Vom bürgerlichen Theaterstar zum kommunistischen Künstler
Wolfgang Langhoff war Schauspieler, Regisseur und nach dem Krieg Intendant am Deutschen Theater in Ost-Berlin. Seine Biografin Esther Slevogt liest dieses Leben als einen "Jahrhundertroman", in dem der charismatische Theatermann als Schlüsselfigur fungiert.
"Größe: 1,71, Gewicht: 72 kg, Haare: dunkelblond, Augen: blau, Religion: Dissident" – diese Angaben zur Person erteilt Wolfgang Langhoff am 1. Januar 1946 dem Entnazifizierungsausschuss bei der Britischen Militärregierung. Er will sich amtlich beglaubigen lassen, dass seine Biografie "unbelastet" sei. Doch was bedeutet dieser Vermerk heute? Die Biografin Esther Slevogt liest Langhoffs Biografie als einen "Jahrhundertroman", in dem der charismatische Theatermann als "Schlüsselfigur" fungiert. An diesem Leben kann deutlich gemacht werden, "wie gering der Spielraum des Einzelnen im Sog der historischen und ideologischen Kräfte" ist.
Am 6. Oktober 1901 in Berlin-Charlottenburg geboren, verlässt Langhoff fünfzehnjährig die Schule, heuert als Matrose an und nimmt 1919 als Meldereiter am Kampf um Riga teil. In der Darstellung Slevogts erscheinen diese Daten wie ein abenteuerliches Vorspiel für ein Leben auf dem Theater, das sich bald darauf in Düsseldorf, Wiesbaden, Hamburg, Zürich und nach Kriegsende in Ost-Berlin abspielt. Langhoff wird als Peer Gynt in Ibsens gleichnamigem Stück und als Franz Moor in Schillers "Räubern" gefeiert. Als Mephisto im "Faust" und als Piccolomini im "Wallenstein" geht er in die Geschichte der großen Pantomimen ein. Die "sezierende Behandlung der Sprache" wird zu seinem Markenzeichen.
Zu keiner Zeit aber begreift sich Langhoff nur als Schauspieler oder Theaterregisseur. Als politischer Mensch, der niemals privat denkt und lebt, wird der Kommunismus zum Sehnsuchtspotenzial. Das veranlasst die Biografin, von einer Doppelexistenz zwischen "bürgerlichem Theaterstar und kommunistischen Künstler" zu sprechen. Das ändert sich erst nach Kriegsende, als er 1946 zum Intendanten des legendären "Deutschen Theaters" in der SBZ Berlins berufen wird. Denn es ist vor allem die Symbiose von Kunst/Theater und Ideologie/Politik, die seinen Traum von einem "Leben mit der großen Linie" erfüllt.
In diese große Linie gehört auch die bittere Erfahrung, die er 1933 mit der Deportation in das "Staatlich Preußische Konzentrationslager I" Börgermoor machen muss. 13 Monate Tortur bestärken ihn in der Haltung, gegen das Terrorsystem nun erst recht kämpfen zu müssen. Dabei bleibt Langhoffs Waffe stets das Wort. Bereits 1935 erscheint sein Bericht "Die Moorsoldaten" im Schweizer Spiegel-Verlag. Zu Recht stellt Slevogt diesen Zeitabschnitt als Zäsur dar. Denn die Publikation widerlegt nicht nur die These, man habe von den NS-Gräueltaten vor Kriegsbeginn nichts wissen können. Auch Langhoffs oft missverstandene, weil unerschütterliche Parteidisziplin begründet sich daraus. Im Lager hatte er sie als lebensrettend erfahren, um sich im Sog nihilistischer Barbarei nicht aufzugeben.
Die Biografin Slevogt zeigt sich als eine Suchende, die mit rhetorischer Klarheit und großer Sachkenntnis ein deutsches Künstlerleben erkundet, das fast vergessen scheint. Ihr Denken ist rasterfrei und ohne kategorischen Imperativ. Wohltuend, wie sie dem Titel ihrer Biografie gerecht wird: "Den Kommunismus mit der Seele suchen". Denn der große Mime, Regisseur und Intendant Langhoff ist ohne den Kommunisten Langhoff nicht zu verstehen. Und dieser lässt sich mit keinem Marx-Zitat oder Parteiprogramm erklären.
Besprochen von Carola Wiemers
Esther Slevogt: Den Kommunismus mit der Seele suchen. Wolfgang Langhoff – ein deutsches Künstlerleben im 20. Jahrhundert
Kiepenheuer & Witsch Köln 2011
496 Seiten, 26,99 Euro
Am 6. Oktober 1901 in Berlin-Charlottenburg geboren, verlässt Langhoff fünfzehnjährig die Schule, heuert als Matrose an und nimmt 1919 als Meldereiter am Kampf um Riga teil. In der Darstellung Slevogts erscheinen diese Daten wie ein abenteuerliches Vorspiel für ein Leben auf dem Theater, das sich bald darauf in Düsseldorf, Wiesbaden, Hamburg, Zürich und nach Kriegsende in Ost-Berlin abspielt. Langhoff wird als Peer Gynt in Ibsens gleichnamigem Stück und als Franz Moor in Schillers "Räubern" gefeiert. Als Mephisto im "Faust" und als Piccolomini im "Wallenstein" geht er in die Geschichte der großen Pantomimen ein. Die "sezierende Behandlung der Sprache" wird zu seinem Markenzeichen.
Zu keiner Zeit aber begreift sich Langhoff nur als Schauspieler oder Theaterregisseur. Als politischer Mensch, der niemals privat denkt und lebt, wird der Kommunismus zum Sehnsuchtspotenzial. Das veranlasst die Biografin, von einer Doppelexistenz zwischen "bürgerlichem Theaterstar und kommunistischen Künstler" zu sprechen. Das ändert sich erst nach Kriegsende, als er 1946 zum Intendanten des legendären "Deutschen Theaters" in der SBZ Berlins berufen wird. Denn es ist vor allem die Symbiose von Kunst/Theater und Ideologie/Politik, die seinen Traum von einem "Leben mit der großen Linie" erfüllt.
In diese große Linie gehört auch die bittere Erfahrung, die er 1933 mit der Deportation in das "Staatlich Preußische Konzentrationslager I" Börgermoor machen muss. 13 Monate Tortur bestärken ihn in der Haltung, gegen das Terrorsystem nun erst recht kämpfen zu müssen. Dabei bleibt Langhoffs Waffe stets das Wort. Bereits 1935 erscheint sein Bericht "Die Moorsoldaten" im Schweizer Spiegel-Verlag. Zu Recht stellt Slevogt diesen Zeitabschnitt als Zäsur dar. Denn die Publikation widerlegt nicht nur die These, man habe von den NS-Gräueltaten vor Kriegsbeginn nichts wissen können. Auch Langhoffs oft missverstandene, weil unerschütterliche Parteidisziplin begründet sich daraus. Im Lager hatte er sie als lebensrettend erfahren, um sich im Sog nihilistischer Barbarei nicht aufzugeben.
Die Biografin Slevogt zeigt sich als eine Suchende, die mit rhetorischer Klarheit und großer Sachkenntnis ein deutsches Künstlerleben erkundet, das fast vergessen scheint. Ihr Denken ist rasterfrei und ohne kategorischen Imperativ. Wohltuend, wie sie dem Titel ihrer Biografie gerecht wird: "Den Kommunismus mit der Seele suchen". Denn der große Mime, Regisseur und Intendant Langhoff ist ohne den Kommunisten Langhoff nicht zu verstehen. Und dieser lässt sich mit keinem Marx-Zitat oder Parteiprogramm erklären.
Besprochen von Carola Wiemers
Esther Slevogt: Den Kommunismus mit der Seele suchen. Wolfgang Langhoff – ein deutsches Künstlerleben im 20. Jahrhundert
Kiepenheuer & Witsch Köln 2011
496 Seiten, 26,99 Euro