Vom Arbeiterkind zum Kunstliebhaber
Joseph Beuys, Andy Warhol und Roy Lichtenstein: In der Sammlung von Erich Marx finden sich zentrale Werke der klassischen Moderne. Zugänglich für das Publikum sind sie im Hamburger Bahnhof in Berlin. Jetzt wird Marx 90 Jahre alt.
Anselm Kiefers 30 Tonnen schwere, Volkszählung genannte, bleierne Bibliothek, Josef Beuys’ Unschlitt/Tallow betiteltes Ensemble aus Talg, Fett und Gips-Quadern, Andy Warhols plakativer vier mal drei Meter messender Mao-Siebdruck: Es ist im wahren, aber auch im übertragenen Wortsinn große, ja oft sperrige Kunst, die Erich Marx über die Jahre zusammengetragen hat. Es sind Kunstwerke, die heute zu den modernen Klassikern zählen, zu ihrer Entstehungszeit aber provozierten. Das taten sie auf eine Art und Weise, die nicht so recht zu seiner Lebensgeschichte passen will. Denn als Erich Marx am 25. April 1921 als Sohn eines Lagerarbeiters im kleinen Brombach inmitten der badischen Provinz geboren wurde, lag das sicher fernab zeitgenössisch kultureller Tendenzen.
"Das war ein Dorf und Kultur auf dem Dorf war immer eine Volkskultur. Nicht Volkslieder singen und deswegen haben wir mit der großen Kunst – die war viel zu groß und viel zu weit weg."
Vor der Annäherung an die Kunst steht für den Kriegsheimkehrer nach 1945 zunächst der berufliche Aufstieg: vom Hilfsarbeiter zum promovierten Juristen und Unternehmer, der 1967 in Berlin seine eigene Bauträgerfirma gründet. Dann erst ist Zeit für einen folgenschweren Spaziergang auf Sylt, der ihn zu einem Galeriebesuch und zum ersten Kunstkauf führt.
"In diese Galerie bin ich reingegangen um mal zu sehen: Was gibt’s denn eigentlich Neues? Und da habe ich eben gesehen, dass die Kunst nach dem Krieg neu auflebt. Ich habe gleich fünf Arbeiten des gleichen Künstlers gekauft. Das war Meckseper, ein norddeutscher Grafiker. Die fand ich einfach gut."
Noch heute hängen die Grafiken von Friedrich Meckseper in Marx’ Berliner Büro. Sie sind der Grundstock einer über die Jahre auf rund 200 Werke angewachsenen Kunst-Kollektion, von der ihr Sammler allerdings nicht sagen kann, wie genau sie entstand. Vielleicht ja, weil es ihm schwerfällt, Worte für etwas zu finden, das für ihn vor allem eine Gefühlssache ist.
"Ich finde es absolut irrational. Denn welche Maßstäbe wollten sie anlegen, wenn sie sonst Kunst sammeln? Das könnte nur sein, um Geld damit zu verdienen. Und genau das ist das, was ich nicht will. Kunst erschließt sich einem erst, wenn man sich damit befasst. Entweder sie springt einen geradezu an oder aber man wird neugierig und sagt, ich würde gern wissen, was dahinter steckt. Bei jedem Bild ist das so: es muss einen Menschen interessieren, es muss ihn faszinieren."
Aus dieser Neugierde und Faszination heraus sucht Marx auch immer wieder das Gespräch mit den Künstlern. Es entstehen freundschaftliche Beziehungen – etwa zu seinem badischen Landsmann Anselm Kiefer. Aber es gibt auch brisante Begegnungen. So zwischen Erich Marx, der in den Endsechziger- und 70er-Jahren in der heiß umstrittenen Berliner Bau- und Sanierungsbranche tätig ist, und Joseph Beuys, damals Pate eines besetzten Hauses. Vielleicht sind es aber gerade diese Gegensätze, die Erich Marx anziehen. 1970 holt er sich Heiner Bastian, den damaligen Sekretär von Beuys als Berater an die Seite und kauft nur noch Kunst mit Museumspotential. 1996 ist es dann soweit: Der Hamburger Bahnhof wird mit der Sammlung Marx als Berliner Museum für Gegenwart eröffnet. Ein glorreicher Auftakt, dem zahlreiche Krisen folgen. Mehrfach droht Marx, seine Kollektion zurückzuziehen. Er sieht seine Sammlung an den Rand gedrängt. Tut sich schwer damit, dass sie nicht mehr en bloc im Zentrum des Hauses präsentiert wird, sondern in wechselnden Konstellationen Teil eines Ganzen ist oder auch mal im Depot verschwindet.
"Das Museum heißt Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart. Aber meine Kunst war eben eines Tages nicht mehr Kunst der Gegenwart, sondern klassische Moderne. Und da kam es natürlich zu Komplikationen, weil auf der einen Seite die Gegenwartskunst zu Recht auch ihren Raum beanspruchte und ich auf der anderen Seite meine Sammlung auch ausgestellt wissen wollte. Und dass es da ab und an mal Komplikationen geben kann, das liegt in der Natur der Sache."
Offensichtlich sieht Erich Marx die Dinge heute gelassener. Die Richard Long Ausstellung, die ihm zu Ehren gerade stattfindet, nennt er sogar großartig, auch wenn mit dem Berlin Circle nur eine einzige Arbeit aus seiner Sammlung stammt.
"Wenn man etwas macht, möchte man auch gern, dass es eine Chance zum weiterleben hat. Das möchte ich gerne noch machen."
Dass dies in Erfüllung geht, dass er die Sammlung auch über seinen Tod hinaus in einem Berliner Museum beheimatet weiß, das kann man dem nun 90-jährigen Sammler nur wünschen. Und der Stadt Berlin: weil es ein Gewinn ist, diese nicht nur im Wortsinn gewichtige Kunstkollektion zu haben. Mit Werken, die Entwicklungen zeigen können, ohne den Blick auf Neues zu versperren. Das hat die jüngere Vergangenheit gezeigt.
"Das war ein Dorf und Kultur auf dem Dorf war immer eine Volkskultur. Nicht Volkslieder singen und deswegen haben wir mit der großen Kunst – die war viel zu groß und viel zu weit weg."
Vor der Annäherung an die Kunst steht für den Kriegsheimkehrer nach 1945 zunächst der berufliche Aufstieg: vom Hilfsarbeiter zum promovierten Juristen und Unternehmer, der 1967 in Berlin seine eigene Bauträgerfirma gründet. Dann erst ist Zeit für einen folgenschweren Spaziergang auf Sylt, der ihn zu einem Galeriebesuch und zum ersten Kunstkauf führt.
"In diese Galerie bin ich reingegangen um mal zu sehen: Was gibt’s denn eigentlich Neues? Und da habe ich eben gesehen, dass die Kunst nach dem Krieg neu auflebt. Ich habe gleich fünf Arbeiten des gleichen Künstlers gekauft. Das war Meckseper, ein norddeutscher Grafiker. Die fand ich einfach gut."
Noch heute hängen die Grafiken von Friedrich Meckseper in Marx’ Berliner Büro. Sie sind der Grundstock einer über die Jahre auf rund 200 Werke angewachsenen Kunst-Kollektion, von der ihr Sammler allerdings nicht sagen kann, wie genau sie entstand. Vielleicht ja, weil es ihm schwerfällt, Worte für etwas zu finden, das für ihn vor allem eine Gefühlssache ist.
"Ich finde es absolut irrational. Denn welche Maßstäbe wollten sie anlegen, wenn sie sonst Kunst sammeln? Das könnte nur sein, um Geld damit zu verdienen. Und genau das ist das, was ich nicht will. Kunst erschließt sich einem erst, wenn man sich damit befasst. Entweder sie springt einen geradezu an oder aber man wird neugierig und sagt, ich würde gern wissen, was dahinter steckt. Bei jedem Bild ist das so: es muss einen Menschen interessieren, es muss ihn faszinieren."
Aus dieser Neugierde und Faszination heraus sucht Marx auch immer wieder das Gespräch mit den Künstlern. Es entstehen freundschaftliche Beziehungen – etwa zu seinem badischen Landsmann Anselm Kiefer. Aber es gibt auch brisante Begegnungen. So zwischen Erich Marx, der in den Endsechziger- und 70er-Jahren in der heiß umstrittenen Berliner Bau- und Sanierungsbranche tätig ist, und Joseph Beuys, damals Pate eines besetzten Hauses. Vielleicht sind es aber gerade diese Gegensätze, die Erich Marx anziehen. 1970 holt er sich Heiner Bastian, den damaligen Sekretär von Beuys als Berater an die Seite und kauft nur noch Kunst mit Museumspotential. 1996 ist es dann soweit: Der Hamburger Bahnhof wird mit der Sammlung Marx als Berliner Museum für Gegenwart eröffnet. Ein glorreicher Auftakt, dem zahlreiche Krisen folgen. Mehrfach droht Marx, seine Kollektion zurückzuziehen. Er sieht seine Sammlung an den Rand gedrängt. Tut sich schwer damit, dass sie nicht mehr en bloc im Zentrum des Hauses präsentiert wird, sondern in wechselnden Konstellationen Teil eines Ganzen ist oder auch mal im Depot verschwindet.
"Das Museum heißt Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart. Aber meine Kunst war eben eines Tages nicht mehr Kunst der Gegenwart, sondern klassische Moderne. Und da kam es natürlich zu Komplikationen, weil auf der einen Seite die Gegenwartskunst zu Recht auch ihren Raum beanspruchte und ich auf der anderen Seite meine Sammlung auch ausgestellt wissen wollte. Und dass es da ab und an mal Komplikationen geben kann, das liegt in der Natur der Sache."
Offensichtlich sieht Erich Marx die Dinge heute gelassener. Die Richard Long Ausstellung, die ihm zu Ehren gerade stattfindet, nennt er sogar großartig, auch wenn mit dem Berlin Circle nur eine einzige Arbeit aus seiner Sammlung stammt.
"Wenn man etwas macht, möchte man auch gern, dass es eine Chance zum weiterleben hat. Das möchte ich gerne noch machen."
Dass dies in Erfüllung geht, dass er die Sammlung auch über seinen Tod hinaus in einem Berliner Museum beheimatet weiß, das kann man dem nun 90-jährigen Sammler nur wünschen. Und der Stadt Berlin: weil es ein Gewinn ist, diese nicht nur im Wortsinn gewichtige Kunstkollektion zu haben. Mit Werken, die Entwicklungen zeigen können, ohne den Blick auf Neues zu versperren. Das hat die jüngere Vergangenheit gezeigt.