Vom Hindukusch ins Lipperland

Von Eberhard Schade |
Seine Familie ist erleichtert, als Martin W. wieder zu Hause ist. Während seiner Abwesenheit haben sie den Online-Ticker mit Nachrichten aus Afghanistan verfolgt. Bei jeder Anschlagsmeldung haben sie um ihn gezittert. Doch Martin eröffnet ihnen gleich, dass er wieder nach Afghanistan zurückgehen wird.
Ein ganz normaler Montag, irgendwo im Lipperland. Kein ganz normaler Tag für die Soldaten des Panzerbataillons 203 in der Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf.

Die evangelische Kapelle, ein kleiner Flachbau gleich linker Hand vom Haupttor, ist an diesem Nachmittag zu drei Vierteln gefüllt. In den ersten vier Reihen sitzen ausschließlich junge Soldaten und Soldatinnen. Die meisten noch gut gebräunt von der Sonne am Tausende von Kilometern entfernten Einsatzort. Weiter hinten höhere Dienstgrade und Angehörige der Soldaten. Auf dem Programm: ein Gottesdienst zum Rückkehrerappell. An der Orgel: Stabsunteroffizier Löffler.

Psalm & Andacht: " Liebe Soldaten vom Panzerbataillon 203, liebe Angehörige … "

Pfarrer Schäfer spricht von Rührung und Dankbarkeit. Die der eine oder andere verspürt, wenn er oder sie "Amazing Grace", "Macht hoch die Tür" oder "Tochter Zion" hier und heute hört – und sich daran erinnert, wie es war, als derselbe Stabsunteroffizier dieselben Lieder im Lager am Rande von Feyzabad, mit 40.000 Einwohnern die größte Stadt im Norden Afghanistans, spielt. Vor allem danken will der Militärpfarrer, dass alle wieder hier, zurück in der Heimat, sind.

"… dass alle gesund zurückgekehrt sind. Auch wenn es andere in derselben Zeit getroffen hat. Die Freundlichkeit Gottes ist weltweit zu erfahren, einsam war keiner wenn er mit Gott war in Afghanistan."

Pfarrer Schäfer bittet in seiner Andacht um Frieden. Nicht nur in Afghanistan, sondern in der ganzen Welt. Die Soldaten und alle anderen erheben sich, sprechen das Vaterunser. Dann ist der 30-minütige Gottesdienst vorbei.

200 Meter Luftlinie weiter, unter der Tribüne vom Antreteplatz des Panzerbataillons. Werner Wedel, der Vater eines Soldaten, zeigt auf eine kleine Gruppe mit viel Eichenlaub auf den Schulterklappen, erklärt seinem Enkel wer wie wichtig in der Truppe ist und zurrt dabei den Schal seines Enkels fest. Der Wind: schneidend kalt. Die wenigen Angehörigen, die gekommen sind, stehen in kleinen Gruppen an dem hüfthohen Absperrungsholm, wie bei einem Kreisligafußballspiel.

Zugweise marschieren jetzt die Soldaten auf den Platz. Unter den Zuschauern wird es still, fast andächtig. Jeder versucht seinen Jungen oder seine Tochter auszumachen, auch Werner Wedel. Er sucht Martin, seinen Sohn. Doch das ist fast unmöglich. Die Soldaten stehen zu weit weg, tragen alle dieselbe dünne Feldjacke, dasselbe Barett. Plötzlich rührt sich ein Mops – wie auf Befehl.

Die Stimmung auf der Tribüne jetzt: lockerer. Die Soldaten dagegen stehen stramm in Reih und Glied, verziehen keine Miene. Die Augen links, aufs Musikkorps gerichtet, das gerade auf den Platz marschiert.

Ihm folgen die Kommandeure. Zackig schreiten sie die Aufstellung ab, wie ferngesteuert folgen dabei die Blicke der Soldaten ihren Vorgesetzten. Bis ein Major ans Rednerpult tritt.

"Wir sind nach Afghanistan gegangen um dort einem geschundenen Land, dass 30 Jahre Krieg und …"

Major Schuller trifft von Anfang an den richtigen Ton. Kommt gleich zur Sache und wiederholt keine Sprechblasen, wie viele Politiker, wenn es um das sensible Thema Auslandseinsatz in Afghanistan geht. Schuller beschreibt bildhaft, was er und die Soldaten in den letzten Monaten gesehen und erlebt haben – und leitet daraus direkt den Auftrag der Soldaten ab.

"Es lohnt sich, doch braucht man langen Atem. Und es lohnt sich, vor allen, wenn man die Kinder sieht. Es hat mir zuweilen das Herz zerrissen mit ansehen zu müssen, in welchem zum Teil erbärmlichen Zustand afghanische Kinder leben. Schlecht gekleidet, im bitterkalten Winter erbärmlich frierend, im Schnee ohne Strümpfe, die Füße in Sandalen steckend, oftmals barfuß. So sieht Afghanistan für Kinder aus."

Der Major beschreibt den erbärmlichen Zustand der Schulen im Land und den der Wohnhäuser.

"Die Lebensbedingungen vor allem der Kinder zu verbessern, alleine dafür lohnt sich dieser Einsatz, denn es sind die Kinder, die die Zukunft Afghanistans gewährleisten."

Fast anderthalb Stunden müssen die Soldaten in der Kälte strammstehen, und auch ihre Angehörigen frieren. Martins Familie – Vater, Mutter, Bruder, Schwägerin und Neffe – vertreibt sich die Langeweile mit dem Spiel: Ich sehe wen, den du nicht siehst.

"Ich glaube, ich sehe ihn, vierte Reihe der Dritte. Ach. Da, ich hab ihn gesehen, mit der gewellten Mütze. Der Fünfte von rechts in der ersten Reihe. Ich hab ihn letztes Mal auch nicht erkannt."

Abschluss des offiziellen Teils des Rückkehrerappells: die Nationalhymne. Die Zuschauer in Uniform singen alle mit, die meisten Angehörigen auch. Martins Vater nicht. Er läuft hinter der Absperrung auf und ab, reibt sich die Hände gegen die Kälte. Jetzt zurrt seine Frau Rita den Schal ihres Enkels fest.

Zehn Minuten später, im großen Saal des Unteroffizierheims. PVC-Boden, Holzvertäfelung. An der Wand: ein Porträt von Generalfeldmarschall Rommel. Im vorderen Teil des Saals sind runde Holzstehtische aufgebaut, dekoriert mit weißen Decken und Kerzenlichtern. Daneben ein langes Buffet mit belegten Brötchen. Lachs, Bierwurst, Käse und Schinken. Gegenüber, am anderen Ende des Saals, steht ein Beamer und projiziert Bilder aus dem Einsatz an die Wand. Hubschrauber landen, Panzer patrouillieren, das Ganze meist vor romantischer Kulisse - 2000, 3000, 4000 Meter hohen Bergen, deren Schneekuppen im Licht glänzen. Die Bilder, sie wirken wie aus einer anderen Zeit. Kaum ein Soldat guckt hin. Die meisten stehen am Buffet.

Die Stimmung bei den Wedels: gut. Der Enkel trinkt eine Fanta, alle anderen essen belegte Brötchen. Martins Vater flachst mit einem Soldaten. Nur Martin fehlt noch. Seinetwegen sind die Wedels schließlich angereist – zu fünft.

Je voller der Saal wird, desto öfter blickt Werner Wedel über seine Schulter, dann auf seine Uhr. Er fühlt sich offenbar fehl am Platz hier unter so vielen Soldaten. Von Anfang an ist er gegen Martins Entschluss nach Afghanistan zu gehen. Heute Abend aber ist er hier. Und seine Frau verrät – als ihr Mann kurz Kaffee holt – warum.

"Der ist stolz und sagt es nicht, er sagt es zu anderen, aber auch zu mir nicht, er ist schon ein stolzer Vater. Mein Mann ist kein Mensch, der groß Gefühle zeigen kann, aber das Verhältnis ist besser geworden, offener."

Eine Schneefrese hat Martin seinem Vater von seinem ersparten Sold geschenkt. Das hat dem abgekühlten Verhältnis zwischen Vater und Sohn offenbar gut getan. Sie hätten die beiden mal sehen sollen, erzählt Rita Wedel, als wir vorhin Martin auf seiner Stube besucht haben. Da sind wir raus auf einen Parkplatz, da steht ein Unimog – und schwups liegt mein Mann mit Martin drunter. Weil sich beide für Autos interessieren. Martin, wie sein Vater gelernter LKW-Schlosser ist.

Rita Wedel ist gut drauf. Lacht, macht Witze mit Martins Bruder und ihrem Enkel. Sie ist erleichtert, dass ihr Junge zurück ist, die letzten viereinhalb Monate vorbei sind. "War schon eine seltsame Zeit", sagt sie. Einerseits so viel Kontakt wie nie, über SMS und E-Mails, unterschwellig aber immer auch die Angst. Dass plötzlich die Nachricht von einem Anschlag kommt, Martin nicht mehr gleich simst oder anruft. Viereinhalb Monate lang läuft jeden Tag bei den Wedels der Online-Ticker mit Meldungen aus Afghanistan. Nur einmal nicht, im Urlaub, in Ungarn. Die Angst aber – fährt auch dorthin mit.

"Wie wir in Ungarn waren da kam was in den Nachrichten und da habe ich sofort ne SMS geschrieben, ist bei dir alles okay und das dauerte relativ lange, bis er geantwortet hat und dann ist man schon unruhig."

Seit Martins Rückkehr haben beide noch gar nicht so viel miteinander gesprochen, fällt seiner Mutter gerade auf. Ist Martin am Wochenende wach, sagt sie, ist er meistens unterwegs. Ist er zu Hause, schläft er. Und dennoch ist sie sich sicher. Der Einsatz in Afghanistan hat ihren Sohn verändert:

"Reifer geworden ist er. Wenn man sich mit ihm über Sachen unterhält, wo er vorher rumgeflachst hat, da kriegt man heute auch mal ne vernünftige Antwort, wollen mal so sagen. Aber ansonsten ist er eigentlich der große Junge geblieben, und das find ich schön."

Ihr "großer Junge" steht draußen und raucht. Mit Gustavo, einem Kameraden, mit dem er viel Zeit in Feyzabad, im Molt 3, dem Dritten Mobile Observation and Liasion-Team, verbracht hat. Drinnen werden noch immer die Bilder aus dem Einsatz an die Wand gebeamt. In Martins Kopf sind sie längst nicht mehr präsent, sagt er:

"Um ganz ehrlich zu sein, ich denk da fast gar nicht mehr dran. Ich bin jetzt wieder zu Hause, der Einsatz ist abgehakt, jetzt konzentrier ich mich auf meine Arbeit hier. Klar hat man noch die Bilder im Kopf, was da war aber eher weniger."

Anders bei Gustavo. Den schlaksigen dunkelhaarigen Oberfeldwebel holt vor allem die Rede des Majors vorhin noch einmal zurück nach Afghanistan – vom kalten Lipperland an den heißen Hindukusch:

"Wenn man da halt steht, hat man schon so seine Gedanken, die Wege und so, an die Hitze, wie wir geschwitzt haben, so wie wir da geschwitzt haben, haben wir noch nie geschwitzt."

Schweiß und Staub haben Gustavo zu schaffen gemacht, viel mehr nicht

"Man denkt an die Mol … aber es hat Spaß gemacht."

Klar wächst man in solchen Extremsituationen zusammen, sagt jetzt auch Martin. Schon allein deshalb findet er, hat sich der Einsatz für ihn gelohnt:

"Wir waren jetzt viereinhalb Monate da unten zusammen, manche mit Leuten auf einer Butze auch noch. Da unten hast du dir ja alles erzählt, was dir fehlt, was nicht, worauf du jetzt Lust hättest, worauf nicht, ist aber ganz normal denk ich."

Ganz normal – ein bisschen cool und so typisch für Martin ist es auch, dass sein erster Weg zurück in der Heimat nicht etwa direkt nach Hause, sondern zum Burger King geht.

"... da war der erste Weg hin, hab ich mir zwei Stück geholt, aber nur einen gegessen. Dann bin ich nach Hause."

Dort will Martin seine Mutter überraschen. Das soll sie aber erzählen, sagt er und geht rein, an den Tisch, an dem seine Familie auf ihn wartet.

Endlich, sagt Rita Wedel und schiebt ihrem Sohn zwei belegte Brötchenhälften über den Tisch. Der streichelt sich über den Bauch, isst eine, schiebt die andere seiner hochschwangeren Schwägerin rüber. Die macht mit, als Martin seine Mutter überraschen will, sie ruft bei Rita Wedel an. Und erzählt ihr, dass sie sich einen Virus auf dem Computer eingefangen hat.

Rita Wedel: "Ich mir schnell zwei DVDs geschnappt, rüber gerannt in das Computerzimmer da sitzt er da auf dem Computerstuhl und grinst mich an. So wie er jetzt auch grinst, aber das passte zu Martin. Freudentränen schon, aber ich hab bestimmt noch einen halben Tag gebraucht, um zu realisieren, dass er wieder da ist, ne?"

Kaum wieder zurück, eröffnet Martin seiner Familie, dass er wieder weg will. Zurück nach Afghanistan, in den Auslandseinsatz. Weil ihm das Land gut gefällt, sagt er. Auch wenn er auf seinen Patrouillen kaum mehr als Lehmhütten, Staub und nachts den schönen Sternenhimmel gesehen hat. Dass schon beim nächsten Einsatz mehr passieren könnte, das weiß auch seine Mutter. Und sagt es Martin immer wieder.
Jetzt, wo sie ihn gerade wieder zurückhat:

"Ich kann mir schon vorstellen, dass er das Land schön findet, nur ich bin der Meinung, er war wahrscheinlich noch nicht so den Gefahren ausgesetzt, dass er vielleicht ein bisschen mehr abwägen täte. Ich kann ihn nicht beeinflussen, ich kann ihm nur sagen: Martin überleg es dir. Die Jungs sehen natürlich auch das Geld im Hintergrund, das ist ganz logisch. Aber es war da nun relativ ruhig, die ganzen Monate, das muss aber nicht so bleiben."

Vor allem dann nicht, wenn US-Präsident Obama im April auf dem Nato-Gipfeltreffen den Bündnispartnern seine Pläne präsentiert und wohl auch von Deutschland fordern wird, mehr Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Mehr Soldaten, das heißt nichts anderes als mehr Kampf. Im Norden des Landes, aber auf Anfrage auch im blutigen Süden Afghanistans.

Werner Wedel sieht das Ganze pragmatischer. Das ist Martins Job, sagt er, dafür kriegt er gutes Geld. Und außerdem, sagt er, ist die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland auf der Straße zu verunglücken, immer noch größer, als in Afghanistan einem Anschlag zum Opfer zu fallen:

"Ich muss sagen, das ist seine eigene Entscheidung, ob er wieder hin will. Er hat die Sache ja jetzt gesehen, er kann die Gefahr einschätzen und die Entscheidung muss er ganz allein treffen."

Vor dem Buffet baut sich jetzt eine Blaskapelle auf. Martin wird von ein paar Kumpels gerufen. Die sechs jungen Männer stehen jetzt um einen Tisch – und auf dem Tisch sind bestimmt 20 Gläser Bier. Zeit für Familie Wedel aufzubrechen.

Martin nimmt seine Mutter in den Arm, seinen Neffen. Seinem Vater und Bruder drückt er die Hand.

Zwei Monate später und fast ein Viertel Jahr nach Martins Rückkehr aus Afghanistan. Martin sitzt zusammen mit Gustavo und Fritz Heller, seinem unmittelbaren Vorgesetzten, in Feyzabad, in der Lobby eines gediegenen Sporthotels im Sauerland. Drei Tage sind sie schon hier, beim sogenannten "Einsatz-Nachbereitungsseminar", sehen blass, müde aus. "Sind beim Kegeln gestern Abend etwas versackt", sagt Martin nur und spielt weiter mit seinem Handy.

Die Männer sind auf dem Sprung. Neben ihnen stehen gepackte Sporttaschen, weiße Plastiktüten – Lunchpakete für die Busfahrt zurück in die Kaserne. Doch der Bus steckt fest, im Schnee. Genug Zeit also für ein letztes Gespräch. Auch wenn das von einem Stabsfeldwebel, der vor Ort alles organisiert, gar nicht gern gesehen wird,

Stabsfeldwebel: "Über dienstliche Dinge ist Stillschweigen zu wahren."

Entspannter ist da Jürgen Wollschläger, einer der Moderatoren des Seminars. Der freundliche weißhaarige Endvierziger mit kariertem Hemd über der Jeans setzt sich zu den drei Soldaten, spricht mit ruhiger Stimme:
"Im Einsatz stellen sich Bilder, mit dem die entsprechenden Soldaten völlig verschieden umgehen. Sie haben hier eine Klientel sitzen von drei völlig verschiedenen Soldaten. Den Hauptfeldwebel belastet es vielleicht nicht, den Feldwebel, den Mannschaftsdienstgrad belastet es mehr und dafür ist hier die Möglichkeit drüber zu reden, die Sichtweise der Dinge klarzulegen."

Das können ganz banale Dinge sein, sagt er, und Hauptfeld Heller neben ihm ergänzt: Dinge, bei denen du dich fragst, wieso hat der oder die Betreffende denn nie was gesagt.


Heller: "Die banalste Sache ist die Abwechslung bei der Verpflegung. Da redet man im Einsatz nicht drüber und hier denkt man: Guck mal an! Der hat meinetwegen zu viele Bananen bekommen, ja das sind kleine Sachen, schön zu hören, was hat den einzelnen Soldaten, was ist ihm auf den Keks gegangen."

Frei Schnauze reden über alles, was den Soldaten und Soldatinnen an ihrem ersten Auslandseinsatz gefallen hat, was nicht und was sie eventuell auch heute noch, ein Vierteljahr später, belastet. Das ist Sinn und Zweck des Treffens. In Zivil, weit weg von der Kaserne, an einem möglichst neutralen Ort.

Die Bundeswehr merkt, dass das immer wichtiger wird. Der Einsatz nicht mit der Rückkehr endet. Immer mehr Soldaten erleben in Afghanistan Verkehrs- und Minenunfälle, kommen in Geiselhaft oder sind anderen Formen von Gewalt ausgesetzt. Die Reaktionen darauf reichen von Schlafstörungen über Depressionen bis hin zu körperlichen Beschwerden.

Wollschläger: "Ich sehe das schon als sehr wichtig an gerade bei Soldaten, die psychische Belastungen haben die hier einen neutralen Ort, dass sie in dem Augenblick über ihre Erlebnisse sprechen können mit ihren Kameraden zusammen, und die dann auch besser verarbeiten können."

Martin sagt, dass er gut schläft. Nicht vom Einsatz träumt. Auch nicht von der Nacht in der Provinz Badakhshan, als um 4.00 Uhr morgens Raketen über seinen Kopf fliegen, nur ein paar Kilometer weiter einschlagen. Auch Bilder in den Nachrichten von Anschlägen gegen deutsche Soldaten in Kabul, Kundus und Feyzabad – wühlen ihn nicht auf. Trotzdem findet er gut, dass es ein Seminar wie dieses hier gibt.

Martin: "Ich denk mal, es hat sich jeder getraut, hier was zu sagen. Hier ist jeder gleich behandelt worden, es wurde über keinen gelästert oder sonstiges, es wurden die Sachen besprochen, und das war es."

Viereinhalb Monate Afghanistan. Für Martin: abgehakt. Ob er sich nächstes Jahr für länger als vier Jahre verpflichtet, weiß er noch nicht. Er weiß nur: Er würde sofort wieder runterfahren, nach Afghanistan.

"Das Einzige, was mich daran hindern würde, wären familiäre Probleme oder Todesfälle, das wär´ das Einzigste. Sonst eigentlich nichts. Ja, ich würde gern wieder hingehen."

Genauso Gustavo und Fritz Heller.

Gustavo & Spieß: "Wenn der nächste Einsatz kommt, ich bin auf jeden Fall wieder dabei. So ein Superhaufen, ich nenn das mal Haufen, das ist ein Superteam, und mit denen würde ich auch jederzeit wieder in den Einsatz fahren."

Und was, wenn diesmal ein Kamerad verletzt wird oder sogar getötet? Schwer zu beantworten, findet Martin. Vielleicht, sagt er, vielleicht denkt man dann anders.

Der Bus ist da. Und mit ihm der Alltag. Die Männer schnappen ihre Sporttaschen, ihre Lunchpakte und steigen ein.

Martin setzt sich in eine der vorderen Reihen ans Fenster, rollt einen Pullover zusammen, klemmt ihn zwischen Scheibe und Kopf. Zwei Minuten später ist er eingeschlafen.