Voll abgefahren
Als Basis für Weltruhm hätte das Gedicht wohl kaum ausgereicht. Lässt seine eigenwillige Metaphorik es - ganz im Widerspruch zu seinem Thema - doch eher unrund dahinholpern.
Ich zitiere:
"Wir haben
Sechs Zylinder und dreißig Pferdekräfte
Wir liegen in der Kurve wie Klebestreifen.
Unser Motor ist:
Ein denkendes Erz."
Nun ja. Die literarisch von einem Herrn Reich-Ranicki oder einer Frau Heidenreich geschulte Elite unseres Landes mag mit einigem Recht daran zweifeln, dass dieses Werk an die lyrische Kraft etwa jenes Gedichtes heranreicht, in dem ein später Ritt durch Nacht und Wind verheerende Folgen zeigt. Für den Laudator der "Singenden Steyrwägen" – so der Titel des Gedichts in eher privater Pluralbildung – für diesen Laudator haben sich seine Zeilen dennoch ausgezahlt. Sie brachten ihm 1928 immerhin eine Nobelkarosse ein: Es war Bertolt Brecht, der gute Mensch der internationalen Arbeiterklasse.
Die eben nicht nur literarisch geschulte Elite könnte nun ins Grübeln kommen. Auch andere Poeten beweisen schließlich immer wieder, dass wir Deutschen uns nicht nur als das Volk der Dichter und Denker, sondern ebenso auch als dasjenige der Dichter und Lenker betrachten können. Da ist es nämlich nicht nur Brecht, dem es geschäftstüchtig gelingt, sich für ein paar werbende Verse von einer Autofirma fürstlich honorieren zu lassen, da ist es ebenso Thomas Mann, der zumindest einen Teil seines Preisgeldes für den Literatur-Nobelpreis in einen feudalen Horch umsetzt. Kollege Hermann Hesse, ebenfalls mit Nobel-Würden ausgezeichnet, versteht es durchaus, wie ein technikfeindlicher Naturfreund zu wirken, diese Natur aber ausgerechnet vom Rücksitz eines sündhaft teuren Kabrioletts aus zu genießen. Und Heinrich Böll endlich, Dritter im Bunde der deutschen Nobel-Literaten, war vor allem von der Bequemlichkeit seines luxuriösen Citroëns angetan.
An mangelnder intellektueller Unterstützung kann es also nicht liegen, wenn Deutschlands Automobilisten mental gerade ins Elend steuern, - und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der sich die Auto-Erotiker aller Länder auf dem Frankfurter Messegelände zu ihrer zentralen Orgie vereinen. Und in der Tat: Nachdem die letzten Bataillone vermeintlich krebsimmuner Raucher zwischen rauchfreien Restaurants und den neuerdings in jeder Beziehung nichtrauchenden Zügen der Deutschen Bahn aufgerieben wurden, wendet sich nun die Aufmerksamkeit den Autofahrern zu, die plötzlich als globale Klimakiller dastehen. Nicht mehr lange, dann tragen unsere Autos ähnlich unseren Zigarettenschachteln Warnhinweise "Achtung: Autofahren kann tödlich sein!" und der CO²-Ausstoß pro hundert Kilometer wird per stigmatisierendem Sticker am Heck dokumentiert.
Aber es ist ja nicht falsch: Der Anteil, den der global immer weiter zunehmende Autoverkehr an der ebenfalls immer weiter zunehmenden Erderwärmung besitzt, kann kaum hoch genug angesetzt werden. Dürfte es dabei noch auf weitgehendes Verständnis stoßen, dass die erwachenden Verbraucherschichten in den Entwicklungs- und Schwellenländern bezüglich ihrer Fortbewegung nicht länger nur auf ihre Füße und ihre Fahrräder verwiesen sein möchten, so fällt es doch weit schwerer zu akzeptieren, dass gerade die wohlverdienenden Schichten in den Industriestaaten Glück und Status seit geraumer Zeit wieder durch den Besitz immer größerer Autos auszudrücken suchen. Brechts singender Steyrwagen mit seinen 30 PS ist da zu vergessen: Wer heute etwas auf sich hält, steuert in einem Geländewagen von Größe und Aussehen eines automobilen Panzerkreuzers durch unsere Innenstädte und über unsere Autobahnen. Vielleicht findet sich ja doch irgendwo ein Schlagloch, das nur mit permanentem Allradantrieb und mehreren hundert Pferdestärken gemeistert werden kann.
Auf der anderen Seite: die altgrünen Konsumverweigerer, die sich aus Gründen einer falsch verstandenen Abkehr von der kapitalistischen Verführung zum Verbrauch nicht von ihrem Uralt-Diesel trennen können, obwohl der rußt und raucht wie der berüchtigte Schlot. Doch hier stehen auch diejenigen, die in ihrem Alltag auf ihr Auto angewiesen sind, die sich wegen der so oft gepriesenen Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre aber keinen Wagen leisten können, der abgastechnisch auf der Höhe der Zeit ist.
Auf Autos werden wir nicht verzichten können, - sei es, weil wir sie zum Fahren brauchen, oder weil ihre Produktion den Motor unserer Wirtschaft nicht ins Stottern geraten lässt. Fatal ist allerdings, dass genügendes Geld im persönlichen Budget einen Freibrief dafür darzustellen scheint, mit PS-Protzen die Ressourcen dieses Planeten quasi im Alleingang auszubeuten. Und ebenso, dass fehlendes Geld – oder leider eben auch polit-ökonomische Borniertheit – es verhindern, dass unsere Umwelt so schonend behandelt wird, wie es die Technik erlaubt.
Vielleicht können uns in diesem Zusammenhang ja einmal unsere auf das Auto abgefahrenen Dichter vormachen, wie man vernünftig mit den "Wägen" umgeht. Ob sie nun singen oder nicht ...
Uwe Bork, Journalist, geboren 1951 im niedersächsischen Verden (Aller), studierte an der Universität Göttingen Sozialwissenschaften. Nach dem Studium arbeitete Bork zunächst als freier Journalist für verschiedene Zeitungen, Zeitschriften und ARD-Anstalten. Seit 1998 leitet er die Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des Südwestrundfunks in Stuttgart. Für seine Arbeiten wurde er unter anderem mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zweimal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet. Bork ist außerdem Autor mehrerer Bücher.
"Wir haben
Sechs Zylinder und dreißig Pferdekräfte
Wir liegen in der Kurve wie Klebestreifen.
Unser Motor ist:
Ein denkendes Erz."
Nun ja. Die literarisch von einem Herrn Reich-Ranicki oder einer Frau Heidenreich geschulte Elite unseres Landes mag mit einigem Recht daran zweifeln, dass dieses Werk an die lyrische Kraft etwa jenes Gedichtes heranreicht, in dem ein später Ritt durch Nacht und Wind verheerende Folgen zeigt. Für den Laudator der "Singenden Steyrwägen" – so der Titel des Gedichts in eher privater Pluralbildung – für diesen Laudator haben sich seine Zeilen dennoch ausgezahlt. Sie brachten ihm 1928 immerhin eine Nobelkarosse ein: Es war Bertolt Brecht, der gute Mensch der internationalen Arbeiterklasse.
Die eben nicht nur literarisch geschulte Elite könnte nun ins Grübeln kommen. Auch andere Poeten beweisen schließlich immer wieder, dass wir Deutschen uns nicht nur als das Volk der Dichter und Denker, sondern ebenso auch als dasjenige der Dichter und Lenker betrachten können. Da ist es nämlich nicht nur Brecht, dem es geschäftstüchtig gelingt, sich für ein paar werbende Verse von einer Autofirma fürstlich honorieren zu lassen, da ist es ebenso Thomas Mann, der zumindest einen Teil seines Preisgeldes für den Literatur-Nobelpreis in einen feudalen Horch umsetzt. Kollege Hermann Hesse, ebenfalls mit Nobel-Würden ausgezeichnet, versteht es durchaus, wie ein technikfeindlicher Naturfreund zu wirken, diese Natur aber ausgerechnet vom Rücksitz eines sündhaft teuren Kabrioletts aus zu genießen. Und Heinrich Böll endlich, Dritter im Bunde der deutschen Nobel-Literaten, war vor allem von der Bequemlichkeit seines luxuriösen Citroëns angetan.
An mangelnder intellektueller Unterstützung kann es also nicht liegen, wenn Deutschlands Automobilisten mental gerade ins Elend steuern, - und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der sich die Auto-Erotiker aller Länder auf dem Frankfurter Messegelände zu ihrer zentralen Orgie vereinen. Und in der Tat: Nachdem die letzten Bataillone vermeintlich krebsimmuner Raucher zwischen rauchfreien Restaurants und den neuerdings in jeder Beziehung nichtrauchenden Zügen der Deutschen Bahn aufgerieben wurden, wendet sich nun die Aufmerksamkeit den Autofahrern zu, die plötzlich als globale Klimakiller dastehen. Nicht mehr lange, dann tragen unsere Autos ähnlich unseren Zigarettenschachteln Warnhinweise "Achtung: Autofahren kann tödlich sein!" und der CO²-Ausstoß pro hundert Kilometer wird per stigmatisierendem Sticker am Heck dokumentiert.
Aber es ist ja nicht falsch: Der Anteil, den der global immer weiter zunehmende Autoverkehr an der ebenfalls immer weiter zunehmenden Erderwärmung besitzt, kann kaum hoch genug angesetzt werden. Dürfte es dabei noch auf weitgehendes Verständnis stoßen, dass die erwachenden Verbraucherschichten in den Entwicklungs- und Schwellenländern bezüglich ihrer Fortbewegung nicht länger nur auf ihre Füße und ihre Fahrräder verwiesen sein möchten, so fällt es doch weit schwerer zu akzeptieren, dass gerade die wohlverdienenden Schichten in den Industriestaaten Glück und Status seit geraumer Zeit wieder durch den Besitz immer größerer Autos auszudrücken suchen. Brechts singender Steyrwagen mit seinen 30 PS ist da zu vergessen: Wer heute etwas auf sich hält, steuert in einem Geländewagen von Größe und Aussehen eines automobilen Panzerkreuzers durch unsere Innenstädte und über unsere Autobahnen. Vielleicht findet sich ja doch irgendwo ein Schlagloch, das nur mit permanentem Allradantrieb und mehreren hundert Pferdestärken gemeistert werden kann.
Auf der anderen Seite: die altgrünen Konsumverweigerer, die sich aus Gründen einer falsch verstandenen Abkehr von der kapitalistischen Verführung zum Verbrauch nicht von ihrem Uralt-Diesel trennen können, obwohl der rußt und raucht wie der berüchtigte Schlot. Doch hier stehen auch diejenigen, die in ihrem Alltag auf ihr Auto angewiesen sind, die sich wegen der so oft gepriesenen Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre aber keinen Wagen leisten können, der abgastechnisch auf der Höhe der Zeit ist.
Auf Autos werden wir nicht verzichten können, - sei es, weil wir sie zum Fahren brauchen, oder weil ihre Produktion den Motor unserer Wirtschaft nicht ins Stottern geraten lässt. Fatal ist allerdings, dass genügendes Geld im persönlichen Budget einen Freibrief dafür darzustellen scheint, mit PS-Protzen die Ressourcen dieses Planeten quasi im Alleingang auszubeuten. Und ebenso, dass fehlendes Geld – oder leider eben auch polit-ökonomische Borniertheit – es verhindern, dass unsere Umwelt so schonend behandelt wird, wie es die Technik erlaubt.
Vielleicht können uns in diesem Zusammenhang ja einmal unsere auf das Auto abgefahrenen Dichter vormachen, wie man vernünftig mit den "Wägen" umgeht. Ob sie nun singen oder nicht ...
Uwe Bork, Journalist, geboren 1951 im niedersächsischen Verden (Aller), studierte an der Universität Göttingen Sozialwissenschaften. Nach dem Studium arbeitete Bork zunächst als freier Journalist für verschiedene Zeitungen, Zeitschriften und ARD-Anstalten. Seit 1998 leitet er die Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des Südwestrundfunks in Stuttgart. Für seine Arbeiten wurde er unter anderem mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zweimal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet. Bork ist außerdem Autor mehrerer Bücher.

Uwe Bork© privat