Vollgestopfte Rucksäcke statt Muckibude

Wie Bodybuilder ohne Fitnessstudio klarkommen

04:10 Minuten
Im Gaza Streifen trainiert der palestinensische Fitnesstrainer and Bodybuilder, Ahmed al-Sawi, indem er die Wohnzimmer Couch mit seinem Sohn darauf stemmt.
Der Coronavirus trifft die Fitnesssportler weltweit. Im Gaza-Streifen wird der Bodybuilder Ahmed al-Sawi kreativ, um trainiert zu bleiben. © imago/ Ashraf Amrax
Von Thilo Schmidt · 26.04.2020
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Viele Sportler können wegen der Coronakrise nicht richtig trainieren: Bodybuilder zum Beispiel, die täglich hunderte Kilo stemmen, haben in dieser Zeit ein Problem. Viele versuchen es nun zu Hause – und hoffen, dass die Muskeln nicht verschwinden.
"Man sagt, Bodybuilding ist wie ein Wettlauf gegen die Zeit. Also man hat einmal die Aufbausaison, wo man versuchen muss, so viel Muskeln wie möglich anzutrainieren, und dann hat man halt ein Viertel- bis ein halbes Jahr, je nach Ausgangskörperform dann die Diät, wo man sich gezielt auf den Wettkampf vorbereitet. Je weniger Muskeln man zum Beginn der Diät hat, desto schlechter sieht man auf der Bühne dann aus. Das ist jetzt für uns alle das Problem, weil uns diese Zeit jetzt komplett abhandenkommt", erzählt die 25-jährige Speditionsbetriebswirtin Anna-Lena Prinz.
Sie geht normalerweise fast täglich in die Muckibude. Seit fünf Jahren macht sie Bodybuilding und tritt in der "Physique"-Klasse an, in der es auf besonders ausgeprägte Muskulatur ankommt. Sie ist ein Schwergewicht, sie wiegt 75 Kilogramm – bei gerade einmal 1,60 Meter Körpergröße. Nun sind bis auf Weiteres alle Wettkämpfe abgesagt, die Sportstudios geschlossen – und Prinz hat ein Problem.

Improvisation in den eigenen vier Wänden

"Zum einen habe ich mich jetzt entspannt, da mir aber langsam auch die Decke auf den Kopf fällt und ich natürlich auch Angst habe, dass vieles umsonst war, was ich gemacht hab, versuch ich jetzt eben Körpergewichtübungen. Aufbauen wird man nicht groß können, das ist natürlich für die, die in der Aufbauphase sind, sehr blöd."
Manche Athleten haben ein eigenes "Home-Gym", andere haben doch noch irgendwie, mehr oder weniger legal, Zugang zu einem Studio. Prinz hat beides nicht. Und improvisiert daheim, trainiert mit Wasserflaschen im Sechserträger, vollgestopften Rucksäcken und anderem.
"Liegestütze kann man machen, indem sich jemand auf den Rücken draufsetzt, da hat man schon mal mehr Gewicht, zum Beispiel mein Freund, wären auch noch mal 60 Kilo obendrauf. Mit diesen Gummibändern kann man halt viel Gewicht erzeugen, indem man sie eng aufeinanderlegt."
Trizepsübungen durch Hochdrücken an der Bettkante, Klimmzüge im Türrahmen – Muskelaufbau ist unter diesen Umständen kaum möglich, sagt Prinz – höchstens mit Ach und Krach und mithilfe proteinreicher Ernährung den Muskel einigermaßen zu erhalten. Monatelang werde das allerdings kaum gelingen.

Größte Anstrengung im Kopf

"So eine Beinpresse, da kann man halt zweihundert, dreihundert Kilo draufmachen, das fehlt hier natürlich. Ich kann mit meinem eigenen Körpergewicht – ich bin jetzt bei 75 Kilo – natürlich Kniebeugen machen. Aber das ist dann ein Minimalteil. Das geht dann eher darüber, dass man sehr, sehr viele Wiederholungen macht, um den Muskel zu erschöpfen. Aber der Wachstumsreiz ist natürlich noch mal besser, wenn man sehr, sehr viel Gewicht benutzt und den Muskel richtig schockt."
Auch wenn der Muskulatur ein Memoryeffekt nachgesagt wird, der einen relativ schnellen Wiederaufbau der Muskeln erleichtert, ist diese Zeit auch für die stärksten Kraftsportler vor allem eine Kopfübung:
"Das geht uns allen so durch den Kopf. Och, nee, dann bin ich wieder bei null. Jeder hat Panik, dass wirklich alles umsonst war. Auch ich schließe mich da nicht aus, ich bin da in der Panikmache mit mir selbst ganz weit vorn dabei, weil man eben doch immer denkt, man hat so hart dran gearbeitet, sich an seine Diät gehalten, und dann … sieht man halt, wie der Sixpack vielleicht weg ist oder wie die Muskeln nicht mehr so deutlich vortreten. Da helfen diese Home-Work-Outs, auch wenn man weiß, zum Wachsen bringt's mich nicht, aber die helfen da schon auch ein bisschen unterstützend, dass man wenigstens das Gefühl hat, okay, ich hab was getan, ich lass das nicht einfach so dahingehen."
An drei Wettkämpfen hat Anna-Lena Prinz teilgenommen: an der Deutschen Juniorenmeisterschaft, am Rhein-Neckar-Pokal und an der Hessischen Meisterschaft. Der nächste Wettkampf wird nunmehr frühestens im Herbst nächsten Jahres möglich sein.
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