Vom Fußballtrainer zum Religionslehrer
Mit 44 Jahren fangen manche an, auszurechnen, wie lang es noch ist bis zur Rente. Hikmet Gökdemir hat mit 44 noch mal ganz neu angefangen: seit einem Monat arbeitet er als Lehrer für Islamischen Religionsunterricht an einer Schule westlich von Hannover.
Montag morgen, halb zehn: Die große Pause geht zu Ende. Für die 5. Klassen an der Integrierten Gesamtschule Wunstorf steht nun Religionsunterricht auf dem Stundenplan. Hikmet Gökdemir ist bereits im Klassenraum. Nach und nach trudeln die Kinder ein und setzen sich:
"Liebe Kinder, was haben wir letzte Stunde gemacht?"
"Wir haben über Mohammed geredet."
Hikmet Gökdemir, 44 Jahre alt, klein und drahtig, kurze, graue Haare. Seit Anfang Oktober unterrichtet er islamischen Religionsunterricht - vier Stunden in der Woche. 480 Kinder besuchen die Integrative Gesamtschule, die vor drei Jahren gegründet wurde. Von 32 muslimischen Schülerinnen und Schülern haben sich 31 für die Islamische Religionskunde angemeldet.
In zwei Jahren, erklärt Schulleiterin Elke Rothämel, soll der konfessionsgebundene Religionsunterricht für alle muslimischen Kinder an den weiterführenden Schulen in Niedersachsen verpflichtend sein. Die Landesregierung in Hannover hätte damit in Deutschland den Anfang gemacht.
Lehrer: "Also irgendwann kommt das Opferfest. Was bedeutet es für uns Moslems überhaupt?"
Schüler: "Da hat Gott einen Mann, den Namen weiß ich nicht, hat er gesagt, er soll einen Sohn töten. Da ist er auf einen Berg gegangen und wollte seinen Sohn töten. Da hat Gott gesagt, lass es. Dann hat er ihm ein Schaf vorgelegt."
Lehrer: "Wer war die Person überhaupt? Welcher Prophet war das? Das war der Prophet Abraham, das war der Stammhalter aller großen Religionen - Juden, Christen, Moslem. Abraham hatte zwei Söhne gehabt. Nach islamischer Aussage ist es Ismail, nach der evangelischen Religion ist es der Isaak. Da ist man sich uneinig, gut, jeder sagt, das ist richtig, ja - er sollte also Ismail opfern."
Islamischer Religionsunterricht in deutscher Sprache und an deutschen Schulen ist nur möglich gewesen mit Zustimmung der islamischen Landesverbände Schura und Ditib. Ein vierköpfiger Beirat wurde gegründet: er allein erteilt die Lehrerlaubnis. Auch Hikmet Gökdemir musste sich der Prüfung stellen:
"Der Beirat existiert seit Februar diesen Jahres. Die Schura und die Ditib haben sich zusammengeschlossen, haben sich geeinigt und der Beirat bestimmt, wer Lehrer - das heißt man muss das Studium erst mal absolvieren, und dann vergibt der Beirat die Idschaza, die Lehrerlaubnis. Ich bin einer der Glücklichen, die erster die Lehrerlaubnis erhalten durften. Das war die Bedingung auch, um hier lehren zu dürfen."
Hikmet Gökdemir ist gläubig, er vermittelt die religiösen Werte, die er lebt. Die Kinder, die er unterrichtet, will er auf den rechten Weg bringen, sagt er. Das wird von ihm auch erwartet. Der Beirat fordert von den Antragsstellern ein klares Bekenntnis zum Islam, eine aktive Teilnahme am religiösen Leben der islamischen Gemeinschaft, ein Empfehlungsschreiben des Imams der Moschee und zu guter Letzt ein Motivationsgespräch vor dem Beirat.
Die katholische und evangelische Kirche verfahren mit ihren angehenden Religionslehrern übrigens ähnlich - die katholische Kirche vergleichbar rigide wie der islamische Beirat, auch sie erwartet von den Lehramtsanwärtern ein klares Bekenntnis zum katholischen Glauben. Die evangelischen Landeskirchen verpflichten ihre Religionslehrer nach bestandenem Staatsexamen zu Besinnungs- und Einkehrtagen. Der islamische Beirat behält sich vor, gegebenenfalls die Lehrerlaubnis zu widerrufen. Der Schule, bestätigt Schulleiterin Elke Rothämel, bliebe in so einem Fall nichts anderes übrig, als sich dem Votum zu beugen und den Lehrer abzuziehen. Sie ist aber optimistisch:
"Ich sehe im Augenblick, ehrlich gesagt, keinen Anlass, darüber nachzudenken. ... Ich bin als Schulleiterin selbst evangelische Religionslehrerin, wir sind in sehr offenem, zugewandtem Gespräch. Ich sehe ... mich schon als jemand, der etwas stiften möchte, und das heißt tatsächlich, auch ein Miteinander herzustellen, einen Dialog zwischen den Schülern, eine Form des offenen Umgangs, die fordert, dass man von einander weiß, viel weiß."
Lehrer: "Wie geht es weiter, wenn ihr nach Hause kommt? Wir schlafen nicht, Semi, wir setzen uns richtig hin, ich sitz auch nicht so. Was heißt Opferfest? Was machen die Väter, wenn sie dann aus der Moschee kommen? Was ist dir eingefallen?"
Schüler: "Die schlachten."
Lehrer: "Na also. Was Seid ihr alleine zuhause? Erzähl. Dann kommt natürlich die ganze Verwandtschaft, so wie das zu Weihnachten ist bei den Christen oder zu Ostern. Dann kommen die zu Besuch, die ganze Verwandtschaft kommt, dann küsst man die Hand der Älteren und dann gibt's natürlich von allen Geld, so feiert man gemeinsam, dann gibt's natürlich Süßigkeiten - bei euch nicht?"
Die Religionsstunde geht zu Ende. Das islamische Opferfest wird auch in der nächsten Religionsstunde noch Thema sein. Bereits als Jugendtrainer vermittelte Hikmet Gökdemir zwischen den Kulturen, zwischen den Nachwuchsspielern deutscher und ausländischer Herkunft.
Einen festen Trainer-Job fand er jedoch nicht. Er fühlte sich zu Unrecht ausgegrenzt. Tief enttäuscht darüber fand er seinen Weg zum Glauben. Heute ist er in Niedersachsen der erste Lehrer für islamischen Religionsunterricht - und zwar an einer evangelischen Gesamtschule:
"Ich freue mich, dass die evangelische Kirche einen Schritt nach vorne gemacht hat, normalerweise soll es erst 2014 beginnen. So findet auch Integration statt, dass die muslimischen Eltern ihre Kinder hierher an die IGS schicken, die sind den anderen Schulen zwei Jahre voraus."
"Liebe Kinder, was haben wir letzte Stunde gemacht?"
"Wir haben über Mohammed geredet."
Hikmet Gökdemir, 44 Jahre alt, klein und drahtig, kurze, graue Haare. Seit Anfang Oktober unterrichtet er islamischen Religionsunterricht - vier Stunden in der Woche. 480 Kinder besuchen die Integrative Gesamtschule, die vor drei Jahren gegründet wurde. Von 32 muslimischen Schülerinnen und Schülern haben sich 31 für die Islamische Religionskunde angemeldet.
In zwei Jahren, erklärt Schulleiterin Elke Rothämel, soll der konfessionsgebundene Religionsunterricht für alle muslimischen Kinder an den weiterführenden Schulen in Niedersachsen verpflichtend sein. Die Landesregierung in Hannover hätte damit in Deutschland den Anfang gemacht.
Lehrer: "Also irgendwann kommt das Opferfest. Was bedeutet es für uns Moslems überhaupt?"
Schüler: "Da hat Gott einen Mann, den Namen weiß ich nicht, hat er gesagt, er soll einen Sohn töten. Da ist er auf einen Berg gegangen und wollte seinen Sohn töten. Da hat Gott gesagt, lass es. Dann hat er ihm ein Schaf vorgelegt."
Lehrer: "Wer war die Person überhaupt? Welcher Prophet war das? Das war der Prophet Abraham, das war der Stammhalter aller großen Religionen - Juden, Christen, Moslem. Abraham hatte zwei Söhne gehabt. Nach islamischer Aussage ist es Ismail, nach der evangelischen Religion ist es der Isaak. Da ist man sich uneinig, gut, jeder sagt, das ist richtig, ja - er sollte also Ismail opfern."
Islamischer Religionsunterricht in deutscher Sprache und an deutschen Schulen ist nur möglich gewesen mit Zustimmung der islamischen Landesverbände Schura und Ditib. Ein vierköpfiger Beirat wurde gegründet: er allein erteilt die Lehrerlaubnis. Auch Hikmet Gökdemir musste sich der Prüfung stellen:
"Der Beirat existiert seit Februar diesen Jahres. Die Schura und die Ditib haben sich zusammengeschlossen, haben sich geeinigt und der Beirat bestimmt, wer Lehrer - das heißt man muss das Studium erst mal absolvieren, und dann vergibt der Beirat die Idschaza, die Lehrerlaubnis. Ich bin einer der Glücklichen, die erster die Lehrerlaubnis erhalten durften. Das war die Bedingung auch, um hier lehren zu dürfen."
Hikmet Gökdemir ist gläubig, er vermittelt die religiösen Werte, die er lebt. Die Kinder, die er unterrichtet, will er auf den rechten Weg bringen, sagt er. Das wird von ihm auch erwartet. Der Beirat fordert von den Antragsstellern ein klares Bekenntnis zum Islam, eine aktive Teilnahme am religiösen Leben der islamischen Gemeinschaft, ein Empfehlungsschreiben des Imams der Moschee und zu guter Letzt ein Motivationsgespräch vor dem Beirat.
Die katholische und evangelische Kirche verfahren mit ihren angehenden Religionslehrern übrigens ähnlich - die katholische Kirche vergleichbar rigide wie der islamische Beirat, auch sie erwartet von den Lehramtsanwärtern ein klares Bekenntnis zum katholischen Glauben. Die evangelischen Landeskirchen verpflichten ihre Religionslehrer nach bestandenem Staatsexamen zu Besinnungs- und Einkehrtagen. Der islamische Beirat behält sich vor, gegebenenfalls die Lehrerlaubnis zu widerrufen. Der Schule, bestätigt Schulleiterin Elke Rothämel, bliebe in so einem Fall nichts anderes übrig, als sich dem Votum zu beugen und den Lehrer abzuziehen. Sie ist aber optimistisch:
"Ich sehe im Augenblick, ehrlich gesagt, keinen Anlass, darüber nachzudenken. ... Ich bin als Schulleiterin selbst evangelische Religionslehrerin, wir sind in sehr offenem, zugewandtem Gespräch. Ich sehe ... mich schon als jemand, der etwas stiften möchte, und das heißt tatsächlich, auch ein Miteinander herzustellen, einen Dialog zwischen den Schülern, eine Form des offenen Umgangs, die fordert, dass man von einander weiß, viel weiß."
Lehrer: "Wie geht es weiter, wenn ihr nach Hause kommt? Wir schlafen nicht, Semi, wir setzen uns richtig hin, ich sitz auch nicht so. Was heißt Opferfest? Was machen die Väter, wenn sie dann aus der Moschee kommen? Was ist dir eingefallen?"
Schüler: "Die schlachten."
Lehrer: "Na also. Was Seid ihr alleine zuhause? Erzähl. Dann kommt natürlich die ganze Verwandtschaft, so wie das zu Weihnachten ist bei den Christen oder zu Ostern. Dann kommen die zu Besuch, die ganze Verwandtschaft kommt, dann küsst man die Hand der Älteren und dann gibt's natürlich von allen Geld, so feiert man gemeinsam, dann gibt's natürlich Süßigkeiten - bei euch nicht?"
Die Religionsstunde geht zu Ende. Das islamische Opferfest wird auch in der nächsten Religionsstunde noch Thema sein. Bereits als Jugendtrainer vermittelte Hikmet Gökdemir zwischen den Kulturen, zwischen den Nachwuchsspielern deutscher und ausländischer Herkunft.
Einen festen Trainer-Job fand er jedoch nicht. Er fühlte sich zu Unrecht ausgegrenzt. Tief enttäuscht darüber fand er seinen Weg zum Glauben. Heute ist er in Niedersachsen der erste Lehrer für islamischen Religionsunterricht - und zwar an einer evangelischen Gesamtschule:
"Ich freue mich, dass die evangelische Kirche einen Schritt nach vorne gemacht hat, normalerweise soll es erst 2014 beginnen. So findet auch Integration statt, dass die muslimischen Eltern ihre Kinder hierher an die IGS schicken, die sind den anderen Schulen zwei Jahre voraus."