Volker Jung: „Digital Mensch bleiben“

Digitale Glaubensfragen

Volker Jung hält nachdenklich einen Finger ans Gesicht
Der Theologe Volker Jung zu Gast auf der Frankfurter Buchmesse 2018 © David Kohlruss
Moderation: Anne Françoise Weber · 14.10.2018
Volker Jung, der Medienbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland, plädiert dafür, die Digitalisierung nicht geschehen zu lassen, sondern zu gestalten. Er ist davon überzeugt, dass sie Grundfragen des menschlichen Lebens berührt.
In seinem Buch "Digital Mensch bleiben" schaut Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, auf die Veränderungen, die der zunehmende Einsatz von Automatisierung und künstlicher Intelligenz für die Gesellschaft mit sich bringt. Er gibt zu bedenken:
"Keine der großen Fragen der Menschheit wie Kriege, Klimawandel, ungleiche und ungerechte Lebensbedingungen wird durch digitale Entwicklung gelöst. Jetzt geht es darum, die neuen Möglichkeiten richtig einzusetzen, sie gut weiterzuentwickeln und damit die Welt zu gestalten, dass sie wirklich gerechter und friedlicher wird."

Unbegrenzte Möglichkeiten und nötige Grenzen

2017 ist der Medienbischof mit einer Kirchen-Delegation ins Silicon Valley gereist, um sich vor Ort zu informieren. Die "ungeheure Kraft und Entwicklungsdynamik", die er dort beobachten konnte, sei "inspirierend" gewesen, sagt Volker Jung im Gespräch mit Anne Françoise Weber. Aber Kirche und Gesellschaft sollten die digitale Transformation kritisch begleiten:
"Wir müssen beobachten, was da passiert, um die Entwicklung zu gestalten und nicht gestaltet zu werden."
Jung erkennt durchaus große Chancen, etwa durch den Einsatz von Robotern in der Pflege, die Routinearbeiten übernehmen könnten, um Pflegende zu entlasten und damit im besten Fall sogar mehr Freiraum für "persönliche Begegnung und menschliche Zuwendung" zu schaffen. Auch die enormen technischen Fortschritte der Medizin seien sehr zu begrüßen. Sie werfen seiner Ansicht nach aber auch Grundfragen des Lebens auf und erfordern klare Entscheidungen, wie weit man das technisch Machbare umsetzt:
"Grenzen zu setzen ist geboten, weil es darum geht, ob wir das unverfügbare Geheimnis des Lebens wahren und schützen wollen oder nicht."

Glaube gibt Orientierung

Jung erläutert, warum religiöse Überlieferung seiner Überzeugung nach eine Orientierung geben kann - auch wenn sie für viele der schwierigen ethischen Fragen, die im Zusammenhang mit der Entwicklung künstlicher Intelligenz aufkommen, keine unmittelbare Handlungsanweisung gibt.
Außerdem spricht er darüber, wie die Kirche der unterschiedlichen digitalen Beweglichkeit verschiedener Generationen gerecht werden kann. Beim Einsatz sozialer Medien für eine stärkere "Beteiligungskultur" sei man über "erste Schritte" zwar noch nicht weit hinausgekommen. Jung ist aber davon überzeugt, dass neue Technologien gute Anstöße geben können, um über den engeren Kreis von Menschen, die ohnehin am Kirchengeschehen interessiert seien, hinaus ins Gespräch zu kommen.

Ein Roboter spricht Bibelworte

So möchte er auch den Segensroboter BlessU-2 verstanden wissen, den seine Landeskirche im Herbst 2017 auf der Wittenberger Weltausstellung zum Reformationsjubiläum präsentierte. Der Roboter, der auf Knopfdruck Bibelworte in verschiedenen Sprachen rezitierte, sei "kein Prototyp zukünftiger Pfarrerinnen und Pfarrer", sondern habe spannende Fragen aufgeworfen:
"Was bedeutet für mich Glaube, Segen, persönliche Kommunikation im digitalen Zeitalter? Welche Entscheidungen wollen wir an Maschinen übertragen und welche nicht?"

Volker Jung: Digital Mensch bleiben
Claudius-Verlag, München 2018
136 Seiten, 14 Euro

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