Vom Ketzer zum Verräter und zurück
Im Jahr des Herrn 1534 ruft der kurz zuvor geweihte Priester Bernd Rothmann in der Domstadt Münster dazu auf, die katholische Kirche anzugreifen und niederzubrennen. Fortan wird er zum Anführer der Wiedertäufer und Ketzer. Jahre später, nach der Niederschlagung des Aufstands, verrät er im Auftrag der Inquisition ehemalige Mitstreiter. Als er jedoch den Verfasser einer ketzerischen Schrift dingfest machen soll, überkommen ihn Zweifel und er versucht, den unbeirrbaren Freigeist zu retten.
Für den Bischof von Münster und Osnabrück erfüllt sich ein Herzenswunsch, als sich sein Schützling zum Priester weihen lässt und vom Studium in Köln zurückkehrt, um im Dom zu Münster seine erste Predigt zu halten. Doch Bernd Rothmann, Sohn eines Goldschmieds, dem der Bischof aus nicht ganz uneigennützigen Gründen höhere Bildung und ein Universitätsstudium ermöglichte, kehrt nicht in Pracht und Ornat in seine Heimatstadt zurück, sondern auf einem Esel reitend, im härenen Gewand, mit Bart und langem Haupthaar, wie weiland Jesus beim Einzug in Jerusalem.
Und ähnlich wie dieser liest er den hohen Würdenträgern der Kirche die Leviten. Sie hätten sich vom Geist Christi entfernt, sagt er, seine Lehre verfälscht, sein Wort verraten. Die katholische Kirche, spricht er im Jahr des Herrn 1534 "mit einer donnernden Stimme, die man noch Jahrhunderts später unter dem Kanzeldach und zwischen den Mauern der Kirche widerhallen zu hören meint", sei eine "aufgedunsene und verkommene Institution". Und es sei die Pflicht eines jeden Christen, sie niederzubrennen und zu zerstören.
Hunderte strömen fortan in die Stadt, um den Prediger zu hören, Pilger und selbsternannte Propheten, die das bevorstehende Jüngste Gericht verkünden, Reformierte und Reformatoren, vor allem aus den Niederlanden, um im katholischen Münster ein "Reich Zion" zu errichten, eine Theokratie mit Gütergemeinschaft und Polygamie, getreu der Schrift und dem Glauben der urchristlichen Gemeinschaft. Mit Feuer und Schwert wird die Kirche Christi diese Ketzer, die so genannten Wiedertäufer, nach anderthalbjähriger Belagerung der Stadt ausmerzen.
Willkommen im historischen Roman, dem ersten Teil des famosen Buches von Antonio Ortejudo, einer zumindest hierzulande neuen Stimme der spanischen Literatur. Aber wie jeder große historische Roman ist "Feuertäufer" keineswegs ein Historienschinken. Die Sprache, zunächst verstörend modern, besticht bald durch ihren widerborstigen Fluss, ein extremer Tonfall im Zeitalter der Reformation - genau so, meint man, würde ein Rothmann vielleicht heute sprechen, wenn er noch unter den Lebenden weilte.
Münster hat er immerhin als einziger prominenter Wiedertäufer überlebt. Anderthalb Jahrzehnte später begegnen wir ihm in einem Polit-Thriller wieder, in dem er sich Joachim Pfister nennt und als Schrifttypenschnitzer in Lyon tätig ist. Erpressbar geworden, weil er allzu frivole Schnörkel ans M hängte, wird er notgedrungen zum Helfershelfer der Inquisition, die Frankreich mit einem Spitzelnetz überzieht, dem kein Häretiker entgeht. Nun soll er als sachverständiger Fahnder den Verfasser einer ketzerischen Schrift dingfest machen. Einen Universalgelehrten, wie sich bald herausstellt, Mediziner, Humanist, Theologe und unbeirrbarer Freigeist.
Miguel Servet heißt der Mann, bei Eingeweihten bekannt, weil er den kleinen Blutkreislauf entdeckte. Er ist der eigentliche Held des Romans, auch wenn wir ihm in dem Buch persönlich nie begegnen. Nur seinen Gedanken, Theorien, seiner Brillanz, während Pfister ihn allmählich einkreist, immer besser zu kennen meint. Und zugleich von seiner Unbeugsamkeit überwältigt ist, die eigene Einstellung überdenkt und den Freigeist retten will, bevor ihn die Reformierten verbrennen.
Rezensiert von Georg Schmidt
Antonio Orejudo: Feuertäufer
Aus dem Spanischen von Christian Hansen
Knaus Verlag, München 2006
255 S., Euro 18
Und ähnlich wie dieser liest er den hohen Würdenträgern der Kirche die Leviten. Sie hätten sich vom Geist Christi entfernt, sagt er, seine Lehre verfälscht, sein Wort verraten. Die katholische Kirche, spricht er im Jahr des Herrn 1534 "mit einer donnernden Stimme, die man noch Jahrhunderts später unter dem Kanzeldach und zwischen den Mauern der Kirche widerhallen zu hören meint", sei eine "aufgedunsene und verkommene Institution". Und es sei die Pflicht eines jeden Christen, sie niederzubrennen und zu zerstören.
Hunderte strömen fortan in die Stadt, um den Prediger zu hören, Pilger und selbsternannte Propheten, die das bevorstehende Jüngste Gericht verkünden, Reformierte und Reformatoren, vor allem aus den Niederlanden, um im katholischen Münster ein "Reich Zion" zu errichten, eine Theokratie mit Gütergemeinschaft und Polygamie, getreu der Schrift und dem Glauben der urchristlichen Gemeinschaft. Mit Feuer und Schwert wird die Kirche Christi diese Ketzer, die so genannten Wiedertäufer, nach anderthalbjähriger Belagerung der Stadt ausmerzen.
Willkommen im historischen Roman, dem ersten Teil des famosen Buches von Antonio Ortejudo, einer zumindest hierzulande neuen Stimme der spanischen Literatur. Aber wie jeder große historische Roman ist "Feuertäufer" keineswegs ein Historienschinken. Die Sprache, zunächst verstörend modern, besticht bald durch ihren widerborstigen Fluss, ein extremer Tonfall im Zeitalter der Reformation - genau so, meint man, würde ein Rothmann vielleicht heute sprechen, wenn er noch unter den Lebenden weilte.
Münster hat er immerhin als einziger prominenter Wiedertäufer überlebt. Anderthalb Jahrzehnte später begegnen wir ihm in einem Polit-Thriller wieder, in dem er sich Joachim Pfister nennt und als Schrifttypenschnitzer in Lyon tätig ist. Erpressbar geworden, weil er allzu frivole Schnörkel ans M hängte, wird er notgedrungen zum Helfershelfer der Inquisition, die Frankreich mit einem Spitzelnetz überzieht, dem kein Häretiker entgeht. Nun soll er als sachverständiger Fahnder den Verfasser einer ketzerischen Schrift dingfest machen. Einen Universalgelehrten, wie sich bald herausstellt, Mediziner, Humanist, Theologe und unbeirrbarer Freigeist.
Miguel Servet heißt der Mann, bei Eingeweihten bekannt, weil er den kleinen Blutkreislauf entdeckte. Er ist der eigentliche Held des Romans, auch wenn wir ihm in dem Buch persönlich nie begegnen. Nur seinen Gedanken, Theorien, seiner Brillanz, während Pfister ihn allmählich einkreist, immer besser zu kennen meint. Und zugleich von seiner Unbeugsamkeit überwältigt ist, die eigene Einstellung überdenkt und den Freigeist retten will, bevor ihn die Reformierten verbrennen.
Rezensiert von Georg Schmidt
Antonio Orejudo: Feuertäufer
Aus dem Spanischen von Christian Hansen
Knaus Verlag, München 2006
255 S., Euro 18