Vom Dilettanten zum gefragten Szenenbildner

Von Camilla Hildebrandt |
Als einer der gefragtesten deutschen Szenenbildner ist er dieses Jahr für die 58. Internationalen Filmfestspiele in Berlin in die Wettbewerbsjury berufen worden: Uli Hanisch. Zum Film kam er über Umwege und mit Hilfe von Christoph Schlingensief. Heute arbeitet er mit Regiegrößen wie Tom Tykwer, Sönke Wortmann und Peter Greenaway zusammen.
Die Berlinale tobt, die Zuschauer belagern den Eingang, die Jury-Mitglieder stehen unter Dauer-Stress. Aber Uli Hanisch - Jeans, weißes Hemd, graue Woll-Weste und noch immer ein entspanntes Lächeln im Gesicht - nimmt sich eine Auszeit, in der Berlinale-Lounge, weit weg vom Roten Teppich und den verdrahteten Aufpassern. Was er hier eigentlich den ganzen Tag macht?

(lachen) "Also, wir gucken zwei bis drei Filme am Tage, meistens geht es morgens los. Das ist das erste Interview, das ich gebe, ich hab noch eine Anfrage bis jetzt, aber ich glaube Frau Kruger und Costa Gavras haben sicher mehr. Wir müssen überhaupt keine Stars treffen, tun wir auch nicht. Wir hängen genauso wie das ganze andere Volk auf unnötigen Empfängen rum und versuchen uns ein wenig zu amüsieren."

Mit Film hatte Uli Hanisch am Anfang seiner Karriere - mit 20 - eigentlich gar nichts zu tun. Aber als Grafiker lernte er Christoph Schlingensief kennen - das heutige "enfant terrible" der Theater- und Filmszene.

Beide wohnten damals in Mülheim - so ergab sich das irgendwie, meint Hanisch. Und aus dem Grafiker, der die Filmplakate gestaltete, wurde bald der Aufnahmeleiter und 1989 der Szenenbildner für Schlingensiefs Film "100 Jahre Adolf Hitler - die letzten Tage im Führerbunker".

"Wir waren damals alle Dilettanten, das war sehr schön, das zusammen zu lernen, das ist sicher auch ein Grund dafür, dass es so klappt bei mir offensichtlich, weil wir einen so guten Start hatten und es uns gegenseitig beigebracht haben, und es dann einfach behauptet haben, dass wir es können."

Fast zehn Jahre später - 1996 - trifft Uli Hanisch auf Regisseur Tom Tykwer. Für vier seiner Filme gestaltet er die Szenerie, denn das Phantastische reizt ihn an dessen Arbeiten. Zum Beispiel in dem Film "Der Krieger und die Kaiserin": die Geschichte der Krankenschwester Sissi, die in der Psychiatrie arbeitet und wohnt.

"Es gibt diese Innenwelt der Psychiatrie, die eben auch ihre Innenwelt ist und dann eine Außenwelt, die ihr relativ unbekannt ist, aber in der sie sich plötzlich anfängt zu bewegen, und das ist die Stadt Wuppertal. Und da gibt es Blickwinkel, die eben nur ihre sind, und die ganzen Motive, die haben immer so eine Facette, die das Ganze speziell macht und entrückt, das ist glaube ich der richtige Ausdruck!"

Die Realität so darzustellen, wie sie zu sein "scheint" - das begeistere Hanisch überhaupt nicht. Realität sei außerdem ein sehr nackter Begriff...

"....der mich überhaupt nicht interessiert und auch nicht inspiriert. Was ist Realität? Weiß ich gar nicht! Es gibt immer Sachen, die man bedienen muss, in der Bäckerei wird man an einem Brötchen nicht vorbeikommen. Aber es gibt doch viele Darstellungsformen und Unterschiede, und ich versuche die Realität in irgendeiner Form zu 'dehnen'.

Wie man startet, wie man das macht, die Methode als solche? (Lachen) Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Man liest das Drehbuch, versucht einen Zugang zu finden, worum es inhaltlich über die Geschichte hinaus geht, man redet mit dem Regisseur, man fängt an zu recherchieren, fängt an Motive zu suchen und dann fängt man mit der Vorbereitung an."

Er sei ein Harmoniemensch, gibt Uli Hanisch zu. Mit dem Regisseur streiten, um seine Vorstellung des Szenenbildes durchzusetzen? Nein - da halte er es lieber mit Peter Greenaway, der ihn während der Dreharbeiten für "The baby of Macon" sehr beeindruckte.

"Das war so ein Moment, wo wir etwas geprobt haben, mit ganz vielen Leuten, während einer laufenden Kamerafahrt, große Tische von einer Schiene zu heben, das klappte natürlich am Anfang nicht. Und dann irgendwann lagen die Nerven blank, es war kurz davor sich an die Gurgel zu gehen. Und dann kam er vorbei und sagte: 'Don´t worry, it´s only a Film' - das hab ich mir sehr gemerkt!

Das ist wirklich so, genauso wie hier auf der Berlinale, wenn man sich den Zirkus da unten anguckt, oder wenn wir drehen, wenn wir mit Security und Straßensperren kommen und großem Gerät, das ist immer so eine Mischung aus Wanderzirkus und einer Armee. Wir sind sehr albern in dem, was wir tun - was wir machen, ist eins zu eins im Übertragenen das, was Kinder machen, nämlich spielen, nur, dass wir sehr teure Werkzeuge haben!"

Und seine Wettbewerbsjury-Arbeit jetzt auf der Berlinale?

"Es ist ganz toll, noch toller, als ich gedacht hab..."

So viele gute Filme in Ruhe anzusehen und dabei hoch konzentriert Notizen machen zu können - das sei für einen Vater zweier Kinder natürlich etwas Besonderes.

"Man weiß ja, dass man sich eine Meinung bilden muss, irgendwas Schlaues später darüber sagen muss, wenn man mit anderen schlauen Menschen zusammensitzt und einem sehr schlauen Fachpublikum am Ende wirklich eine Bewertung zumuten muss, die ja auch schlau sein muss - das ist gerade sehr stimulierend!"