Vom Aufwand, eine Sanddüne zu verschieben

Von Andreas Robertz · 08.05.2011
Das Museum of Modern Art (MoMA) in Manhattan und das PS1 in Queens zeigen eine Ausstellung des Künstlers Francis Alÿs, der sich immer wieder mit dem absurden Spannungsverhältnis zwischen menschlichem Wollen und Können beschäftigt.
Es besteht eine besondere Beziehung zwischen dem Museum für Modern Art (MoMa) in New York und dem in Belgien geborenen und in Mexico City lebenden Künstler Francis Alÿs. Als das MoMA 2002 wegen Umbauarbeiten geschlossen wurde, beauftragte das Museum Francis Alÿs, eine Art symbolisch-rituellen Umzug nach Queens in ein altes Lagerhaus zu kreieren. In seiner Arbeit "Modern Procession" zog dann eine Prozession mit mexikanischer Brass Band, mit aufgebahrten Replikaten von Picasso, Duchamp und Giacometti und der Künstlerin Kiki Smith in einer Sänfte vom MoMA Manhattan über die Queensborough Bridge nach Queens.

"A Story of Deception" findet nun wiederum an beiden Orten statt, im MoMA Manhattan und im PS1 in Queens. Klaus Biesenbach, MoMAs Chief Curator at Large und jetziger Leiter des PS1 erklärt, warum gerade jetzt eine so große Ausstellung über Francis Alÿs zu sehen ist:

"Die Idee der Ausstellung ist eigentlich, dass wir in den letzten sieben Jahren extrem viele Arbeiten von Francis Alÿs gekauft haben fürs MoMA, und dann war irgendwann klar, dass wir sie ausstellen wollten."

Francis Alÿs Arbeiten bestehen aus Performances, Videofilmen, Zeichnungen, Collagen, Objekten, Fotografien und Bildern. Es sind oft allegorische und poetische Versuchsanordnungen, die er meist selber oder mit Hilfe anderer im politisch-sozialen Raum seiner Wahlheimat Mexiko stattfinden lässt.

So begrüßt den Besucher beim Betreten der Ausstellung ein Videofilm über seine Arbeit "Cuentos Patrioticos (patriotische Geschichten)". Zu sehen ist, wie der Künstler mit einer Gruppe von Schafen den großen Fahnenmast auf dem Platz der Kathedrale in Mexiko City umrundet. Dazu hört man die Glocken der Basilika. Zuerst folgen die Schafe dem Künstler, dann folgt er den Schafen.

Der Hintergrund dieser Arbeit ist ein berühmt gewordener Vorfall aus dem Jahr 1970, als die mexikanische Regierung alle ihre Beamten zwang, auf dem Platz für sie zu demonstrieren und diese als Zeichen des Widerstandes anfingen, wie Schafe zu blöken.

In der nicht weniger provozierenden Arbeit "Re-enactments" - wiederum ein Videofilm - sieht man Francis Alÿs eine Pistole kaufen, sie laden und damit durch ein geschäftiges Viertel in Mexiko City gehen. Nach knapp zwölf Minuten wird er von der Polizei gestoppt. Einen Tag später wiederholt er den Vorgang, diesmal mit Wissen der Polizei. Beide Aktionen wurden gefilmt und sind nebeneinander zu sehen - die Realität und die Manipulation durch Fiktion.

In seiner wahrscheinlich spektakulärsten Arbeit "When Faith Moves Mountains" verschiebt Alÿs mit 500 Freiwilligen eine Sanddüne im Norden Limas um mehrere Zentimeter. Diese beeindruckende Aktion, die in der Erinnerung der Menschen dieses Viertels weiterlebt, ist ein Kommentar auf das Verhältnis zwischen dem maximalen Aufwand einer Bemühung und seinem minimalen Ergebnis und als Allegorie auf die Sozialreformen südamerikanischer Regierungen zu verstehen. Kurator Klaus Biesenbach:

"Ich denke, dass Francis Alÿs eher poetisch-politisch ist, also, es geht eigentlich immer um Balance von Kräften, Gleichgewicht zu halten, wie ein kleines Gedicht, was immer die Grundstimmung oder Grundaussage oder Grundbalance für eine Arbeit angibt."

"A Story of Deception" zeigt die Vielfalt eines Künstlers, der seine Motive in der absurden Spannung zwischen dem unerreichbaren Ziel menschlichen Wollens und dem nichtsdestotrotz enormen Aufwand im Bemühen darum findet. So ist es kein Wunder, das Becketts Gedicht vom Scheitern, Wiederversuchen und Besserscheitern zu den Lieblingsgedichten des Künstlers gehört. Dabei wohnt eine enorme politische Provokation in Francis Alÿs Arbeiten.

In "Rehearsal I" versucht er, in einem roten VW Käfer in Tijuana im Norden Mexikos eine Sandpiste hügelaufwärts zu fahren. Auf der anderen Seite des Hügels, hinter der Grenze, liegen die USA. Solange eine Brass Band spielt, gibt er Gas, hört sie auf zu spielen, rollt der Käfer zum großen Vergnügen der Musiker und anwesender Anwohner zurück.

Am Beispiel dieses mexikanischen Sisyphus prägt Alÿs den Begriff der "politischen Probe":

"Man erreicht eigentlich das, was man erreichen möchte, dadurch, dass man das Leben in einer ständigen Rehearsal, einer ständigen Probe hält. Vielleicht eine Generalprobe, aber es ist eine Probe."
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