Vom Eis auf die Bühne

Von Brigitte Neumann |
Im Rampenlicht stand er schon immer. Als Kind war er Deutscher Meister im Eiskunstlauf. Dann tanzte er Ballett. Letztlich wurde er Schauspieler. Ruhm ist Schauspieler Mirco Kreibich dennoch suspekt.
Und wenn das Vergnügen beiderseits ist, dann reiten Publikum und Mime auf einer Welle – gemeinsam.
So ist das, wenn ein Theaterabend gut geht. Aber wenn nicht ...

„... dann ist halt so prrch, dann fällt ‚s halt richtig runter. Und man steht dann so auf der Bühne und denkt Mpchz! Im schlimmsten Fall legt man dann noch ‚ne Schippe nach oder so, aber dann wird's ja meist sowieso ganz grässlich, wenn man denkt, oh, oh, das reicht nicht, ich muss jetzt noch ‚n bisschen ü hüh, muss jetzt noch bisschen arbeiten, damit es nach oben geht. Das ist ja eh quatsch.“

Aber manchmal geht gar nichts mehr. Dann riskiert er zu viel für die Rolle. Als Baal hat Kreibich sich die Hand zerschnitten, als Caligula den Wangenknochen gebrochen. Seine Freundin schimpfe deshalb mit ihm, er sei unkontrolliert, erzählt Mirco Kreibich. Das hält er für quatsch. Aber dann sagt er:

„Ich glaube, man wünscht sich sogar manchmal, dass was passiert, ... insofern dass gerade bei so Rollen wie Caligula oder Baal, die ja nun wirklich auch Selbstzerstörer sind, und wenn man das dann spielt und sich so reinschmeißt und vor allem verstehen kann, was die für Gedanken haben, der sie dazu bringt, so selbstzerstörerisch zu sein ... Es kommt, wenn, dann eher daher, dass man das Bedürfnis hat, dem wirklich gerecht zu werden.“

Mirco Kreibich, das ist ein Teil der Faszination, die er ausübt, ist immer absolut bei der Sache, seine Bühnenpräsenz ist total und exzessiv.

Die Schauspielerei ist Mirco Kreibichs dritter Beruf – mit 27 eine stolze Bilanz. Er will dabei so gut sein, wie bei allem, was er bislang angepackt hat. Noch zu DDR-Zeiten, mit vier, kam er in einen Sportkindergarten, mit sechs auf ein Sportgymnasium, mit neun war er Dritter bei den Deutschen Meisterschaften im Eiskunstlaufen. Mit elf wechselte er auf eine Ballettschule, bevor er mit 18 an der Ernst-Busch-Schauspielschule angenommen wurde. Ein strammes Programm. Gefragt, ob die Eltern das so wollten, verschließt sich Kreibichs Gesicht auf einmal.

„Oh Gott. Nee, aber das hat sich ja alles so ergeben, mit dem Eiskunstlauf und dann mit dem Ballett. Und bei dem Ballett hab ich dann gemerkt, dass Ballett nicht ausreicht – egal. Und die Schule ist auch schrecklich gewesen. Und ich wollte das nicht mehr alles. Weil das Ballett mir zu wenig Ausdrucksmöglichkeiten gegeben hat. Und es ja dann auch einfach nur ein Sport ist auf eine gewisse Art und Weise, dieses Ballett, und das wollte ich nicht.“

Über seine Familie redet er nicht gern. Dass er eben schon früh auf eigenen Beinen stand, sagt er. Und dass er daran nichts Schlechtes sehen könne. Dann greift er zu seinem Pappbecher mit Kaffee und versenkt sein Gesicht darin. Soll heißen: Schluss damit!

Auch kein Wort über die DDR, in der er aufwuchs. Ein Staat, der ja gerne Ausnahmetalente in seine Dienste stellte, um sich im Glanz ihrer Leistungen zu spiegeln. Aber Mirco Kreibich schwärmt von einem Onkel aus Sachsen. Und aus den Tagen mit ihm rührt seine Idee her für einen vierten Beruf: Gitarrenbauer.

" Weil ich so seit meiner Kindheit mit meinem Onkel, der hat'n Weinberg bei Dresden, und waren immer Kanu fahren und so‘ n Spaß, ... Und ich hab immer Holz gehackt und geschnitzt. Daher kommt so‘ ne Leidenschaft für Holz und das Bearbeiten dieses Materials und das zu vereinen mit der Herstellung eines der schönsten Instrumente, die ich kenne, das wär ein großer Traum von mir.“

Erst einmal beginnt jetzt aber Kreibichs zweite Spielzeit am Hamburger Thalia Theater. Er wird ab Januar den Don Carlos geben, zuvor aber spielt er in einem von Feridun Zaimoglu märchenhaft bearbeiteten Hamlet die Höflinge Rosenkranz und Güldenstern. Für den 27-Jährigen bietet das Spielen in zweiter Reihe vielleicht auch die Chance auszuprobieren, wie es wäre, ein wenig mehr Luft zwischen sich und seine Figuren zu lassen. Oder?

" Das ist wirklich das Einzige, was schade ist an diesem Beruf. Es muss halt dann so ‚ne blöde Trennung geben. Also wenn: ganz oder gar nicht. Aber das find ich schade.“

Kreibich streicht seine fliegenden blonden Haare zurück, ruckelt ein wenig auf dem Stuhl. Eine vorsorglich gedrehte Zigarette rollt auf den Tischrand zu. Interviews machen ihn nervös. Überhaupt die ganzen Begleiterscheinungen des Berufs, die machen ihn nervös. Im Sommer hat er seinen ersten Preis bekommen, für eine Tatort-Hauptrolle als Junkie. Die Verleihung war ihm eine Qual.

" „Was da für Leute rumrennen, wie die miteinander reden. ... Dieses Abgescanne gegenseitig. Und da ist eine Stimmung und Unnatürlichkeit, die ist wirklich unfassbar.“

Ruhm in dieser Form ist Mirco Kreibich zutiefst suspekt. Vielleicht weil das bekannte Setting fehlt: der Schutzraum der Bühne, die Anonymität des Publikums.

Ruhm mag Schwindel sein. Ganz ohne auskommen zu müssen wäre für einen Schauspieler aber auch eine Katastrophe.