Vom geliebten Kind geschiedener Eltern zum neuen Mittelpunkt Europas

Von Wolfgang Koczian · 07.03.2009
Johann Wolfgang von Goethes frühe Liebe zur Pfarrerstochter von Sesenheim, Friederike Brion, im Elsass, ließ ihn dem Vorschlag gedanklich nähertreten, die deutsche Kanzlei am Hof zu Versailles zu übernehmen, eine Art Landesvertretung der elsässischen und lothringischen Gebiete.
Seine Denkungsart hätte ihn dann während der Großen Revolution mit ziemlicher Sicherheit auf die Guillotine gebracht, nicht auszudenken für die deutsche Literaturgeschichte. Grenzland hat bisweilen etwas Gefährliches an sich. Vom sehr viel späteren Dichter Robert Brasillach stammt das wunderbar empfindsame Wort vom Elsass als dem geliebten Kind geschiedener Eltern. Keineswegs empfindsam gebärdete er sich politisch und so ließen Kommunisten und Gaullisten den Mann 1945 füsilieren.
Hinter der Traulichkeit von Butzenscheiben und Fachwerk verbergen sich eben nicht selten Dämonen. Einst war Christoffel Grimmelshausen straßburgisch-bischöflicher Schultheiß von Renchen in der badischen Ortenau, und ein Blick an sonnendurchfluteten Tagen vom Kniebis im Schwarzwald ins lachende Rheintal weist den Turm des Straßburger Münsters als Mittelpunkt einer Kulturlandschaft beiderseits des Stromes aus. Heute hat das Elsass wieder in die Mitte Europas zurückgefunden mit dem Europäischen Parlament, dem Europarat und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an den Ufern der Ill.
Trautes Elsass, tragisches Elsass, heiteres Elsass - eine Lange Nacht über eine besondere Region in der Mitte Europas.
Gäste: Pascale Hugues
Dr. Stefan Martens
Martin Graf


Pascale Hugues, französische Journalistin und Schriftstellerin
Pascale Hugues
Marthe und Mathilde
Eine Familie zwischen Frankreich und Deutschland.
Deutsch v. Lis Künzli
2008 Rowohlt, Reinbek
Eine fast französische, nicht ganz deutsche Familie - und die unerschütterliche Freundschaft zweier Frauen. Spannend, zärtlich und mit poetischer Kraft erzählt Pascale Hugues die Geschichte ihrer Großmütter. Eine ungewöhnliche Familiengeschichte, in der ein Stück brisanter deutsch-französischer Geschichte auflebt. Marthe und Mathilde wurden 1902 geboren und lebten beinahe hundert Jahre. Sie starben im Abstand von nur wenigen Wochen. Mathilde entstammte einer deutschen Familie, die in dem Haus der Familie von Marthe wohnte, guter französischer Patrioten. Seite an Seite wanderten sie durch das 20. Jahrhundert. Dreimal mussten sie die Nationalität wechseln, die Übernahme des Elsass und die Vertreibung der Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg wurden für Mathilde zu einem traumatischen Erlebnis. Aber Marthe blieb ihrer Freundin treu. Die Freundschaft der beiden Frauen hielt ein ganzes Leben. Auch von weiteren Frauengestalten der Familie wird eindrucksvoll erzählt, so von Mathildes Schwester Georgette, die in Berlin-Adlershof die erste weltliche Schule Preußens gründete. "Die Frauen meiner Familie", so Pascale Hugues, "wollten immer die Welt verändern."
Pascale Hugues
Le bonheur allemand Deutsches Glück, französische Ausgabe
von Hugues, Pascale;
in französischer Sprache.
2008 Editions du Seuil

Büchermarkt 23.10.2008
Eine deutsch-französische Freundschaft
Pascale Hugues: Marthe und Mathilde. Eine Familie zwischen Frankreich und Deutschland, Rowohlt Verlag


Dr. Stefan Martens
Stellvertretender Direktor des Deutschen Historisches Institut Paris
Fachreferent für Zeitgeschichte (1914-1945)
Redakteur der Francia (19./20. Jhd.)
Das Deutsche Historische Institut Paris und seine Gründungsväter
Ein personengeschichtlicher Ansatz.
Mit e. Vorw v. Stefan Martens. Hrsg. v. Ulrich Pfeil Pariser Historische Studien (PHS) Bd.86
2007 Oldenbourg
Moderne Wissenschaftsgeschichte ist nicht gleichzusetzen mit einer Geschichte der abstrakten und empirischen Wahrheitsfindung. Genauso wenig reduziert sie sich auf die meist als intellektuell begriffenen Inhalte. Wissenschaft vollzieht sich vielmehr im sozialen Raum und wird damit stets von wissenschaftsfernen Aspekten beeinflusst. Somit müssen auch die Gründungsväter des Deutschen Historischen Instituts Paris als sozial determinierte Akteure gelten, die in diesem Band als Wissenschaftsorganisatoren zu erleben sein werden. Gleichzeitig erfahren wir mehr über die für ihre wissenschaftliche Arbeit charakteristischen Methoden, über ihre Rolle bei der Repräsentation von Raum und ihre Arbeit im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik.
Beiträge von Cristoph Cornelißen, Wolfgang Freund, Rolf Große, Olivier Guillot, Reto Heinzel, Reinhold Kaiser, Steffen Kaudelka, Anne Chr. Nagel, Matthias Pape, Ulrich Pfeil, Konrad Repgen, Peter Schöttler, Stephan Weiß

Das kommende Europa
Deutsche und französische Betrachtungen zur Zukunft der Europäischen Union.
Hrsg. v. Martin Koopmann u. Stephan Martens DGAP-Schriften zur Internationalen Politik
2008 Nomos


Kleine Geschichte Frankreichs
Von Heinz-Gerhard Haupt, Ernst Hinrichs, Stefan Martens u. a..
Hrsg. v. Ernst Hinrichs Reclam Universal-Bibliothek
2008 Reclam, Ditzingen
Die vorliegende 'Kleine Geschichte Frankreichs' ist das Werk von sechs Fachgelehrten, die jeweils für einen bestimmten Zeitraum verantwortlich zeichnen und in ihren Beiträgen (gegliedert in Epochenüberblick, chronologische Tabellen, Darstellung, Bibliographie) zugleich kompetent und verständlich über die Grundzüge der französischen Geschichte informieren. Ein Buch, das sowohl für den Fachmann wie für den interessierten Laien geschrieben ist.

Martin Graf
"Das Schweigen" in München und ein nächtliches Schlittern auf dem Tegernsee. Der elsässische Grenzgänger Martin Graff erinnert sich an seine erste Deutschlandreise
Weiterlesen:
Die Zeit
Martin Graf
"Von Liebe keine Spur - das Elsass und die Deutschen"
Knesebeck Verlag, München 1996
Martin Graff ist ein diesseits des Rheins wohlbekannter Dokumentarfilmer, Publizist und Querdenker aus dem Münstertal. In seinem neuen Buch entwickelt er schwungvoll eine originelle, eine fast richtige und eine alberne Elsass-These. Weiterlesen:
FAZ

Musik in der Sendung:

1 - Allegro di molto - Karl Amadeus Hartmann - BMG
- Vladimir Spivakov - - Take 3
2 - Le rossignol anglais - Delanoe/Aufray - Polyphon 845 102-2
- Hugues Aufray - - Take 9
CD: Les plus grandes chanson
3 - La montagne - Jean FerratFerrat - Polyphon 845 102-2
- Jean Ferrat - - Take 12
CD: Les plus grandes chanson
4 - Zu Straßburg auf der Schanz - trad. - Pläne 88901
- Zupfgeigenhansel - - Take 4
Archiv: 6063195
5 - Meditation - J.Massenet - EMI 7243 5 57164 2
- Maxim Vengerov - - Take 14

6 - Caravan - Rachel Portman - Sony SK 89475
- Rachel Portman - - Take 18
Soundtrack: Chocolat
7 - d ´allemagne - Barbelivien/Bernheim - Polydor
- Patricia Kaas - - Take 3
Archiv 6003247
8 - Ich hab ein hübsch feins Liebchen - trad. - Bauer Studios
- Trierer Domchor - - CD 2, Take 1
- Madrigalchor Klaus Fischbach - - Archiv. 6042293
9 - Volutes - a. bashung - Barclay 511 485-2
- bashung - - Take 2
Archiv 6008429
10 - Les Maitress du Monde - Unbekannt - BMG 74
- N.A.P. - - Take 17
Archiv 6040040
11 - En secret - Domenique A - Labels
- Domenique A - - Take 1
Archiv 6054181
12 - Je Tai Toujours Aimeè - Domenique A - Labels
- Domenique A - - Take 2
Archiv 6054181
13 - Un nouveau printemps - Vernadt, Becaud,Aznavour - Documents
- Gilbert Becaud - - CD 2,Take 15
14 - Les jours tristes(instrumental) - Yann Tiersen - BMG 0724381098454
- Yann Tiersen - - Take 2
Soundtrack: Die fabelhafte Welt der Amelie
15 - Tous les visages de l´amour - Aznavour - EMI 837172 2
- Charles Aznavour - - Take 6
16 - La fourmi - R.Desnos, J.Kosma - Dokuments
- Juliette Gréco - - CD 3, Take 8
17 - La femme adultere - L.Ferré - Dokuments
- Léo Ferré - - CD 6, Take 6
18 - L ´Homme au Piano - Piaf - AAD 7905622
- Edith Piaf - - Take 2
19 - Le temps du lilas - Barbara - Delta Music 13761
- Barbara - - Take 4
20 - Soul Eyes - Mal Waldron - Universal
- Stan Getz, Kenny Barron - - Take 3