Voller Sound

Von Cajo Kutzbach |
Etwa jeder zweite Bundesbürger ist täglich so lautem Straßenverkehr ausgesetzt, dass darunter seine Gesundheit leiden kann. Dabei mussten die Hersteller ihre Fahrzeuge seit 1980 wesentlich leiser machen. Doch das Umweltbundesamt fand, dass die strengeren Vorschriften im Alltag fast keine Verringerung des Lärms bewirken.
Die Autofirmen interessiert neben dem Lärm, der die Anwohner plagt, auch das typische Geräusch eines Fahrzeugs und, wie leise es im Innenraum ist, also all das, was dem Fahrer behagt. Beides kann ein neuer Prüfstand mit bisher nicht erreichter Genauigkeit untersuchen.
Eine Schnellstraße in Stuttgart, einzelne Autos sind kaum noch aus dem Lärm herauszuhören. Wenige hundert Meter neben der Schnellstraße hat das Fraunhofer-Institut für Bauphysik sein neues Labor für Fahrzeugakustik. Das Institut hat schon viele akustische Prüfstände mit entwickelt, aber hier hat es sein Meisterstück gemacht: akustischer Windkanal, Lasermesstechnik und Hochleistungsrechner liefern präzise Daten. Vor den Wänden des Schalltoten Testraumes stehen 64 Mikrofone - ein Lauschangriff auf Rollgeräusche, Wirbel des Fahrtwinds an der Karosserie, Motor- und Getriebeklänge. Alles was am und im Auto Töne erzeugt, können die Forscher messen.

Dr. Peter Brandstätt, Gruppenleiter Fahrzeugakustik, führt den Prüfstand vor: "So jetzt können wir das Fahrzeug anlassen. Das wird mein Kollege, der Herr Krämer übernehmen, sich mal reinsetzen." Tür knallt, Motor wird angelassen."

Das Testfahrzeug steht auf vier einzeln angetriebenen Rollen, die je nach Bedarf mit unterschiedlichen Belägen versehen werden können. Denn die Simulation der Rollgeräusche auf verschiedenen Straßen gibt Reifenherstellern wichtige Informationen – ob im Leerlauf, bei gemütlicher Fahrt oder mit Bleifuß. Immerhin können im Test Geschwindigkeiten bis zu 320km/h "gefahren" werden.

"Wir sind im Leerlauf und können jetzt zwei verschiedene Geschwindigkeiten einstellen. Das Programm ist gestartet und ich glaube man kann es deutlich erkennen."

Da bei hohen Geschwindigkeiten, oder bei offenem Fenster der Fahrtwind "sein Lied singt", jagt ein Gebläse bei entsprechenden Messungen Luft um das Auto herum. Dabei ändern sich Strömung und Geräusch, wenn sich die Räder drehen. Man kann also heraus finden, ob die Geräusche von der Karosserie stammen, oder durch das Zusammenwirken von Karosserie und drehenden Reifen entstehen.

Das Kunststück der Stuttgarter Akustiker: Herausfinden, wo ein unerwünschtes Geräusch entsteht. Motor, Reifen, Straßenbelag, Federung, Karosserie und Fahrtwind sind nicht die einzigen Quellen. Manchmal klappert eine Verbindung, Bleche vibrieren oder Plastikteile dröhnen.

Um solche akustische Störenfriede aufzuspüren, kommt ein Gitter mit vielen Mikrofonen - etwa so groß, wie eine Zeitungsseite - zum Einsatz, erläutert Philip Leistner, Leiter der Abteilung Akustik:

""Dieses Mikrofon-Netz, was wir da aufspannen, aus fast hundert Mikrofonen, fest natürlich miteinander verbunden, gibt uns so eine Art Fotografie, Schallfeldfotografie von einzelnen Teilen des Fahrzeuges, oder Bereichen am Fahrzeug, wie so eine akustische Kamera kann man sich das also vorstellen. Dort wird auch der Schallpegel, das Schallereignis in Farben umgerechnet, das wir's dann optisch auswerten können und können sagen: "Also ich hör es zwar nicht mit meinen eigenen Ohren, aber an dieser oder jener konkreten Stelle, entsteht offenbar mehr Schall, als ich mir wünsche."

Die Fahrzeug-Konstrukteure wissen dadurch, wo sie die Störgeräusche bekämpfen müssen.

Weil bei derartig aufwändigen Untersuchungen jede Stunde viel Geld kostet, kamen die Entwickler des Akustiklabors auf die Idee, beim Wechsel der Testfahrzeuge Zeit zu sparen. Durch drei Paletten, auf denen Fahrzeuge für die Messungen vorbereitet werden, sind auch Vergleiche verschiedener Fahrzeuge ohne langwierige Umrüstung möglich. Man rollt einfach die nächste Palette samt Fahrzeug in die Messhalle. Sobald das Fahrzeug fixiert und die Kabel angeschlossen sind, können die Messungen beginnen.

Dank des neuen Akustikprüfstandes, könnte der Straßenverkehr in Zukunft wieder ein wenige leiser werden.