Vom Bauhaus zur neuen Welt

Von Volkhard App |
Josef Albers und László Moholy-Nagy lehrten in den 20er Jahren gemeinsam am Bauhaus, später arbeiten beide im US-Exil. Im Zentrum einer Ausstellung in Bielefeld stehen jetzt vor allem die eigenen Werke dieser Künstler. Auf eindrucksvolle Weise vermittelt die Schau den künstlerischen Aufbruch in die Moderne.
Im Februar 1923 kündigte Bauhaus-Gründer und -Direktor Walter Gropius zwei neue Lehrer an - den durch Fotogramme und konstruktivistische Malerei bekannt gewordenen László Moholy-Nagy und Josef Albers, der mit Glas gearbeitet und selber am Weimarer Bauhaus studiert hatte. Thomas Kellein, Leiter der Bielefelder Kunsthalle:

"Albers ist zunächst Volksschullehrer und tritt dann sehr früh in das Bauhaus ein und bleibt dort 12 Jahre. Moholy wird ihm vorgesetzt und ist als der sieben Jahre Jüngere Leiter der Metallwerkstatt, während Albers die Glaswerkstatt betreut. Moholy ist bei den Vorkursen die maßgebliche Figur. Beide widmen sich dieser Vorkurs-Pädagogik, mit der Kunst und Handwerk mit der Technik versöhnt werden sollen. In dem Augenblick, als Moholy Dessau verlässt, rückt Albers nach und darf auch in dessen Meisterhaus wohnen. So kann man sagen: Moholy ist anfangs der Virtuose, der den Vorsprung hat, aber in der zweiten Lebenshälfte wird Albers die stärkere, einflussreichere Figur."

Der "Vorkurs", den Moholy-Nagy und Albers in Weimar und Dessau betreuten, sollte die Studenten auf den effizienten Umgang mit Materialien einstimmen und dazu beitragen, eine angemessene innere Haltung zu finden, Ethik und Ästhetik galt es zu verbinden. Albers begann diesen Grundkurs so: Er betrat den Raum mit Zeitungen unter dem Arm und forderte die Studenten auf, aus dem Papier Bilder und Objekte zu entwickeln - und dabei weder Zeit noch Material zu verschwenden.

Im Zentrum der Bielefelder Schau aber stehen vor allem die eigenen Werke dieser Künstler: Auf frühen Gemälden und Zeichnungen von Moholy-Nagy beeindruckt die Harmonie seiner Rechtecke und Linien. Josef Albers war von solchen konstruktivistischen Höhenflügen nicht weit entfernt: Aus den zwanziger Jahren fallen seine mit Sandstrahltechnik bearbeiteten Glasbilder auf - Schönheit als Resultat einfacher, kühl kalkulierter geometrischer Formen. Er berührte gelegentlich gegenständliche Motive, indem er zum Beispiel in die Höhe geschichtete, schmale Rechtecke im Titel als "Wolkenkratzer" ausgab.

Albers ist in Bielefeld auch mit einigen Möbeln vertreten, die durch Schlichtheit und Funktionalität gefallen und in den Raum ausstrahlen: vier ineinander zu schiebenden Tischen sowie einem Clubsessel.

Überhaupt: Die einfachen Säle der Kunsthalle und die Bauhaus-Exponate finden vortrefflich zueinander. Dabei beherrscht der "Licht-Raum-Modulator" von Moholy-Nagy, diese kinetische, zwischen 1928 und 30 entwickelte Kunst-Maschine, ein ganzes Kabinett, ausgestellt ist hier eine Nachbildung aus jüngerer Zeit. Auf einer sich drehenden Scheibe sorgen bewegliche Teile aus poliertem Metall sowie Spiegel- und Kunststoffelemente für ein magisches Licht- und Schattenspiel an den Wänden:

"Moholy ist eigentlich ein Konstruktivist. Der 'Licht-Raum-Modulator' von 1930 ist vielleicht sein wichtigstes Werk überhaupt, das sich erst in der Bewegung und in den Schatten manifestiert."

Gerade mit seinen Fotoarbeiten zieht er die Blicke an: Durch ungewöhnliche Perspektiven werden die Motive in die Nähe von Abstraktionen oder konstruktivistischen Kompositionen gerückt - Moholy-Nagy, ein Protagonist des "Neuen Sehens".

Mit Fotomontagen attackierte er die saturierte Gesellschaft und den Militarismus - und Fotogramme setzen die Phantasie des Betrachters in Bewegung. Auf den Zauber des ohne Fotoapparat erzeugten schemenhaften Licht-Spiels verstand sich Moholy-Nagy wie nur wenige andere und er erscheint hier an der Seite von Man Ray:

"Im Falle von Moholy kann man sagen, er ist im Grunde der Erfinder der Medienkunst. Im Falle von Albers darf man behaupten, er hat nach 1950 mit die renommiertesten Künstler beeinflusst: Cage, Cunningham und Rauschenberg. Und sein Einfluss reicht eindeutig weiter bis zur Minimal Art. Rauschenberg hat noch vor wenigen Monaten in New York gesagt, Albers habe ihn als Lehrer geprägt, und er schäme sich, wahrscheinlich der schlechteste Schüler dieses wunderbaren Lehrers gewesen zu sein."

Moholy-Nagy gründete nach einigen Londoner Jahren 1937 in Chicago sein von Industriellen abhängiges "New Bauhaus", dem eine neue "School of Design" folgte. Ein Stück von der ästhetischen und sozialen Utopie sollte aus dem braunen Deutschland ins Exil hinübergerettet werden, in die "Neue Welt".

Albers wiederum lehrte am "Black Mountain College" in North Carolina und profilierte sich weiter als Theoretiker der Farbe und der Wahrnehmung. In den USA avancierte er zum Maler und schuf ganze Bilderserien. Herausragend ist die "Huldigung ans Quadrat": Auf jedem dieser Gemälde liegen drei oder vier unterschiedlich große Quadrate übereinander, die variantenreich in immer neuen Farben und Farbtönen ausgestaltet sind:

"Eine Hartfaserplatte wird umgedreht, und auf die rauhe Seite kratzt er mit dem Palettenmesser die Farbe. Er verwendet nur Tubenfarben, aber ist völlig besessen von seiner Idee. Von 1950 bis zu seinem Tod 1976 entstehen mehr als 1000 Varianten dieser 'Homage to the Square'."

Albers Gemäldeserien mit den leuchtenden Farben prägen in der Schau die Etage zu den Nachkriegsjahren.

Dem an Leukämie erkrankten Moholy-Nagy blieb nur die kurze Zeitspanne bis 1946, in der er sich zeichnerisch mit dem Mikrokosmos des menschlichen Körpers beschäftigte. Und mit gemalten Erdkugeln reagierte er auf die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki - er, der technischen und sozialen Fortschritt stets zusammen gedacht hatte, zeigte sich ernüchtert.
Eine der Botschaften in dieser Bielefelder Schau, die den künstlerischen Aufbruch in die Moderne eindrucksvoll vermittelt.


Service:

Die Ausstellung "Vom Bauhaus zur neuen Welt - Josef Albers und László Moholy-Nagy ist bis zum 1. Oktober 2006 in der Kunsthalle Bielefeld zu sehen.