Volksbühne zum "Theater des Jahres" gewählt

"Eine ungeheure künstlerische Kraft"

Vor der Volksbühne in Berlin sitzen und stehen am 21.05.2017 zahlreiche Besucher. An dem Theater wird Abschied von der Intendanz von Frank Castorf gefeiert.
Das Räuberrad vor der Volksbühne stand für die Ära von Frank Castorf. Nach seinem Abschied wurde es abmontiert. © imago stock&people
Franz Wille von "Theater heute" im Gespräch mit Dieter Kassel · 31.08.2017
Die Volksbühne in Berlin ist zum "Theater des Jahres" gewählt worden. Eine große Mehrheit der Kritiker von "Theater heute" stimmte für das Haus unter ihrem alten Intendanten Frank Castorf. Franz Wille, Redakteur der Zeitschrift, schwärmt von einem "Stück großer Theatergeschichte" - das nicht ohne Nachteile gewesen sei.
Jedes Jahr blicken deutschsprachige Theaterkritikerinnen und -kritiker für die Zeitschrift "Theater heute" zurück auf die abgelaufene Saison und sagen, was sie am meisten überzeugt hat. Die Berliner Volksbühne wurde zum zweiten Mal in Folge (2016 zusammen mit dem Maxim-Gorki-Theater) zum "Theater des Jahres" gewählt wurde.
Franz Wille von "Theater heute": "Das hat alles überstrahlt: 25 Jahre Volksbühne [unter Frank Castorf], der Abschied des Jahres, ein Stück große Theatergeschichte. Es erzählt viel darüber, was man mit einem Stadttheater machen kann, wenn man es richtig macht. Die Epoche machenden Inszenierungen von Castorf, von Marthaler, von Schlingensief, von Kresnik, in letzter Zeit auch von Herbert Fritsch, das Ensemble. Das ist eine ungeheure künstlerische Kraft. Da sind Denkräume und ästhetische Formen erschlossen worden. Da ist mit diesem Apparat Stadttheater auf eine Weise umgegangen worden, wie man es so noch nicht gesehen hat."

Verkrustete Hierarchien

Man habe auch die Nachteile und die Probleme des Modells Stadttheater an der Volksbühne sehen können, räumt Wille kritisch ein:
"Die Routinen, die sich eingeschlichen haben – so zwischen 2005 und 2011 –, die Ermüdungseffekte, auch die verkrusteten Hierarchien, die sich dann herausgebildet haben. Das hat sich dann am Schluss noch mal aufgelöst. Es hat in den letzten zwei Jahren wirklich einen Endspurt gegeben, wie man ihn selten gesehen hat. Der Wechsel hat sicher auch etwas befördert."
Weitere Ehrungen:
- Die Schauspieler des Jahres sind Valery Tscheplanowa und Joachim Meyerhoff
– Zum Stück des Jahres ist Simon Stones Tschechow-Überschreibung von "Drei Schwestern" gewählt
– Als Inszenierung des Jahres überzeugt Milo Raus "Five Easy Pieces"
– Zur Bühne des Jahres wird Ulrich Rasches Entwurf für "Die Räuber" gekürt
– Die Kostüme des Jahres hat Ersan Mondtag für "Die Vernichtung" entworfen
– Sina Martens und Michael Wächter sind Nachwuchsschauspieler des Jahres
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