Vom Kunstgegenstand zum Toilettenbeutel
Als im 17. Jahrhundert das Necessaire erfunden wurde, hatte es noch nicht die profane Funktion eines Toilettenbeutels zu erfüllen. Das kleine, nicht selten reich verzierte Köfferchen enthielt nützliche Dinge für die Reise. Eine Ausstellung in Paris hat sich an die Fersen des reisenden Beutels geheftet und zeigt 80 Exponate vom 17. Jahrhundert bis 1940.
Noch nie zuvor hatte jemand in einer Ausstellung oder in einem Buch die Kulturgeschichte des Kulturbeutels erörtert. Das Necessaire galt schon bald seit seiner Erfindung im 17. Jahrhundert als unentbehrlich, aber die Künstler, wenn sie nicht von Anfang an anonym geblieben sind, sind in Vergessenheit geraten: Alphonse-Gustave Giroux, Risler et Carré, Casimir Aucoc, Henri-Nicolas Cousinet oder Martin-Guillaume Biennais. Gérard Mabille, einer der beiden Kuratoren:
"Das ist eine Bezeichnung, die in Frankreich zum ersten Mal gegen 1720 aufgetaucht ist. Es war eine Deutsche, die zum ersten Mal von einem Necessaire gesprochen hat. Das war die bayerische Prinzessin Liselotte von der Pfalz, die Herzogin von Orléan, die den Bruder Ludwig XIV geheiratet hatte und die diesen neuen Begriff Necessaire schuf, um ein kleines Köfferchen zu bezeichnen, in der sich eine Kanne für Kaffe oder heiße Schokolade, eine Zuckerdose, Tassen und alles mögliche befand, um unterwegs Tee, Kaffee oder Schokolade trinken zu können."
Erste Überraschung: die Karriere des Necessaire begann nicht als Toilettentasche, sondern als mobile Hilfestellung für leibliche Genüsse. Aus Deutschland sehen wir ein Set mit virtuos einklappbaren Gabeln, Messern, und Löffeln, der Schaft stets aus Elfenbein.
Ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert, aber aus Frankreich ein reich verziertes Necessaire mit Schere, Messer und Feile – kleiner als ein Schweizer Taschenmesser, dafür reich verziert und mit Edelsteinen besetzt. Ein englisches Modell verbindet das Nützliche mit dem Angenehmen, ein imposant kleines und goldenes Uhrenkästchen, mit Porträtmedaillon, Wappenvogel und reichhaltigem Innenleben: Parfüm-Fläschchen, Pinzette, Löffelchen. Das Ganze in der Dimension einer großen Streichholzschachtel.
"Hier haben wir eines der größten Necessaire, das jemals konstruiert worden ist. Ein Necessaire aus der Zeit, als sich die Herrschaft Ludwig XVI dem Ende zuneigte … Das ist ein äußerst umfassendes Necessaire von Marie-Antoinette mit vielen Silberwaren, einer Karaffe für heiße Schokolade, Rechaud-Platte, für das Bett sogar eine Wärmflasche, Kristallgläser, Essgeschirr aus Porzellan mit Zuckerdose, Kaffeekanne und allen möglichen Utensilien für die Nahrung."
Die Zahnbürste wird erst Anfang des 19. Jahrhunderts fester Bestandteil des Necessaire. Seifenschälchen, Haarbürsten und Utensilien für die Körperpflege gab es zwar bereits vorher, aber mit Sicherheit benutzt wurden offenbar vor allem die Parfümflakons und die Stiefelauszieher in Miniaturform, bemerkt Gérard Mabille:
"Oft ist es erstaunlich, wie wenig die Necessaire offenbar benützt worden sind. Das waren Dinge, derer man sich eher selten bediente, sondern das war anscheinend ein Kunstschatz, den man sorgsam hütete. Die wenigsten dieser Necessaires sind abgenützt. Es ist fraglich, ob sie überhaupt benutzt worden sind."
Paris galt lange Zeit nicht nur als Hauptstadt der Mode, sondern auch tonangebend bei den Necessaires. Doch die Engländer zeigten sich streckenweise wettbewerbsfähiger. Sie boten bei der Weltausstellung 1878 um 20 Prozent billigere Preise - weil sich in den französischen Necessaires viel Unnützes angesammelt hatte, kommentiert Kuratorin Anne Dion:
"In den französischen Necessaires waren immer mehr Gegenstände als in den deutschen oder englischen. In den französischen Necessaires gab es immer eine Wärmepfanne und einen Wasserkrug, die es in den englischen und deutschen Necessaires nicht gab."
Noch nach dem Ersten Weltkrieg führten Luxushäuser die kostspielige Tradition der Necessaires erfolgreich fort, wie die "Coiffeuse", der Frisiertisch mit integriertem Necessaire von Louis-Vuitton aus dem Jahr 1931 prachtvoll illustriert. Doch spätesten nach dem Zweiten Weltkrieg war die Goldene Zeit des Kulturbeutels als Kunstschatz vorbei, erklärt Gérard Mabille:
"Ich glaube, diese Zeit ist vorbei. Zum anderen: die Reisen sind heute erheblich schneller. Man muss nicht mehr systematisch diese Dinge mit sich herumschleppen. Man startet am Morgen und am Abend ist man angekommen und überall wartet bereits eine Zahnbürste auf einen. Das ist eine Kunst des absoluten Luxus, deren Zeit abgelaufen ist."
"Das ist eine Bezeichnung, die in Frankreich zum ersten Mal gegen 1720 aufgetaucht ist. Es war eine Deutsche, die zum ersten Mal von einem Necessaire gesprochen hat. Das war die bayerische Prinzessin Liselotte von der Pfalz, die Herzogin von Orléan, die den Bruder Ludwig XIV geheiratet hatte und die diesen neuen Begriff Necessaire schuf, um ein kleines Köfferchen zu bezeichnen, in der sich eine Kanne für Kaffe oder heiße Schokolade, eine Zuckerdose, Tassen und alles mögliche befand, um unterwegs Tee, Kaffee oder Schokolade trinken zu können."
Erste Überraschung: die Karriere des Necessaire begann nicht als Toilettentasche, sondern als mobile Hilfestellung für leibliche Genüsse. Aus Deutschland sehen wir ein Set mit virtuos einklappbaren Gabeln, Messern, und Löffeln, der Schaft stets aus Elfenbein.
Ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert, aber aus Frankreich ein reich verziertes Necessaire mit Schere, Messer und Feile – kleiner als ein Schweizer Taschenmesser, dafür reich verziert und mit Edelsteinen besetzt. Ein englisches Modell verbindet das Nützliche mit dem Angenehmen, ein imposant kleines und goldenes Uhrenkästchen, mit Porträtmedaillon, Wappenvogel und reichhaltigem Innenleben: Parfüm-Fläschchen, Pinzette, Löffelchen. Das Ganze in der Dimension einer großen Streichholzschachtel.
"Hier haben wir eines der größten Necessaire, das jemals konstruiert worden ist. Ein Necessaire aus der Zeit, als sich die Herrschaft Ludwig XVI dem Ende zuneigte … Das ist ein äußerst umfassendes Necessaire von Marie-Antoinette mit vielen Silberwaren, einer Karaffe für heiße Schokolade, Rechaud-Platte, für das Bett sogar eine Wärmflasche, Kristallgläser, Essgeschirr aus Porzellan mit Zuckerdose, Kaffeekanne und allen möglichen Utensilien für die Nahrung."
Die Zahnbürste wird erst Anfang des 19. Jahrhunderts fester Bestandteil des Necessaire. Seifenschälchen, Haarbürsten und Utensilien für die Körperpflege gab es zwar bereits vorher, aber mit Sicherheit benutzt wurden offenbar vor allem die Parfümflakons und die Stiefelauszieher in Miniaturform, bemerkt Gérard Mabille:
"Oft ist es erstaunlich, wie wenig die Necessaire offenbar benützt worden sind. Das waren Dinge, derer man sich eher selten bediente, sondern das war anscheinend ein Kunstschatz, den man sorgsam hütete. Die wenigsten dieser Necessaires sind abgenützt. Es ist fraglich, ob sie überhaupt benutzt worden sind."
Paris galt lange Zeit nicht nur als Hauptstadt der Mode, sondern auch tonangebend bei den Necessaires. Doch die Engländer zeigten sich streckenweise wettbewerbsfähiger. Sie boten bei der Weltausstellung 1878 um 20 Prozent billigere Preise - weil sich in den französischen Necessaires viel Unnützes angesammelt hatte, kommentiert Kuratorin Anne Dion:
"In den französischen Necessaires waren immer mehr Gegenstände als in den deutschen oder englischen. In den französischen Necessaires gab es immer eine Wärmepfanne und einen Wasserkrug, die es in den englischen und deutschen Necessaires nicht gab."
Noch nach dem Ersten Weltkrieg führten Luxushäuser die kostspielige Tradition der Necessaires erfolgreich fort, wie die "Coiffeuse", der Frisiertisch mit integriertem Necessaire von Louis-Vuitton aus dem Jahr 1931 prachtvoll illustriert. Doch spätesten nach dem Zweiten Weltkrieg war die Goldene Zeit des Kulturbeutels als Kunstschatz vorbei, erklärt Gérard Mabille:
"Ich glaube, diese Zeit ist vorbei. Zum anderen: die Reisen sind heute erheblich schneller. Man muss nicht mehr systematisch diese Dinge mit sich herumschleppen. Man startet am Morgen und am Abend ist man angekommen und überall wartet bereits eine Zahnbürste auf einen. Das ist eine Kunst des absoluten Luxus, deren Zeit abgelaufen ist."