Vom Aufreger zum Normalfall
Die Idee war simpler Sozialdarwinismus: die Gesetze der Straße, als Experiment für Voyeure ins Fernsehen getragen. Als vor zehn Jahren die erste Staffel "Big Brother" im TV lief, war der quotenfördernde Empörungsschrei groß. Heute ringen Folgen wie die damals gezeigten den Zuschauern höchstens ein müdes Lächeln ab.
"Big Brother" begann in einer Zeit, als der Fernsehzuschauer sein fundamentales Recht auf Selbstbestimmung entdeckte.
"Du bist nicht allein" war das Motto der ersten Staffel, und die war tatsächlich die beste: ein Stillleben wie aus dem Skizzenbuch von Robert Altmann: John still weinend. Verena leise lächelnd. Sabrina – deutlich schweigend! Andrea schweigend. Jürgen mit Fußballerschritten über die Wiese schreitend wie ein Puma beim Hofgang: Und wenn von draußen vorm Zaun einer kurz seinen Namen schreit, hebt er die Arme und atmet schwer. Nee!
Und vor allen anderen Zlatko Trpkovski, der arbeitslose Industriemechaniker: ein Schwabe mazedonischer Abstammung, mit Tätowierungen, Machogehabe, fehlender Bildung und Vorliebe für Schlager. Sladdie war der am wenigsten kulturell domestizierte Teilnehmer des gruppendynamischen Big-Brother-Projektes. Ein Halbwilder. Ein Tier.
Fernsehgeschichte schreibt übrigens auch die Gesprächskultur im Big-Brother-Haus: Fußnägelschneiden und: "Wie findet ihr mein Hemd?" Zlatko schneidet sich die Brusthaare, bis er blutet, Kerstin und Alex haben Sex, Manu kotzt Bier auf den Rasen, fünfmal. Zynismus als Unterhaltungsshow, aber bei "Big Brother" in Polen oder Spanien soll es alkoholisch und sexuell noch ganz anders zur Sache gehen, sagt der betreuende Psychologe später mal. Und draußen gucken Arbeitslose Arbeitslosen beim Arbeitslossein zu - hier wie dort.
Und nach und nach wählen die Zuschauer einen Kandidaten nach dem anderen aus dem Haus. Wer übrig bleibt, erhält ein Preisgeld – zunächst 100.000 Mark, später 250.000 Euro.
Als Zlatko den Container verlassen muss, stehen am Zaun in Köln-Hürth mehrere Tausend schreiende Menschen, Kreislaufzusammenbrüche, Massenhysterie. Seine erste Single - keine 20 Stunden nach Zlatkos Rauswurf auf dem Markt – hält sich 15 Wochen auf Platz 1 der deutschen Charts!
Das Danach gehörte zum Konzept bei dieser mega-trend-kultigen Mixtur aus Wahnsinn, Mythos und Lappalie: Die Verwertungskette rasselt weiter. Die Produktionsfirma Endemol hat mehrere Leute im permanenten Einsatz, um das Melken des mazedonischen Wunderbullen zu organisieren.
"Big Brother" - diese vom Niederländer John de Mol entwickelte Fernsehsendung war die Initialzündung für eine neue Seuche in der Fernsehversorgung: Anfang 2001 zog eine unüberschaubare Zahl von Kandidaten in irgendwelche "Container" ein. Zig andere Selbstentblößungs- und -entblödungswettbewerbe folgten – von der öffentlichen Anmachshow inklusive eingebauter Traumhochzeit bei "Wer heiratet den Millionär?" - über das "Dschungelcamp" bis zu "Deutschland sucht den Superstar", die untereinander und mit "Big Brother" regen Austausch all der Neupromis pflegten. Und sowieso: Die regelmäßigen Promibesuche waren gerade in der Öde des Container-Alltags für die Insassen stets ein Bonbon – ob da nun so Berühmtheiten kamen wie Desirée Nick oder Verona Feldbusch oder auch Guido Westerwelle auf Wahlkampftour mit seinem Spaßmobil!
Etliche Sendungen werden dann um die Kernshow drumrumgebaut – als Durchlauferhitzer der Show. Der Livestream im Internet läuft 24 Stunden – inzwischen für Geld, Premiere (heute Sky) richtet einen eigenen Big-Brother-Bezahlkanal ein. "Observierende Dokumentationen" nennt man so was damals.
Aber als die Quoten des Skandal-Formats auf niedrigem Niveau verharren, verschärft die Firma Endemol die Regeln. Nach und nach erinnern die soziologischen Versuchsanordnungen immer mehr an so beliebte Spiele wie: Was passiert, wenn man dem Hamster in die Mikrowelle steckt?
2010 haben Politiker und Jugendschützer haben längst aufgehört, sich zu erregen. Eine geplante Schönheits-OP im Container wurde kurzfristig abgesagt, und die Probleme um antisemitische Witze, die Bewohner sich spät nachts erzählten, legten sich auch wieder. Inzwischen ist "Big Brother" eher eine Spaßgeschichte für Fans geworden, denen soziales Leben irgendwie wichtiger ist als Singen-Können (wie bei den Superstars). Die Fangruppe ist verschworen –, erlebt hier so eine Art "Gute Zeiten echte Zeiten", – mit Accessoires aus der Wirklichkeit einschließlich der Ex, die in den Container geschleust wird: Und die Fans fühlen sich erst ernst genommen, wenn RTL 2 nach einer Diskussion auf der Internetseite das Motto der 10. Staffel von "Ost gegen West" ändert auf "Jeder hat ein Geheimnis"!
"Du bist nicht allein" war das Motto der ersten Staffel, und die war tatsächlich die beste: ein Stillleben wie aus dem Skizzenbuch von Robert Altmann: John still weinend. Verena leise lächelnd. Sabrina – deutlich schweigend! Andrea schweigend. Jürgen mit Fußballerschritten über die Wiese schreitend wie ein Puma beim Hofgang: Und wenn von draußen vorm Zaun einer kurz seinen Namen schreit, hebt er die Arme und atmet schwer. Nee!
Und vor allen anderen Zlatko Trpkovski, der arbeitslose Industriemechaniker: ein Schwabe mazedonischer Abstammung, mit Tätowierungen, Machogehabe, fehlender Bildung und Vorliebe für Schlager. Sladdie war der am wenigsten kulturell domestizierte Teilnehmer des gruppendynamischen Big-Brother-Projektes. Ein Halbwilder. Ein Tier.
Fernsehgeschichte schreibt übrigens auch die Gesprächskultur im Big-Brother-Haus: Fußnägelschneiden und: "Wie findet ihr mein Hemd?" Zlatko schneidet sich die Brusthaare, bis er blutet, Kerstin und Alex haben Sex, Manu kotzt Bier auf den Rasen, fünfmal. Zynismus als Unterhaltungsshow, aber bei "Big Brother" in Polen oder Spanien soll es alkoholisch und sexuell noch ganz anders zur Sache gehen, sagt der betreuende Psychologe später mal. Und draußen gucken Arbeitslose Arbeitslosen beim Arbeitslossein zu - hier wie dort.
Und nach und nach wählen die Zuschauer einen Kandidaten nach dem anderen aus dem Haus. Wer übrig bleibt, erhält ein Preisgeld – zunächst 100.000 Mark, später 250.000 Euro.
Als Zlatko den Container verlassen muss, stehen am Zaun in Köln-Hürth mehrere Tausend schreiende Menschen, Kreislaufzusammenbrüche, Massenhysterie. Seine erste Single - keine 20 Stunden nach Zlatkos Rauswurf auf dem Markt – hält sich 15 Wochen auf Platz 1 der deutschen Charts!
Das Danach gehörte zum Konzept bei dieser mega-trend-kultigen Mixtur aus Wahnsinn, Mythos und Lappalie: Die Verwertungskette rasselt weiter. Die Produktionsfirma Endemol hat mehrere Leute im permanenten Einsatz, um das Melken des mazedonischen Wunderbullen zu organisieren.
"Big Brother" - diese vom Niederländer John de Mol entwickelte Fernsehsendung war die Initialzündung für eine neue Seuche in der Fernsehversorgung: Anfang 2001 zog eine unüberschaubare Zahl von Kandidaten in irgendwelche "Container" ein. Zig andere Selbstentblößungs- und -entblödungswettbewerbe folgten – von der öffentlichen Anmachshow inklusive eingebauter Traumhochzeit bei "Wer heiratet den Millionär?" - über das "Dschungelcamp" bis zu "Deutschland sucht den Superstar", die untereinander und mit "Big Brother" regen Austausch all der Neupromis pflegten. Und sowieso: Die regelmäßigen Promibesuche waren gerade in der Öde des Container-Alltags für die Insassen stets ein Bonbon – ob da nun so Berühmtheiten kamen wie Desirée Nick oder Verona Feldbusch oder auch Guido Westerwelle auf Wahlkampftour mit seinem Spaßmobil!
Etliche Sendungen werden dann um die Kernshow drumrumgebaut – als Durchlauferhitzer der Show. Der Livestream im Internet läuft 24 Stunden – inzwischen für Geld, Premiere (heute Sky) richtet einen eigenen Big-Brother-Bezahlkanal ein. "Observierende Dokumentationen" nennt man so was damals.
Aber als die Quoten des Skandal-Formats auf niedrigem Niveau verharren, verschärft die Firma Endemol die Regeln. Nach und nach erinnern die soziologischen Versuchsanordnungen immer mehr an so beliebte Spiele wie: Was passiert, wenn man dem Hamster in die Mikrowelle steckt?
2010 haben Politiker und Jugendschützer haben längst aufgehört, sich zu erregen. Eine geplante Schönheits-OP im Container wurde kurzfristig abgesagt, und die Probleme um antisemitische Witze, die Bewohner sich spät nachts erzählten, legten sich auch wieder. Inzwischen ist "Big Brother" eher eine Spaßgeschichte für Fans geworden, denen soziales Leben irgendwie wichtiger ist als Singen-Können (wie bei den Superstars). Die Fangruppe ist verschworen –, erlebt hier so eine Art "Gute Zeiten echte Zeiten", – mit Accessoires aus der Wirklichkeit einschließlich der Ex, die in den Container geschleust wird: Und die Fans fühlen sich erst ernst genommen, wenn RTL 2 nach einer Diskussion auf der Internetseite das Motto der 10. Staffel von "Ost gegen West" ändert auf "Jeder hat ein Geheimnis"!