Volkspalast der Republik

Von Dirk Fuhrig · 15.07.2005
Der Abbau des Palastes der Republik in Berlin soll Ende dieses Jahres beginnen. Eingeleitet worden ist jetzt die voraussichtlich letzte Phase des DDR-Relikts. Künstler bauen an einer Skulptur, die das Gebäude als massive Manifestation von Protest durchdringen soll.
Der Berg ruft. In Berlin. Seit heute wird in der historischen Mitte der Hauptstadt an einer Skulptur gebaut, die den Palast der Republik durchdringen soll. Im gewaltigen Innern des Skeletts am Schlossplatz wächst er hoch, der Berliner Berg. Er soll die Mauern sprengen und auch von außen als massive Manifestation künstlerischen Protests wahrgenommen werden.

Benjamin Foerster-Baldenius: "Stellen Sie ich mal vor: Berge, die ganzen heiligen Berge, Berge in anderen Kulturen sind ja Charaktere. Auch die Berge in Deutschland haben ja alle eine bestimmte Geschichte. Da drehen sich Mythen drum und do weiter. Die Leute, die in Bergen eingeschlossen sind. Leute, die am Berg sterben."

Benjamin Foerster-Baldenius hat dieses metaphernreiche Werk erdacht. Er baut mit nicht ganz natur-identischen Stoffen:

"Ich sage immer: Es ist ein französischer Spezial-Kunststoff. Der wird erhitzt und zieht sich dann zusammen wie ein Joghurtbecher."

Und schon liegt die Schrumpf-Folie über dem Stütz-Gitter wie ein Gummi-Anzug.

Die Metamorphose des Palasts der Republik, der seit einem Jahr von verschiedenen Gruppen kulturell "zwischengenutzt" wurde, ist die voraussichtlich letzte Phase der künstlerischen Umspielung des DDR-Relikts, das in den vergangenen Monaten unter anderem auch unter Wasser gesetzt worden war. Zuletzt zeigte in den entkernten Palast-Räumen der Volksbühnen-Regisseur Frank Castorf seine gewaltige Theater-Inszenierung von Döblins "Berlin Alexanderplatz".

Das Kulturprogramm hat mehr Besucher in den Palast der Republik gezogen, als sich die Initiatoren am Anfang hatten träumen lassen. Nicht gelungen ist es allerdings, die Abriss-Befürworter - darunter: der Deutsche Bundestag - von dem Entschluss abzubringen, das zur Ruine degradierte Ungetüm so schnell wie möglich zu beseitigen. Amelie Deuflhard, Sprecherin der Künstler-Gruppe "Volkspalast", will die Matterhornisierung des Gebäudes jedoch nicht als finale Zuckung eines letztlich gescheiterten Rettungsversuchs verstanden wissen.

Amelie Deuflhard: "Der Berg als Nachahmung, Imitation der Natur, der natürlich auch diese Imitation des geplanten Schlosses entlarven wird und der gleichzeitig eine Art Projektionsfläche für Zukunftsideen sein wird, die wir gemeinsam mit Künstlern am Berg erarbeiten."

Das Palast-Massiv als Aufgabe. Aufstieg zu unbekannten Gipfeln, zu frischen Gedanken. Amelie Deuflhard sah und sieht die Kunst als Vermittlerin zwischen den politischen Fronten.
"Im Grunde genommen hatten wir in all den Jahren nie die Behauptung aufgestellt: Wir machen jetzt den monumentalen Gegenentwurf. Sondern eher in dem Glauben, dass es heutzutage sehr schwierig ist, mit den Großentwürfen, haben wir mit all den Aktionen, die wir im Palast gemacht haben, eher versucht, neue Ideen, neue Gedanken in die Debatte einzuführen und diese sehr konfrontative Debatte DDR-Nostalgiker gegen Schloss-Befürworter - so wurde die politisch ja immer stilisiert - die aufzubrechen und zu sagen: Moment mal, hier ist eine jüngere Generation von Künstlern und Architekten und wir reden jetzt mit, ob wir gefragt werden oder nicht."

Das Land Berlin plant, mit dem Abriss des Palasts der Republik noch vor Ende des Jahres zu beginnen. Das leer geräumte Gelände soll danach zunächst als Wiese eingesät werden. Bis auf weiteres, sprich: bis genug Geld für einen Schloss-Neubau zur Verfügung steht. Voraussichtlich also sehr, sehr lange.

Martin Schmitz: "Niemand weiß, was in einem Schloss passieren soll, wer das überhaupt finanzieren soll. Wir haben keine Prinzessin mehr in Deutschland, wer soll darin wohnen? Wir werden garantiert für zehn Jahre hier eine brache Fläche haben mit Moosen und Wiesen, wies es ja auch vom Senat vorgesehen ist. Im Prinzip wollen wir die Diskussion noch mal bewegen. Denn im Grunde genommen weiß keiner, was passieren soll."

Der Berliner Verleger Martin Schmitz will mit dem soeben in seinem Verlag erschienen Buch "Fun Palace 200X" diese Diskussion neu anfachen. Das hübsche Bändchen versammelt Entwürfe und Debattenbeiträge zur künftigen Neugestaltung des Schlossplatz-Areals. Die Beiträge sind auch in einer Ausstellung zu sehen, die während der Berliner Berg-Wochen im Palast der Republik gezeigt wird. Konzepte von historisierenden Rekonstruktionsfantasien bis hin zu der schlichten Idee, aus dem Feld im Herzen Berlins einen Parkplatz zu machen - Ähnliches gab es schon früher an dieser Stelle. Philipp Oswalt, auch er einer der Kunstpalast-Initiatoren:

Philipp Oswalt: "Da wiederholt sich die Geschichte als Farce. Als Ulbricht 1950 das Schloss abreißen ließ, da war die Planung schon weiter. Es gab ganz konkrete Pläne, man wollte das auch bezahlen. Und: Es dauerte 25 Jahre bis sich hier etwas tat. Es war eine Riesen-Leere, man wollte das erst für Aufmärsche nutzen, hatte da eine Tribüne hingestellt, es war zu windig, einfach nicht nutzbar, es war eine große asphaltierte Fläche. Und das ist genau das Szenario, das sich wiederholt, Und da muss man einfach sagen: Das ist etwas, was wir nicht wollen."

Der Berg in Berlin, er soll also kreisen. Mit etwas Glück wird er vielleicht wirklich ein paar neue Konzepte gebären. Bis Anfang August soll der Palast der Republik völlig zum Gebirgsmassiv mutiert sein. Drei Wochen lang darf gegen Eintritt im Innern geklettert werden. Danach muss die Kunst aus dem Bau endgültig raus. Denn bald darauf pendelt die Abrissbirne - es sei denn, es käme am Ende doch der benachbarte Dom ins Wanken durch die Beseitigung der mächtigen Fundamente, wie manche befürchten. Das Massiv Palast - auch nicht viel leichter abzutragen als das Matterhorn.

Service:

Das Symposium "Abriss und was dann? X Ideen für den Berliner Schlossplatz" findet am 16. Juli 2005 im Palast der Republik statt. Die gleichnamig Ausstellung ist vom 16. Juli bis 26. August ebenfalls dort zu sehen.

Das Gespräch zum Thema mit dem Stadtplaner Prof. Karl Ganser, der das Eröffnungsreferat beim Symposium "Abriss und was dann?" halten wird, können Sie in der rechten Spalte als Audio hören.