, den will ich auch nicht missen, den mag ich ja."