Vom Cello zum Drama
Der Stückemarkt, seit 1978 Teil des Berliner Theatertreffens, will neue Texte für das Theater entdecken und Autoren fördern. Unter den ausgewählten Einsendungen ist auch "4 1/2" von Arna Aley. Mit ihrem neuen Stück ist die gebürtige Litauerin vollends in Deutschland angekommen.
"Beim Schreiben hat man die Figuren um sich herum, das ist so wie die Familie, wie die Freunde, die um Dich versammelt sind. Man unterhält sich mit denen, man gibt denen Aufgaben, man fühlt sich ein bisschen wie Gott im eigenen Schreibzimmer."
Um sich aber wirklich wie Gott im Schreibzimmer fühlen zu können, benötigt Arna Aley absolute Ruhe. Wenn die 36-Jährige an einem Stück schreibt, zieht sie sich wochenlang in ihre Arbeitswohnung zurück. Die befindet sich eine Etage unter der, die sie gemeinsam mit ihrem Freund im Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg bewohnt.
"Ich kann kein Parallelleben ertragen, wenn ich schreibe. Mein Leben ist dann das, was sich in dem Stück abspielt. Man erlaubt sich asketisch, irgendwie bedacht und sehr für mich sinnvoll zu leben."
Die Dramatik hat die Tochter eines Ingenieurs erst spät für sich entdeckt, auch wenn sie schon früh mit dem Theater in Berührung gekommen ist. Die Mutter leitet das Kulturhaus in der kleinen litauischen Stadt Panevezys, in der Arna Aley aufgewachsen ist. Sie träumt schon früh davon, Schriftstellerin zu sein. Aber sie schreibt nicht, nicht einmal Tagebuch. Sie spielt Violoncello. Schon mit sieben wird ihr musikalisches Talent in der Schule entdeckt.
"Es war sehr schön für mich, weil in dieser tristen Stadt, dieser Arbeiterstadt fühlte ich mich als was besonderes. Ich bin sehr oft spazieren gegangen mit dem Cello. Ich habe wenig geübt, aber ich bin viel gelaufen mit dem Instrument, einfach um mich als was anderes, besonderes zu fühlen."
Mit 16 beschleicht sie das Gefühl alles zu kennen, was ihre Heimatstadt zu bieten hat. So schmeißt sie die Musik-Schule und geht allein nach Vilnius, um dort weiter an der Musikakademie Violoncello zu studieren. Danach arbeitet sie als Orchestermusikerin bis die Zeit wieder reif ist für Veränderungen. 1996 fährt sie nach Berlin und bleibt, obwohl der Besuch in Deutschland lediglich als Stippvisite geplant war.
"Du bist in einem Land, wo dich keiner kennt und man ist so frei, man kann alles ausprobieren, ich bin sehr glücklich, dass ich diesen Schritt gemacht habe."
Erst sehr spät mit 27 Jahren und auch erst in Deutschland beginnt sie zu schreiben. Und dass in einer Fremdsprache. Deutsch hat sie zuvor eineinhalb Jahre am Goethe-Institut gelernt und gleichzeitig die Hochschulreife absolviert, weil ihr Musikabitur hier nicht anerkannt wird. Ihre Entwürfe für die Aufnahmeprüfung Szenisches Schreiben an der Universität der Künste in Berlin sind zugleich ihre ersten Texte überhaupt. Nach dem Studium 2002 schreibt sie vormittags und jobbt am Nachmittag als Kellnerin. Auch wenn sie da schon mal in die unangenehme Situation kommt, den Verleger bedienen zu müssen, dem sie ein paar Tage zuvor ihre Stücke zeigte.
"Berlin ist eine Stadt, in der man alles machen kann. In Litauen wäre das nicht möglich. Man wäre dann als Autor nicht angesehen, wenn man irgendwo jobbt. Dann muss man auch den Schein bewahren und die Form bewahren, das stört mich übrigens auch in dem Land."
Auch inhaltlich hat sich die ganz in schwarz gekleidete und dezent geschminkte Autorin von ihrem Heimatland entfernt. Setzte sie sich noch in ihren ersten Stücken wie "Deutsch als Fremd" oder "Im siebten Himmel ist Ruh" mit der Geschichte Litauens auseinander, ist sie mit ihrem Stück "4 ½" vollends in Deutschland angekommen.
Tatou, Ende 20, ist eine Frau, die nicht erwachsen wird. In Berlin lebend, stolpert sie von einer Beziehungskatastrophe in die nächste. Weil ihr Freund sie vor die Tür setzt, rächt sie sich am männlichen Geschlecht. Sie zeigt einen flüchtigen Bekannten an, weil dieser sie angeblich vergewaltigt hat. Als sie sich bei der Familie entschuldigen will, stellt sie fest, dass die Ehefrau froh ist, ihren Mann endlich los zu sein. Und während er seine Strafe absitzt, freunden sich die beiden Frauen an.
"Es ist auch sehr wichtig zu sehen, was die anderen aus einem Stück machen, oder wie sie dein Stück aufnehmen, ob es überhaupt verständlich ist, ob die Leute vielleicht das Stück nehmen und sagen, die Sprache ist mir viel zu exotisch, so spricht kein Mensch in Deutschland."
Ihre Befürchtungen wurden bisher zerstreut. Sie heimste mehrere Preise ein und erhielt das begehrte Jahresstipendium der Alfred-Toepfer-Stiftung. Dennoch will sie weiter an ihrer Schreibtechnik arbeiten. Und da sie auch Geld verdienen muss, liegt es nahe, dies am Theater zu tun. Sie bewirbt sich 2005 als Regieassistentin bei Claus Peymann am Berliner Ensemble.
"Ich habe gedacht - das würde vielleicht gut tun für das Schreiben, warum manche Striche gemacht werden oder überhaupt wie die Umsetzung des Textes funktioniert. Warum eine Figur lebendig wird und die andere wird aber nicht lebendig. Ich habe gemerkt, ich schreibe anders, ich schreiben wirklich fürs Theater und nicht für das Leben."
Zurzeit möchte Arna Aley wieder zurück in die Welt ihrer Figuren. Deswegen wird sie zum Herbst am BE kündigen und sich dann an ein neues Stück setzen.
"Ich habe nicht den großen Wunsch, eine berühmte Dramatikerin zu werden. Das interessiert mich nicht wirklich. Mich interessiert wirklich dieser Moment des Schreibens: das ist das Schönste."
Um sich aber wirklich wie Gott im Schreibzimmer fühlen zu können, benötigt Arna Aley absolute Ruhe. Wenn die 36-Jährige an einem Stück schreibt, zieht sie sich wochenlang in ihre Arbeitswohnung zurück. Die befindet sich eine Etage unter der, die sie gemeinsam mit ihrem Freund im Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg bewohnt.
"Ich kann kein Parallelleben ertragen, wenn ich schreibe. Mein Leben ist dann das, was sich in dem Stück abspielt. Man erlaubt sich asketisch, irgendwie bedacht und sehr für mich sinnvoll zu leben."
Die Dramatik hat die Tochter eines Ingenieurs erst spät für sich entdeckt, auch wenn sie schon früh mit dem Theater in Berührung gekommen ist. Die Mutter leitet das Kulturhaus in der kleinen litauischen Stadt Panevezys, in der Arna Aley aufgewachsen ist. Sie träumt schon früh davon, Schriftstellerin zu sein. Aber sie schreibt nicht, nicht einmal Tagebuch. Sie spielt Violoncello. Schon mit sieben wird ihr musikalisches Talent in der Schule entdeckt.
"Es war sehr schön für mich, weil in dieser tristen Stadt, dieser Arbeiterstadt fühlte ich mich als was besonderes. Ich bin sehr oft spazieren gegangen mit dem Cello. Ich habe wenig geübt, aber ich bin viel gelaufen mit dem Instrument, einfach um mich als was anderes, besonderes zu fühlen."
Mit 16 beschleicht sie das Gefühl alles zu kennen, was ihre Heimatstadt zu bieten hat. So schmeißt sie die Musik-Schule und geht allein nach Vilnius, um dort weiter an der Musikakademie Violoncello zu studieren. Danach arbeitet sie als Orchestermusikerin bis die Zeit wieder reif ist für Veränderungen. 1996 fährt sie nach Berlin und bleibt, obwohl der Besuch in Deutschland lediglich als Stippvisite geplant war.
"Du bist in einem Land, wo dich keiner kennt und man ist so frei, man kann alles ausprobieren, ich bin sehr glücklich, dass ich diesen Schritt gemacht habe."
Erst sehr spät mit 27 Jahren und auch erst in Deutschland beginnt sie zu schreiben. Und dass in einer Fremdsprache. Deutsch hat sie zuvor eineinhalb Jahre am Goethe-Institut gelernt und gleichzeitig die Hochschulreife absolviert, weil ihr Musikabitur hier nicht anerkannt wird. Ihre Entwürfe für die Aufnahmeprüfung Szenisches Schreiben an der Universität der Künste in Berlin sind zugleich ihre ersten Texte überhaupt. Nach dem Studium 2002 schreibt sie vormittags und jobbt am Nachmittag als Kellnerin. Auch wenn sie da schon mal in die unangenehme Situation kommt, den Verleger bedienen zu müssen, dem sie ein paar Tage zuvor ihre Stücke zeigte.
"Berlin ist eine Stadt, in der man alles machen kann. In Litauen wäre das nicht möglich. Man wäre dann als Autor nicht angesehen, wenn man irgendwo jobbt. Dann muss man auch den Schein bewahren und die Form bewahren, das stört mich übrigens auch in dem Land."
Auch inhaltlich hat sich die ganz in schwarz gekleidete und dezent geschminkte Autorin von ihrem Heimatland entfernt. Setzte sie sich noch in ihren ersten Stücken wie "Deutsch als Fremd" oder "Im siebten Himmel ist Ruh" mit der Geschichte Litauens auseinander, ist sie mit ihrem Stück "4 ½" vollends in Deutschland angekommen.
Tatou, Ende 20, ist eine Frau, die nicht erwachsen wird. In Berlin lebend, stolpert sie von einer Beziehungskatastrophe in die nächste. Weil ihr Freund sie vor die Tür setzt, rächt sie sich am männlichen Geschlecht. Sie zeigt einen flüchtigen Bekannten an, weil dieser sie angeblich vergewaltigt hat. Als sie sich bei der Familie entschuldigen will, stellt sie fest, dass die Ehefrau froh ist, ihren Mann endlich los zu sein. Und während er seine Strafe absitzt, freunden sich die beiden Frauen an.
"Es ist auch sehr wichtig zu sehen, was die anderen aus einem Stück machen, oder wie sie dein Stück aufnehmen, ob es überhaupt verständlich ist, ob die Leute vielleicht das Stück nehmen und sagen, die Sprache ist mir viel zu exotisch, so spricht kein Mensch in Deutschland."
Ihre Befürchtungen wurden bisher zerstreut. Sie heimste mehrere Preise ein und erhielt das begehrte Jahresstipendium der Alfred-Toepfer-Stiftung. Dennoch will sie weiter an ihrer Schreibtechnik arbeiten. Und da sie auch Geld verdienen muss, liegt es nahe, dies am Theater zu tun. Sie bewirbt sich 2005 als Regieassistentin bei Claus Peymann am Berliner Ensemble.
"Ich habe gedacht - das würde vielleicht gut tun für das Schreiben, warum manche Striche gemacht werden oder überhaupt wie die Umsetzung des Textes funktioniert. Warum eine Figur lebendig wird und die andere wird aber nicht lebendig. Ich habe gemerkt, ich schreibe anders, ich schreiben wirklich fürs Theater und nicht für das Leben."
Zurzeit möchte Arna Aley wieder zurück in die Welt ihrer Figuren. Deswegen wird sie zum Herbst am BE kündigen und sich dann an ein neues Stück setzen.
"Ich habe nicht den großen Wunsch, eine berühmte Dramatikerin zu werden. Das interessiert mich nicht wirklich. Mich interessiert wirklich dieser Moment des Schreibens: das ist das Schönste."