Vom Empfänger zum Sender
21.10.2008
Sollte Barack Obama im November die US-Präsidentenwahl gewinnen, dürfte dies auch auf seinen geschickten Umgang mit dem Internet zurückzuführen sein, so die These von Tobias Moorstedt in seinem Buch "Jeffersons Erben". Als einziger Kandidat habe Obama erkannt, dass die interaktiven Werkzeuge des Netzes allen zur Verfügung stehen, die an der gesellschaftlichen Debatte teilnehmen wollen.
Drei Monate lang ist Tobias Moorstedt für sein Buch "Jeffersons Erben" durch die USA gereist, hat Programmierer und Webstrategen besucht, Studenten, Arbeiter und Angestellte getroffen, mit dem Internet-Direktor von Barack Obama gesprochen. Und er ist bei seinen Recherchen tief in die amerikanische Geschichte zurückgegangen, um deutlich zu machen: Was derzeit in den USA geschieht, entspricht ganz dem amerikanischen Geist.
Es wäre absolut im Sinne von Thomas Jefferson gewesen, dem maßgeblichen Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, der zeitlebens über die ideale Art der Bürgerbeteiligung an der Politik nachgedacht hatte. Von der Version 2.0 der amerikanischen Revolution ist denn auch bereits in den USA die Rede und die neuen Revolutionäre sind, klar: Jeffersons Erben.
Moorstedt stellt diese Entwicklung zunächst in den historischen Kontext. Mit neuen Medien entstehen neue Öffentlichkeiten und neue Formen der politischen Interaktion, so lässt sich sein Streifzug durch die amerikanische Geschichte zusammenfassen - angefangen bei den Gründungsjahren der USA, als noch Boten und Gemeindeschreiber Botschaften überbrachten bis hin zum ersten TV-Duell zwischen Kennedy und Nixon 1960 und dem heutigen Wahlkampf, der stark durch das Internet geprägt ist. Die Sieger, so ein Fazit Moorstedts, verfügten alle über ein "intuitives Verständnis für neue Kommunikationsformen" sowie "das Talent, diese für sich zu nutzen".
Barack Obama ist denn auch der erste Präsidentschaftskandidat, der das Netz zum integralen Bestandteil seiner Wahlkampagne gemacht hat. Was das praktisch bedeutet, lässt sich ausführlich in Moorstedts Buch nachlesen. Er berichtet von sogenannten "Support"-Gruppen, die sich auf der Website mybarackobama.com zusammengefunden haben. Mehr als eine Million Menschen sind zurzeit auf dieser Seite registriert.
Wir erfahren, wie neue Software diese Art der Organisation überhaupt möglich macht. Beschrieben wird der - mitunter - enorme Einfluss von Blogs und von voter-generated-content, Inhalten, die von den Wählern selbst produziert und ins Netz gestellt werden. Beeindruckend liest sich, wie Obama erfolgreich mit Hilfe von E-Mails, Blogs und Website-Buttons Spendengelder sammelt - eine Voraussetzung, um gegenüber dem politischen Establishment zu punkten.
Und wir bekommen die Gesichter hinter den Kampagnen, Blogs und Netzwerken zu sehen, die einfachen Bürger sowie die Internetprofis. Das Internet bietet allen Raum, aktiv zu werden, "Stimme - Gesicht - Space" lauten die Ingredienzien, die ein Kandidat mitbringen muss, um heute zu siegen.
Und danach? Was passiert mit all den Aktiven, wenn die Schlachten geschlagen sind? Werden die Menschen dauerhaft in den politischen Prozess zurückgeholt, wird ihre Stimme auch später noch gehört? Auf diese Fragen bietet das Buch nur Mutmaßungen, Hoffnungen, Ideen - wie etwa die Vorstellung, dass mit Hilfe des Open-Source-Prinzips die Bürger an der Erstellung von Gesetzestexten mitwirken könnten.
Doch was tatsächlich passiert, kann niemand vorhersagen. Ebenso wenig ist prognostizierbar, ob sich diese "Partizipationsarchitektur" aus dem amerikanischen Wahlkampf etwa auf bundesdeutsche Verhältnisse übertragen lässt. Moorstedt hält dies für möglich, woher er die Zuversicht nimmt, wird allerdings nicht klar. So ist "Jeffersons Erben" vor allem eine sehr gute Beschreibung des aktuellen amerikanischen Wahlkampfs, weshalb der Untertitel zurückhaltender und treffender lauten sollte: "Wie die digitalen Medien den amerikanischen Wahlkampf verändern".
Rezensiert von Vera Linß
Tobias Moorstedt: Jeffersons Erben
Wie die digitalen Medien die Politik verändern
edition suhrkamp, Frankfurt/Main 2008
165 Seiten, 9 Euro
Es wäre absolut im Sinne von Thomas Jefferson gewesen, dem maßgeblichen Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, der zeitlebens über die ideale Art der Bürgerbeteiligung an der Politik nachgedacht hatte. Von der Version 2.0 der amerikanischen Revolution ist denn auch bereits in den USA die Rede und die neuen Revolutionäre sind, klar: Jeffersons Erben.
Moorstedt stellt diese Entwicklung zunächst in den historischen Kontext. Mit neuen Medien entstehen neue Öffentlichkeiten und neue Formen der politischen Interaktion, so lässt sich sein Streifzug durch die amerikanische Geschichte zusammenfassen - angefangen bei den Gründungsjahren der USA, als noch Boten und Gemeindeschreiber Botschaften überbrachten bis hin zum ersten TV-Duell zwischen Kennedy und Nixon 1960 und dem heutigen Wahlkampf, der stark durch das Internet geprägt ist. Die Sieger, so ein Fazit Moorstedts, verfügten alle über ein "intuitives Verständnis für neue Kommunikationsformen" sowie "das Talent, diese für sich zu nutzen".
Barack Obama ist denn auch der erste Präsidentschaftskandidat, der das Netz zum integralen Bestandteil seiner Wahlkampagne gemacht hat. Was das praktisch bedeutet, lässt sich ausführlich in Moorstedts Buch nachlesen. Er berichtet von sogenannten "Support"-Gruppen, die sich auf der Website mybarackobama.com zusammengefunden haben. Mehr als eine Million Menschen sind zurzeit auf dieser Seite registriert.
Wir erfahren, wie neue Software diese Art der Organisation überhaupt möglich macht. Beschrieben wird der - mitunter - enorme Einfluss von Blogs und von voter-generated-content, Inhalten, die von den Wählern selbst produziert und ins Netz gestellt werden. Beeindruckend liest sich, wie Obama erfolgreich mit Hilfe von E-Mails, Blogs und Website-Buttons Spendengelder sammelt - eine Voraussetzung, um gegenüber dem politischen Establishment zu punkten.
Und wir bekommen die Gesichter hinter den Kampagnen, Blogs und Netzwerken zu sehen, die einfachen Bürger sowie die Internetprofis. Das Internet bietet allen Raum, aktiv zu werden, "Stimme - Gesicht - Space" lauten die Ingredienzien, die ein Kandidat mitbringen muss, um heute zu siegen.
Und danach? Was passiert mit all den Aktiven, wenn die Schlachten geschlagen sind? Werden die Menschen dauerhaft in den politischen Prozess zurückgeholt, wird ihre Stimme auch später noch gehört? Auf diese Fragen bietet das Buch nur Mutmaßungen, Hoffnungen, Ideen - wie etwa die Vorstellung, dass mit Hilfe des Open-Source-Prinzips die Bürger an der Erstellung von Gesetzestexten mitwirken könnten.
Doch was tatsächlich passiert, kann niemand vorhersagen. Ebenso wenig ist prognostizierbar, ob sich diese "Partizipationsarchitektur" aus dem amerikanischen Wahlkampf etwa auf bundesdeutsche Verhältnisse übertragen lässt. Moorstedt hält dies für möglich, woher er die Zuversicht nimmt, wird allerdings nicht klar. So ist "Jeffersons Erben" vor allem eine sehr gute Beschreibung des aktuellen amerikanischen Wahlkampfs, weshalb der Untertitel zurückhaltender und treffender lauten sollte: "Wie die digitalen Medien den amerikanischen Wahlkampf verändern".
Rezensiert von Vera Linß
Tobias Moorstedt: Jeffersons Erben
Wie die digitalen Medien die Politik verändern
edition suhrkamp, Frankfurt/Main 2008
165 Seiten, 9 Euro